Auch die Christdemokraten zeigen sich angesichts der prekären finanziellen Lage nun doch gesprächsbereit, reiche Bürger stärker zu belasten.
Hamburg. Es klingt nach einem Kurswechsel in der Not. Angesichts des 550-Millionen-Lochs im Haushalt schließt offenbar auch die CDU nicht mehr aus, den Spitzensteuersatz zu erhöhen sowie die Vermögenssteuer wieder einzuführen. "Wir sind gesprächsbereit", sagte eine Sprecherin des CDU-Landesvorstands gestern zur Forderung des grünen Koalitionspartners, auf diese Art die Einnahmen zu erhöhen. Bisher hatte die CDU eine Vermögenssteuer, die auch von der Opposition immer wieder gefordert wird, strikt abgelehnt.
"Kluge Sparpolitik verteilt die Lasten gerecht auf alle Schultern", sagte GAL-Landeschefin Katharina Fegebank, während die Spitzen der schwarz-grünen Koalition am zweiten Tag der Haushaltsklausur eigentlich klären wollten, wie laufende Ausgaben eingespart werden könnten. Klar ist: Die genannten Steuererhöhungen werden im Bundesparlament entscheiden, Hamburg kann hier nur einen Anstoß geben. Der GAL-Landesvorstand wolle nun mit den "Kollegen von der CDU" und "über gemeinsame Hamburger Handlungsoptionen" sprechen. Die Krise dürfe nicht am unteren Ende hängen bleiben und Mittelstand, Kleinverdiener und sozial Schwache allein belasten, sagte Fegebank.
+++ Haushaltsklausur: Im Bann des 500-Millionen-Lochs +++
Heute tritt Bürgermeister Ole von Beust (CDU) mit einer Regierungserklärung vor die Hamburger. Mit einem detaillierten Rettungspaket für den defizitären Haushalt ist aber noch nicht zu rechnen. "Wir haben einen Kraftakt vor uns, die Beratungen über konkrete Sparmaßnahmen werden sicherlich noch bis in den Herbst hinein laufen", sagte Senatssprecher Markus Kamrad dem Abendblatt. Das bedeutet im Klartext: Auch wenn der Bürgermeister heute ausgewählte Maßnahmen präsentiert, wird die kleinteilige Arbeit mit dem Rotstift in den Behörden erst beginnen. Bisher stehen nach Abendblatt-Informationen die Zeichen eher auf Rasenmäher-Methode: Als wenig wahrscheinlich gilt, dass einige Fachgebiete von Einsparungen verschont bleiben. Es könnte also auch den bisher geschützten Bildungsetat treffen.
Als sicher gilt jedoch, dass das Personal der Hansestadt schrumpfen wird. Bis zu zehn Prozent könnten pro Jahr abgebaut werden, wenn frei werdende Stellen zunächst nicht neu besetzt werden. Im Fokus stehen hier die Schulbehörde und die Innenbehörde, aber auch die Justizbehörde. Die Gewerkschaft Ver.di hat für diesen Fall bereits "geschlossene Abwehr der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gegen Arbeitsplatzvernichtung" angekündigt.
Auch die von den Grünen gewünschte Stadtbahn, die immer wieder als Rotstift-Kandidat lanciert wurde, ist bisher offenbar nicht im schwarz-grünen Haushaltspoker auf dem Einsatztisch gelandet. Die von der GAL geführte Behörde für Stadtentwicklung steht dennoch im Fokus, weil sie über den größten Investitionsetat verfügt. Bei einem Projekt dürfte es den Grünen leichtfallen, es auf unbestimmte Zeit zu verschieben: Die Hafenquerspange (rund 720 Millionen Euro, Anteil des Bundes unklar). Sollte das Projekt einmal mehr verschoben werden, dürfte das angespannte Verhältnis zwischen CDU und Hafenwirtschaft jedoch weiter leiden. Aus dem zornigen Widerstand von Hamburgs Eltern gegen die Erhöhung der Kita-Gebühren hat der Senat offenbar gelernt: Eine weitere Erhöhung ist nach Abendblatt-Informationen nicht im Gespräch.
Auch der Hamburger Steuerzahlerbund hat sich für eine Steuererhöhung für Reiche ausgesprochen. Der Vorsitzende Frank Neubauer sagt: "Angesichts der Haushaltslage sollte man jetzt die heranziehen, die von den Steuersenkungen der vergangenen Jahre profitiert haben. Und das waren die hohen Einkommensklassen." Die Mittelschicht blute aus, es sei ausgeschlossen, dort noch mehr holen zu wollen. "Auch die unteren Einkommensklassen sollten verschont bleiben." Bei den ganz hohen Einkommen sollte man über eine "befristete Vermögensabgabe" nachdenken. "Das kann ja auf drei Jahre beschränkt sein", so Neubauer. Zwar würden damit keine großen Beträge hereinkommen. "Aber es wäre ein Akt der politischen Hygiene, wenn man eine solche Vermögensabgabe einführen würde."
Die finanzielle Lage ist nach Ansicht des Steuerzahlerbunds wesentlich dramatischer als bisher angenommen. Die von der Finanzbehörde verbreiteten Zahlen zum Etatloch seien nicht richtig, so Neubauer. "Das Defizit liegt nicht bei 556 Millionen Euro, sondern bei 1,4 Milliarden Euro." Der Senat unterschätze einige Risiken, so beispielsweise die HSH Nordbank. "Diese Falle kann zu jedem Quartalsende zuschnappen", sagt Neubauer. Dank der Gewährträgerhaftung und der Bürgschaften hänge Hamburg "sofort mit drin, wenn die Bank Probleme bekommt". Angesichts des Etatlochs empfiehlt auch der Steuerzahlerbund, Personal abzubauen. "Wir brauchen einen Einstellungsstopp. Die normale Fluktuation führt dann dazu, dass der Bestand sinkt", so Neubauer. Die Gewerbesteuer sollte nicht verändert werden. "Die Firmen dürfen zu Zeiten der Wirtschaftskrise nicht noch stärker belastet werden."
Ver.di-Chef Wolfgang Rose (SPD) begrüßte "ausdrücklich die klare Aufforderung" der GAL zur Stärkung der Einnahmeseite und die damit verbundene Initiative im Bundesrat für eine Vermögenssteuer. "Dafür gibt es auch eine Mehrheit in der Bürgerschaft und in der Stadt". Wenn der Bürgermeister und die CDU dafür gesprächsbereit seien, sollten sie nun auch den "mutigen Schritt wagen und handeln".