Neu Wulmstorf/Fischbek. Ideen für das brachliegende Militärgelände im Hamburger Süden gab es viele. Nun hat Neu Wulmstorf offenbar eine Lösung gefunden.

Die Röttiger-Kaserne an der B73 in Neugraben-Fischbek ist seit 20 Jahren geschlossen. Die dazugehörige Standort-Schießanlage in der Wulmstorfer Heide rottet vor sich hin. Hier, an der Landesgrenze von Hamburg und Niedersachsen, trainierten einst Soldaten. Sie robbten über den Übungsplatz oder trainierten das Schießen. Nun sollen die letzten Überreste aus dieser Zeit beseitigt werden.

Es gibt eine neue Idee für die Nutzung des Areals an der Panzerringstraße. Die soll nun auch tatsächlich umgesetzt werden. Anders als vorherige Projekte für das schönste Stück Natur in Neu Wulmstorf: So wollte ein Investor aus Lüneburg dort eine riesige Freizeitanlage mit Hotel und mehreren Golfplätzen errichten. Und Investoren aus Jesteburg planten einen Barfußpark.

Lost Place bei Hamburg: Röttiger-Kaserne wurde vor 20 Jahren aufgegeben

Nach der Aufgabe der Röttiger-Kaserne im Jahr 2004 und der anschließenden Umwidmung des Areals auf Hamburger und niedersächsischem Gebiet von der militärischen zur zivilen Nutzung erreichten die Gemeinde Neu Wulmstorf einige interessante Vorschläge, wie das ehemalige Schießstandgelände im Neu Wulmstorfer Süden genutzt werden könnte.

Die Planungen waren teilweise weit fortgeschritten. Bis der Bund als Eigentümer der Fläche beschloss, das Gelände doch nicht zu verkaufen, sondern für eigene Zwecke zu nutzen. Seither liegt es brach – und ist ein Lost Place der besonderen Art. Allerdings nicht mehr lange.

PV-Anlage Wulmstorfer Heide Röttiger Kaserne Schießanlage
Ehemalige Schießanlage und Munitionsbunker sind von einem löchrigen Zaun umgeben. „Betreten verboten“, steht auf dem verbogenen Schild. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Letzte Relikte der ehemaligen Röttiger-Kaserne sollen abgetragen werden

Die Tage der erstaunlichen Militärrelikte in der Wulmstorfer Heide scheinen gezählt. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) als zentrales Immobilienunternehmen des Bundes ist nämlich mit einer neuen Idee an die Gemeinde Neu Wulmstorf herangetreten: Auf dem ehemaligen Schießstandgelände in Neu Wulmstorf sollen auf vier Hektar Photovoltaik-Anlagen errichtet werden.

„Ehemalige Militärflächen sind prädestiniert für Erneuerbare Energien“

Vieles spreche für Photovoltaik auf dem ehemaligen Militärareal, heißt es vonseiten der BIMA: Es gebe einen politischen Bedarf an Erneuerbaren Energien und als ehemals militärisch genutzte Fläche sei sie für Erneuerbare Energien prädestiniert. Zudem verspreche die günstige Lage gute Möglichkeiten der Einspeisung in das Energienetz.

Beliebtes Naherholungsgebiet, weil einzigartige Naturlandschaft

Allerdings gibt es auch Bedenken. Zwar war die Wulmstorfer Heide über sehr lange Zeit ein Standortübungsgelände der Bundeswehr. Inzwischen bietet sich dort aber dank intensiver Renaturierungsmaßnahmen der Naturschutzstiftung des Landkreises Harburg wieder eine einzigartige Naturlandschaft und ein gern genutztes Erholungsgebiet. Seit dem 1. Juli steht die 283 Hektar große Naturlandschaft unter Naturschutz.

PV-Anlage Wulmstorfer Heide Röttiger Kaserne Schießanlage
Die Panzerringstraße in der Wulmstorfer Heide wird gern von Spaziergängern, Radfahrern und Reitern genutzt. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Grundsätzlich sind Photovoltaikanlagen in Naturschutzgebieten verboten

Das ehemalige Schießgelände im Besitz des Bundes gehört allerdings nicht dazu, wie der Landkreis dem Abendblatt auf Nachfrage bestätigte. Sonst wäre die Nutzung mit einer Photovoltaik-Anlage von vornherein ausgeschlossen. Dort befinden sich die Überreste des alten Schießstandes und von einigen Munitionsbunkern.

Der Ort versprüht den Charme eines Lost Place und hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten zu einem fast vergessenen Ort der Hamburger Militärgeschichte entwickelt. Eingeweihte Besucher kommen gern dorthin und suchen Relikte, obwohl es für das Areal westlich der ehemaligen Panzerringstraße größtenteils ein Betretungsverbot gibt.

Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz herrscht mittlerweile Öko-Vielfalt

Das gesamte Gebiet der Wulmstorfer Heide ist – ebenso wie die angrenzende Fischbeker Heide – ein beliebtes Naherholungsgebiet und gilt als ökologisch sehr wertvoll. Dort, wo früher Panzer auf dem Gelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes der Röttiger-Kaserne den Boden durchpflügten, finden heute wieder bedrohte Arten wie Kreuzotter oder Heidelerche beste Lebensbedingungen vor.

PV-Anlage Wulmstorfer Heide Röttiger Kaserne Schießanlage
Insgesamt 46 Bunker stehen auf dem Areal an der ehemaligen Schießanlage. Demnächst sollen sie verschlossen werden. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Das Naturschutzgebiet „Wulmstorfer Heide mit Bornberg“ gehört der Naturschutzstiftung des Landkreises Harburg. Sie sorgt auf den Flächen aktuell mit Renaturierungs- und Pflegemaßnahmen für den Erhalt und die Weiterentwicklung der wertvollen Lebensräume, unter anderem durch eines der größten Waldnaturschutzprojekte im Landkreis Harburg.

Die Hoffnung: Bau einer großen PV-Anlage sollte kaum Konfliktpotenzial bergen

Birgt der Bau einer großen Photovoltaikanlage in der Nähe da kein Konfliktpotenzial? Nein, sagt die BIMA. Die Nutzung für Erneuerbare Energien und der Naturschutz werde keinen Widerspruch darstellen. Das Gesamtkonzept für die PV-Anlage vereine beides, heißt es in einer entsprechenden Präsentation, die Vertreter der Forstbehörde im Bauausschuss der Gemeinde Neu Wulmstorf vorstellten.

Zum Auftakt werden sollen die militärischen Bauten abgetragen werden

Die Pläne sehen in einem ersten Schritt den Verschluss und die Anböschung der 46 Bunker vor. Die Gebäudereste des Schießstandes mit fünf Schießbahnen sollen ebenfalls entfernt werden. Der angrenzende, vor allem durch Kiefern und Traubekirschen geprägte Wald werde „umgebaut“ und dadurch ökologisch aufgewertet.

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Ziel ist laut BIMA die Erweiterung des angrenzenden Naturschutzgebietes auf große Teile der Flächen, die der Bund als Kompensationsflächen nutzt. „Zum Beispiel für den Bau der B3 neu bzw. der Ortsumgehung Elstorf“, bestätigt Revierleiter Stefan Tautz dem Abendblatt. Er betreut das Vorhaben für die BIMA aus forstwirtschaftlicher Sicht.

Gemeinde Neu Wulmstorf begrüßt das Projekt grundsätzlich

Die Gemeinde Neu Wulmstorf steht dem Projekt grundsätzlich positiv gegenüber: „Der Schwerpunkt der Maßnahme liegt hauptsächlich auf der Entwicklung von Natur und Landschaft und außerdem soll damit der Forderung nach Ausbau der erneuerbaren Energieträger nachgegangen werden“, lautet die Einschätzung von Fachbereichsleiter Thomas Saunus. Bei der Abwägung von Flächenpotenzialen für eine solche Nutzung würden bereits versiegelte oder gestörte Flächen bevorzugt.

PV-Anlage Wulmstorfer Heide Röttiger Kaserne Schießanlage
Große Teile der Wulmstorfer Heide wurden kürzlich zum Naturschutzgebiet erklärt. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Deshalb sei das Schießgelände laut BIMA als bevorzugte Gunstfläche anzusehen. „Die Verwaltung stimmt dieser Ansicht zu“, so Saunus. „Die Nutzung der Fläche für PV-Anlagen ist durchaus sinnvoll. Ein Bauleitplanverfahren sollte vorgenommen werden“, lautet die Empfehlung der Verwaltung.

Projekt dieser Größenordnung muss genehmigt werden

Damit scheint eine erste Hürde für die vier Hektar große PV-Anlage genommen, denn ohne die Gemeinde kommt der Bund in der Sache keinen Schritt weiter. Bei einem Projekt in dieser Größenordnung wird eine Bauleitplanung durch die Verwaltung und den Rat erforderlich. Es ist ein Bebauungsplan und schließlich ein Bauantrag zu erstellen, der vom Landkreis genehmigt werden muss.

Lost Place bei Hamburg: Tage von Bunker und Schießanlage sind gezählt

Doch bis dahin muss die BIMA zunächst jemanden finden, der das Vorhaben umsetzt. Dafür werde aktuell ein externer Projektierer gesucht, wie Stefan Tautz dem Hamburger Abendblatt bestätigte. „Wir sind dabei, jemanden zu finden. Dies wird über eine Ausschreibung geschehen. Ich kann nicht sagen, wie lange das dauern wird.“ In einem ersten Schritt will die BIMA die Militärrelikte beseitigen. Es hat den Anschein, als seien die Tage der im Wald versteckten Bunker und der Schießanlage tatsächlich gezählt.