Harburg. Studie zum Sicherheitsgefühl zeigt Defizite auf. Begegnungsorte in Quartieren gefordert. Was sie bewirken können, was sonst noch fehlt.
Räumlichkeiten, in denen sich Harburgerinnen und Harburger ohne Konsumzwang und Zeitdruck treffen können, spielen eine zentrale Rolle, um das Sicherheitsgefühl der Einwohner zu stärken. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Eine sichere Stadt für alle“, die Forscher der Universität Hamburg für mehrere Hamburger Stadtteile, darunter auch Harburg, erstellt haben. „Stabile nachbarschaftliche Netze schaffen Sicherheit“, sagte Aziz Epik, Professor für Rechtswissenschaften, im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung.
Epik zitierte die Aussage eines Abiturienten der Beruflichen Schule Harburg: „In jedem Viertel brauchen wir einen Ort, an dem alle zusammenkommen. Man kennt nicht alle Personen. An einem solchen Ort kann man über seine Sorgen reden.“ Bestehende Angebote seien zu wenig bekannt, sagte Epik. „Die Schüler schlagen eine App vor, die solche Orte zeigen.“ Eine sehr gute, konstruktive Idee, lobte der Wissenschaftler. Von der Beruflichen Schule beteiligte sich eine 21-köpfige Abiturientenklasse an den Workshops.
Harburger Gesprächsrunde im Bürgerzentrum Feuervogel
Neben den Schülern fanden ein offener Workshop mit 17 Interessierten im Feuervogel (Bürgerzentrum im Phoenix-Viertel) und eine achtköpfige Gesprächsrunde in Kooperation mit dem Verein „Stadtteile ohne Partnergewalt“ (StoP) statt. Bei allen Veranstaltungen wurden, meist über zwei Stunden, Gruppen- und Einzelgespräche geführt. Die vielfältigen Aussagen zum Status und zur Stärkung der „Sicherheit für alle“ wurden protokolliert und später ausgewertet. Sämtliche Gespräche liefen anonym, also ohne Nennung von Namen oder anderen persönlichen Daten.
Aus derStoP-Runde kam die Anregung, in Begegnungsstätten auch Fachleute zu haben, die zum Beispiel Frauen mit Gewalterfahrung zur Seite stehen können. Eine andere Stimme wies darauf hin, dass solche Angebote meist nur angenommen werden, wenn sie von vertrauten Personen empfohlen werden. Und: „Menschen suchen nach Gesprächen, aber es braucht Zeit.“
Forderungen: mehr Hilfen für sozial Schwache, weniger Müll im Stadtraum
Die Sicherung existenzieller Grundbedürfnisse wie Wohnen, Geld, Umwelt, soziale Lebensbedingungen und Arbeit sei eine Grundvoraussetzung für Sicherheit, so Epik. Soziale Ungleichheit und Armut seien immer wieder als Problem benannt worden. Neben mehr Wohnungen mit bezahlbaren Mieten müsse es mehr Unterstützungsangebote für sozial schwache Gruppen wie Rentner, Obdachlose, junge Menschen oder von Partnergewalt Betroffene geben, hieß es in den Gesprächsrunden. Einige Einrichtungen gebe es in Harburg, sagte der Ausschussvorsitzende Frank Richter (SPD) und nannte das Harburg Huus (für Obdachlose), das Abrigado (Drogensüchtige) und Hans-Fitze-Haus (Menschen mit Suchtproblemen). Offenbar sind auch sie nicht ausreichend bekannt.
Ein wichtiges Thema der Harburger Gesprächsrunden, speziell im Feuervogel, war die fehlende Sauberkeit im öffentlichen Raum. Dazu gehört auch, dass auf unbeleuchteten Spielplätze am Morgen Flaschen, Spritzen und anderer Unrat herumliegen, die dann in Eigenregie eingesammelt werden. Gelobt wurde die App der Stadtreinigung Hamburg, mit der man vermüllte Standorte melden kann. Ebenso die Präsenz von „WasteWatcher +“, von Mitarbeitern der Stadtreinigung, die Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen identifizierte Müllsünder einleiten dürfen. Dies müsse weiter ausgebaut werden. Mehrfach wurde betont, dass man selbst ehrenamtlich aktiv sei und Müll sammele. Für Ehrenamtliche gebe es generell zu wenig Unterstützung.
Dunkle Wege und volle S-Bahnen am Abend machen Angst
Die Einwohnerinnen und Einwohner Harburgs sollten stärker in die Gestaltung und Pflege des öffentlichen Raums einbezogen werden, lautet eine Forderung aus den Workshops. Es gebe auch Verbesserungspotenzial bei der Infrastruktur: mehr öffentliche Toiletten, Wasserspender, Notschlafstätten für Obdachlose. Und mehr Licht auf dunklen Wegen. Dies sei häufig von Frauen angesprochen worden, sagte Prof. Nina Perkowski, Koautorin der Studie. „Uns wurde gesagt: Auf dunklen Wegen sieht man kaum, wo man hintritt. Und erst recht nicht, was um ein herum ist.“
Auch in Bussen und Bahnen fühlen sich viele Menschen unsicher, so Perkowski, die an der Uni-Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften forscht. „Gerade in Harburg wurde der Wunsch nach mehr Sicherheitspersonal in den Verkehrsmitteln des HVV geäußert.“ Und: Volle S-Bahnen werden von einigen Diskutanten abends als bedrohlich wahrgenommen. Ebenfalls gewünscht: eine bürgernahe Polizeipräsenz vor Ort – freundliche Polizisten, die im Wohnviertel unterwegs und ansprechbar sind.
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Harburger Berufsschüler kritisieren diskriminierendes Verhalten von Polizisten
Intensiv diskutiert wurden die Probleme der in Harburg lebenden Migranten. Einige Berufsschüler benannten eine „Diskriminierung von Seiten der Polizei“ und wünschen sich mehr Sensibilität im Umgang mit eingewanderten Menschen. Noch immer gebe es „Racial Profiling“. Gemeint ist der Vorwurf an die Polizei, Menschen mit „fremdländischem“ Erscheinungsbild häufiger zu verdächtigen und zu kontrollieren als andere. Vereinzelt werden aber auch stärkere Grenzkontrollen und Kontrollen von Eingewanderten gefordert.
Mehrsprachige Broschüren und Beratungsstellen können den Neubürgern ebenso helfen wie schneller erteilte Arbeitserlaubnisse, schlugen die Schüler vor. Kritisiert wurden Abschiebungen insbesondere von Familien, die schon lange in Deutschland leben. Eine Betroffene schilderte die bürokratischen Hürden, vor denen Menschen mit Migrationshintergrund oft stehen, aus persönlicher Perspektive: „Sicherheit geht in zwei Richtungen, du kannst dich menschlich sicher fühlen oder auch beim Amt. Ich habe nicht mal einen Pass. Nur einen Aufenthaltstitel, der Ende des Monats abläuft. Ich bekomme keinen Termin. Denkst du, ich fühle mich sicher?“