Harburg. Er ist eine Institution und sechs Tage pro Woche geöffnet. Im Oktober ändert sich das. Das sind die Gründe, das sagen Marktbeschicker.
Die Montage auf dem Harburger Wochenmarkt sind gezählt. Nur noch dreimal bieten die Händlerinnen und Händler auf dem Harburger Sand ihre Produkte am ersten Tag der neuen Woche an, letztmals am 30. September. Mit Beginn des Monats Oktober verliert der Harburger Wochenmarkt nicht nur einen Verkaufstag, sondern auch das Alleinerstellungsmerkmal, der einzige Hamburger Markt zu sein, der täglich außer sonntags geöffnet hat.
Doch auch in Harburg hat die Zahl der Stände so weit abgenommen, dass das Bezirksamt jetzt die Reißleine zog. Während 2018 im Schnitt noch 12,5 Marktstände an den Montagen vertreten waren, sank ihre Zahl auf vier bis sechs Stände im vergangenen Jahr 2023. „Daraus ergaben sich für die Marktgebühren Tageseinnahmen in Höhe von 108,50 bis 151,90 Euro“, rechnet Malte Wehmeyer, Fachamtsleiter für den Verbraucherschutz, vor.
Überraschung am Montag: Wo ist der Harburger Wochenmarkt hin?
„Allein für die Reinigung der Marktfläche entstehen Kosten in Höhe von aktuell 197,54 Euro pro Markttag. Neben den Reinigungskosten wird im Bezirksamt Personal gebunden, dessen Kosten auf die Marktgebühren umzulegen sind.“
Auch über alle Markttage betrachtet ist die Durchführung des Wochenmarkts für das Bezirksamt rechnerisch ein Zuschussgeschäft – der Kostendeckungsgrad lag in den Jahren 2013 bis 2023 zwischen 88 Prozent (2016) und gut 99 Prozent (2017, ohne Markttoilette). Dabei fiel der Montag besonders negativ auf. Denn die Zahl der Stände – und damit die Attraktivität des Angebots – ist montags mit deutlichem Abstand am niedrigsten.
Für das Bezirksamt Harburg ist der Wochenmarkt ein Zuschussgeschäft
Auch wenn sie nur noch einige wenige Anbieter sind: Obstverkäuferin Ulrike Theiß hätte gern weiterhin montags ihren Stand vom Jorker Obsthof Feindt auf dem Sand aufgebaut. „Unsere Kunden kommen auch am Montag, obwohl es hier jetzt keinen Schlachter und keinen Fisch mehr gibt“, sagt sie. Aber es sei klar, dass die sechs Tage irgendwann nicht mehr zu halten sind. „Mit den Jahren gibt es Veränderungen. Wir sind die einzigen in Hamburg mit sechs Markttagen.“
Sultan M. Meikhil ist seit 1997 an allen sechs Tagen in Harburg vertreten, verkauft Uhren und Zubehör, Geldbörsen, Haushaltsutensilien, Elektronikzubehör und vieles mehr. „Für mich ist die Entscheidung negativ“, sagt er am viertletzten Markt-Montag. „Es wäre besser, wenn der Markt auch am Montag da ist. Er ist schwach, aber es wurde auch keine Werbung gemacht.“
Marktbetreiber: Erst wird auf Montag verzichtet, dann vielleicht auf Mittwoch
Es gebe Kunden, die nur am Montag, am Dienstag oder Mittwoch kommen, sagt der Standbetreiber. „Wir haben alle Tage Kundschaft. Es ist gut, wenn wir verlässlich jeden Tag da sind. Wenn jetzt auf Montag verzichtet wird, dann kommt vielleicht irgendwann noch der Mittwoch dazu“, fürchtet Meikhil.
Mittwoch ist der zweitschwächste Markttag. Aber 2023 waren an dem Wochentag im Schnitt gut 14 Stände auf dem Sand präsent. Damit ist er (noch) nicht in Gefahr. Nach Angaben des Bezirksamts sollen „nach ständiger Rechtsprechung für die gewerberechtliche Festsetzung eines Wochenmarkts regelhaft mindestens zwölf Beschicker vorhanden sein“. An den beiden besten Tagen, freitags und sonnabends, sind es in Harburg jeweils 25 Stände.
Markt wurde vor mehr als 400 Jahren von Herzog Wilhelm ins Leben gerufen
Auch Francisca Dizon hat an diesem Montag im September ihren Obst- und Gemüsestand auf dem traditionsreichen Markt, der anno 1612 von Herzog Wilhelm ins Leben gerufen wurde, aufgebaut. Sie geht mit der Entscheidung pragmatisch um: „Ich finde das eigentlich ganz gut. Dann habe ich eine Fünf-Tage-Woche, mit Sonntag und Montag als verschobenes Wochenende.“
Über den Umsatz könne sie sich auch an Montagen nicht beschweren, sagt die Standbetreiberin. Doch nach und nach seien die Stände immer weniger geworden. Viele Marktbetreiber haben seit Corona Personalprobleme. Während der Pandemie seien die Umsätze zwar nach oben geschnellt („Wir waren jeden Tag ausverkauft“). Aber das habe den langfristigen Abwärtstrend nicht stoppen können.
Harburg: Neuer Stadtplan stellt den Wochenmarkt in den Vordergrund
„Der Markt sollte zu 100 Prozent kostendeckend sein, inklusive Personal der Verwaltung“, sagte Fachamtsleiter Wehmeyer bereits im März vor dem Wirtschaftsausschuss der Bezirksversammlung. Neben der rückläufigen Zahl der Marktstände trage der starke Anstieg der Stromkosten dazu bei, dass sich die Kosten immer weniger einspielen lassen. Auch gebe es Nachwuchsprobleme unter den Marktbeschickern.
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Auf Seite der Kundschaft sprach Wehmeyer von einer offenbar nachlassenden Kaufkraft und einer sich ändernden Bevölkerungsstruktur: „Die jüngeren Personen nehmen den Markt nicht so sehr in Anspruch wie zum Beispiel Seniorinnen und Senioren.“ Obwohl die Marktfläche erst 2019 aufgewertet wurde, sieht er Probleme im Umfeld: fehlende Parkplätze und eingeschränkte Barrierefreiheit sowie Verschmutzungen durch Taubenkot vor allem am Ostrand des Marktplatzes.
Auch mit fünf Tagen: Harburger Wochenmarkt soll Aushängeschild bleiben
Auch ohne den Verkaufstag Montag soll der Wochenmarkt ein Aushängeschild Harburgs bleiben. Das wird von unterschiedlicher Seite immer wieder betont. Der Verein Harburg Marketing zum Beispiel hat gerade einen neuen Stadtplan mit Fokus auf den Wochenmarkt gestalten lassen. Der Plan für Touristen und Einheimische geht in diesen Tagen in den Druck. Und wird anschließend bestenfalls einen Beitrag dazu leisten, dass den Harburgern die verbliebenen fünf Markttage lange erhalten bleiben.