Buchholz/Trittau. Kapitänin des Turn-Teams Lüneburg-Buchholz spricht über ihren schweren Sturz, die Begegnung mit Elisabeth Seitz und neue Ziele 2024.
Vor vier Wochen hatte sie ihrer Mannschaft einen gehörigen Schrecken eingejagt, hatte sie durch einen schweren Sturz sogar geschockt. Jetzt kehrte Mareen Jacobs zurück auf die große Bühne im Turnen, zurück in die Deutsche Turn-Liga (DTL).
Beim vierten und letzten Wettkampftag der 1. Frauen-Bundesliga war sie wieder fit, um Punkte zum fünften Platz des Turn-Teams Kiehn Group Lüneburg-Buchholz beizutragen. Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt erzählt die 25-Jährige, wie es ihr in den vergangenen Wochen ergangen ist und welchen Aufwand sie für ihr größtes Hobby treibt.
Es war der 14. Oktober, als Mareen Jacobs in Ketsch zur ersten Akrobatikbahn ihrer Bodenübung ansetzte. Bei einem Doppelsalto stimmte die Höhe nicht, möglicherweise aufgrund eines kleinen Fehlers im Anlauf. Die Turnerin hatte keine andere Wahl, als das Element während der Flugphase abzubrechen. Weitgehend unkontrolliert krachte sie aus etwa zwei Metern Höhe auf die Bodenfläche.
Beim Abendessen mit der Mannschaft bricht sie ohnmächtig zusammen
Zuerst sei es ihr noch vergleichsweise gut gegangen, erzählt die Turnerin rückblickend, doch später beim Abendessen mit der Mannschaft sei sie ohnmächtig geworden und musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Immerhin konnte die Kapitänin – halb im Teambus liegend – die Rückreise in den Norden mit antreten.
„Ich kann mir auch heute nicht wirklich erklären, warum das passiert ist“, sagt Mareen Jacobs über ihren Sturz. Sie erlitt eine Gehirnerschütterung und ein Schleudertrauma, war eine Woche krankgeschrieben und bekam Physiotherapie, vor allem für die Halswirbelsäule.
Danach kehrte sie schnell zurück in die Trainingshalle nach Buchholz, wagte sich schon in der zweiten Einheit wieder an den verhängnisvollen Doppelsalto heran. „Ich wollte keine Blockade entwickeln“, erzählt die junge Frau aus Trittau. „Wir haben viel mit der Schnitzelgrube, weichen Matten und Hilfestellungen gearbeitet.“
In der neuen Saison will Jacobs zwei verschiedene Doppelsalto zeigen
Mareen Jacobs wollte sich das gute Gefühl zurück erarbeiten, kommende Saison will sie den Doppelsalto gehockt ja wieder in der Frauen-Bundesliga zeigen. Sie geht noch einen Schritt weiter: „Mein Ziel für 2024 ist, neben dem Doppelsalto gehockt auch den Doppelsalto gebückt zu turnen.“
Normalerweise startet die Kapitänin im Bundesligateam des TT Lüneburg-Buchholz am Sprungtisch und Boden. Am vierten und letzten Wettkampftag in Waging am See verzichtete sie auf den Boden. „Vier Wochen nach dem Sturz wäre das zu früh gewesen. Ich habe viel Druck gespürt und zusammen mit meiner Trainerin entschieden, es lieber sein zu lassen.“ Der Platzierung des Turn-Teams Kiehn Group Lüneburg-Buchholz schadete der Verzicht indes nicht.
Turn-Team Kiehn Group: Nach dem Aufstieg Sechster, jetzt schon Fünfter
Die junge Riege belegte zum dritten Mal in der Erstligasaison 2023 den fünften Platz unter acht Vereinen, einmal wurde sie Sechste. Als Gesamtfünfter stand der zweite Klassenerhalt in Folge (nach dem Aufstieg zur Saison 2022) schon vorher fest. „Ich denke, da ist noch etwas mehr drin“, sagt die 25-jährige Mareen Jacobs, die die Riege neuerdings als Kapitänin anführt, selbstbewusst.
Dieses „etwas mehr“ wäre Tabellenplatz vier am Ende der regulären Saison der Frauen-Bundesliga. Damit verbunden wäre die Qualifikation für das Finalwochenende der Deutschen Turn-Liga (DTL). In einer großen Arena und vor großem Publikum (2023 in der ratiopharm-Arena in Neu-Ulm) könnten die Nordheide-Turnerinnen um die Team-Bronzemedaille auf Bundesebene kämpfen. „Wenn man sich unsere Entwicklung anguckt, ist das schon realistisch“, sagt die Frau, die im Oktober 2017 erstmals für Blau-Weiss Buchholz in der Regionalliga antrat – und wenig später den ersten Aufstieg feierte.
Als Einzige hat Mareen Jacobs seit 2017 alle Aufstiege mitgemacht
Mareen Jacobs ist die einzige Turnerin, die die gesamte Entwicklung des Turn-Teams aus der Nordheide in den vergangenen sechs Jahren mitgemacht hat. Nach einem Jahr in der 3. Bundesliga (2018) folgten drei Jahre 2. Bundesliga (2019 bis 2021) und nun die ersten zwei Erstligajahre (2022 und 2023).
„Ich kann mich noch gut an den ersten Wettkampf in der 1. Bundesliga erinnern. Mit meinen größten Vorbildern zusammen in einem Wettkampf zu stehen – ich war so nervös“, erzählt die Kapitänin von der Premiere im April 2022. Doch Elisabeth Seitz, Kim Bui und weitere Bundeskaderturnerinnen nahmen Jacobs die Nervosität. „Man kann ganz normal mit ihnen reden, sie sind sehr sympathisch, und teilweise folgen sie mir auch auf Social Media.“
Beim TSV Trittau turnte Mareen lange zusammen mit Schwester Nele
Das sind nur einige von vielen Momenten, in denen die 25-Jährige genau weiß, warum sie diesen enormen Aufwand für ein Hobby betreibt. Ihre turnerischen Wurzeln liegen beim TSV Trittau, für den Mareen gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Nele bis auf Oberliganiveau turnte. Den nächsten Karriereschritt wagte sie – ungewöhnlich spät – erst im Alter von 18 Jahren, als sie nach Buchholz wechselte, wo sie seit 2019 bei Susanne Tidecks trainiert.
Heutzutage arbeitet Mareen Jacobs in Vollzeit als chirurgische Assistentin bei orthopädischen Operationen in der Klinik Manhagen am Standort Ahrensburg. Glücklicherweise unterstützen ihre Chefs, Dr. Niels Hellmers und Dr. Roel van der Most, das zeitintensive Hobby ihrer Angestellten, ermöglichen Freistellungen für Wettkämpfe und Trainingslager und haben sie schon mit ihren Familien bei Heimwettkämpfen angefeuert.
Drei größere Verletzungen mit Operationen können sie nicht stoppen
Mindestens viermal pro Woche nimmt Mareen Jacobs am späten Nachmittag nach der Arbeit die etwa 50-minütige Fahrt nach Buchholz auf sich. Neuerdings mit einem Mitsubishi-Kleinwagen, zur Verfügung gestellt vom Sponsor Kiehn Group. Nach drei Stunden Training, meistens in der Nordheidehalle, geht es zurück in die Wohnung nach Trittau. Steht kein Wettkampf auf dem Programm, wird auch sonnabends in Buchholz trainiert.
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Selbst drei größere Verletzungen am Fuß, an der Schulter und im Sprunggelenk, die jeweils Operationen nach sich zogen, haben die sympathische Turnerin nicht von ihrem Weg abgebracht. „Die angerissene Bizepssehne in der Schulter hat mein eigener Chef operiert“, sagt sie schmunzelnd.
„Turnen ist die Verbindung von Kraft und Eleganz. Man lernt immer wieder etwas Neues“
Warum dieser enorme Aufwand? „Darüber habe ich auch nachgedacht“, sagt sie zunächst nachdenklich, um dann bestimmt nachzulegen: „Weil es mir nach wie vor Spaß macht. Turnen ist sehr vielseitig. Es ist die Verbindung von Kraft und Eleganz. Man lernt immer wieder etwas Neues oder ein neues Element, jedes Training ist anders. Ich mag es, meine Grenzen auszutesten und zu verschieben.“
Obwohl Turnen vor allem eine Einzelsportart ist, liebt Mareen Jacobs die Gemeinschaft und den Zusammenhalt innerhalb der Buchholzer Turnfamilie. Der setzt sich auch außerhalb der Trainingshalle fort. „Wenn ich am Gerät turne, feuern und schreien mich die anderen an. Wir bekommen auch viele Rückmeldungen von unseren Breitensportturnerinnen, dass sie unseren Wettkampf per Livestream verfolgt hätten. Das macht schon Spaß“, berichtet Mareen Jacobs.
„Kapitänin in der 1. Bundesliga zu sein, ist für mich etwas ganz Besonderes“
„Solange die Gelenke halten, will ich weitermachen. Kapitänin in der 1. Bundesliga zu sein, ist für mich etwas ganz Besonderes.“ Das Amt übt sie im ersten Jahr aus. Es gibt also keinen Grund, zeitnah auf dieses gute Gefühl zu verzichten. Sehr gut verzichten könnten ihre Teamkameradinnen allerdings darauf, dass die Kapitänin ihnen einen kräftigen Schrecken einjagt. Also dann: Auf ein erfolgreiches drittes Jahr in der 1. Bundesliga!
Deutsche Turn-Liga (DTL), Tabelle 1. Bundesliga Frauen nach vier Wettkampftagen: 1. TSV Tittmoning-Chemnitz, 2. MTV Stuttgart, 3. TZ DSHS Köln, 4. TG Mannheim, 5. TT Kiehn Group Lüneburg-Buchholz, 6. TG Karlsruhe-Söllingen, 7. TSV Berkheim, 8. TuG Leipzig (Absteiger)
Für Lüneburg-Buchholz turnten in der Saison 2023: Mareen Jacobs, Sonja Fischer (beide 4 Einsätze), Lotte Arnold (3), Leila Hirsch, Melina Schönheit, Natalie Wolfgang, Lucia Trnkova, Shadé van Oorschot (alle 2) und Svenja Egli (1)