Hamburg (dpa/lno). Die Kriminalität in Hamburg nimmt deutlich zu. Innensenator Grote erläutert, warum die Hansestadt dennoch weiterhin sehr sicher ist. Für zwei Stadtteile gilt das jedoch nicht.
Die Zahl der Straftaten in Hamburg hat im vergangenen Jahr um 10,9 Prozent zugenommen. Es seien 234 241 Delikte von der Polizei erfasst worden, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) am Donnerstag bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik für 2023. Das vergangene Jahr sei das erste ohne Corona-Einschränkungen gewesen. Bis April 2022 hätten die Pandemie-Maßnahmen sich noch dämpfend auf die Kriminalität ausgewirkt, sagte Grote.
Mehr Kontrollen - mehr Delikte
Als zweiten Grund für den Anstieg nannte der Senator die sogenannten Kontrolldelikte. Bei den vermehrten Kontrollen der Polizei vor allem am Hauptbahnhof seien deutlich mehr Drogendelikte, Diebstähle, Hausfriedensbrüche und Fälle des Schwarzfahrens erfasst worden. „Steigende Fallzahlen bei Kontrolldelikten bedeuten mehr Sicherheit“, erklärte Grote.
Grote: Hamburg bleibt eine sehr sichere Stadt
Die Zahl der Straftaten je 100.000 Einwohner - sie beträgt 12.380 - liege im langjährigen Vergleich sehr niedrig, abgesehen von den Corona-Jahren 2020 bis 2022. Allerdings war die sogenannte Häufigkeitszahl auch in den Jahren 2018 und 2019 noch geringer. Grote zeigte sich dennoch überzeugt: „Hamburg ist und bleibt eine sehr sichere Stadt.“ Er fügte jedoch hinzu: „Gleichwohl, bei allen Erklärungen, die wir haben, ist der Anstieg natürlich ärgerlich.“ Polizeipräsident Falk Schnabel hob die Aufklärungsquote von 48,2 Prozent hervor. Das sei der höchste Stand seit 1997.
Brennpunkte St. Pauli und St. Georg
Mehr als Dreiviertel aller Straftaten in Hamburg entfallen auf den Bezirk Mitte. Dort wuchs die Zahl der Delikte um 25 Prozent. Schwerpunkte sind die Stadtteile St. Pauli mit dem Vergnügungsviertel rund um die Reeperbahn sowie St. Georg mit dem Hauptbahnhof. In den übrigen sechs Hamburger Bezirken stieg die Kriminalität sehr viel geringer oder stagnierte (Altona und Eimsbüttel).
Mehr Gewaltkriminalität und Tötungsdelikte
Die Gewaltkriminalität nahm in ganz Hamburg um 10,7 Prozent zu. Der Anstieg habe sich im zweiten Halbjahr 2023 verlangsamt, erklärte der Leiter des Landeskriminalamts, Jan Hieber. Die Zahl der Raubdelikte stieg um 23,8 Prozent, die der gefährlichen und schweren Körperverletzungen um 5,7 Prozent.
Die Polizei erfasste 74 Tötungsdelikte, nach 35 im Vorjahr. In 48 Fällen handelte es sich um versuchte Tötungen und Morde. Hieber wies darauf hin, dass Tötungsdelikte oft nicht in dem Jahr erfasst werden, in dem sie verübt werden. Grote sprach von einem sehr belastenden Jahr für die Hamburger Polizei und erwähnte in dem Zusammenhang den Amoklauf bei den Zeugen Jehovas. Am 9. März hatte ein ehemaliges Mitglied der Religionsgemeinschaft, der 35 Jahre alte Philipp F., sieben Menschen - darunter ein ungeborenes Kind - im Stadtteil Alsterdorf getötet und anschließend sich selbst.
Amoklauf mit sieben Opfern nur ein Delikt
Statistisch handele es sich dabei um zwei Tötungsdelikte, erläuterte Hieber. Zum einen wird die Tat an sich gezählt, zum anderen das noch laufende Ermittlungsverfahren gegen einen Bediensteten der Waffenbehörde, der Hinweise aus dem Umfeld des Täters nicht dokumentiert und weitergegeben haben soll. Die Zahl der Tötungsdelikte entspricht also nicht der im Jahr 2023 in Hamburg getöteten Menschen.
Mehr Sexualstraftaten
Die Zahl der Sexualstraftaten erreichte mit 3160 einen Höchststand. Ein Drittel davon machte Kinderpornografie aus. Sie wird seit Jahren über ein Zentrum in den USA aufgedeckt, dass soziale Netzwerke auswertet und die Fälle an die Polizeibehörden weiterleitet. Immer häufiger geraten dabei Kinder und Jugendliche auch als Tatverdächtige ins Visier.
Die Zahl der Vergewaltigungen, sexuellen Nötigungen und sexuellen Übergriffe in Hamburg stieg von 234 auf 270, was eine Zunahme von 15,4 Prozent bedeutet. Bemerkenswert sei die Zunahme der männlichen Opfer - und zwar von 26 auf 45, erklärte Hieber.
Mehr Gewalt in Familie und Partnerschaften
Die Zahl der Menschen, die Opfer von Gewalt in Familien oder Partnerschaften werden, wuchs um 9,5 Prozent. 64 Menschen wurden Opfer von schweren Sexualdelikten wie Vergewaltigung in partnerschaftlichen Beziehungen. Im Vorjahr waren es 67 Opfer gewesen. Die Zahl der Gewaltopfer ohne deutsche Staatsangehörigkeit stieg um 18 Prozent. Elf Menschen wurden Opfer eines versuchten oder vollendeten Tötungsdelikts in Partnerschaften. Darunter waren neun Frauen und zwei Männer. In Familien wurden fünf Menschen getötet, weitere fünf wurden Opfer eines Versuchs.
Hälfte aller Tatverdächtigen ohne deutschen Pass
Fast die Hälfte aller von der Polizei erfassten Tatverdächtigen (49,6 Prozent) hatte keinen deutschen Pass. Dabei wurden Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz nicht berücksichtigt. Die Zahl der deutschen Tatverdächtigen stieg um 3,0 Prozent, die der ausländischen um 19,3 Prozent.
Opposition warnt vor Verharmlosung der Lage
„Unter der Führung von SPD und Grünen wird Hamburg zunehmend unsicherer“, erklärte der Chef der oppositionellen CDU-Fraktion in der Bürgerschaft. Die innere Sicherheit sei durch eine Zunahme von Schießereien, Messerangriffen und Raubüberfällen auf offener Straße zusehends bedroht. „Jetzt ist entscheidend, dass SPD und Grüne die aktuelle Lage nicht weiter verharmlosen“, betonte der CDU-Innenexperte Dennis Gladiator. „Auch die ständigen Hinweise auf Corona-Effekte helfen nicht weiter.“ Alarmierend seien die Zahlen der Gewaltdelikte, die seit 2016 gestiegen seien.
Der SPD-Innenpolitiker Sören Schumacher erklärte dagegen, es seien mehr Delikte angezeigt und erfasst worden, die sonst unentdeckt geblieben wären. „Es wäre irreführend, nur aufgrund gestiegener Fallzahlen auf die tatsächliche Sicherheit in Hamburg schließen zu wollen.“
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann erklärte: „Die innere Sicherheit schwindet zunehmend. (...) Rot-Grün lässt Hamburg zu einem Epizentrum der Kriminalität in Norddeutschland verkommen.“
Grüne gegen Schüren populistischer Ängste
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Sina Imhof, forderte: „Die neuen Zahlen und auch politische Verantwortung im Allgemeinen verlangen von uns, Kriminalitätsentwicklungen seriös zu interpretieren und auf das Schüren populistischer Ängste zu verzichten.“
„Hamburg ist insgesamt eine sichere Stadt“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Cansu Özdemir. Alarmismus sei trotz der gestiegenen Anzahl an Straftaten fehl am Platz. Özdemir äußerte sich aber besorgt über den Anstieg der Gewalttaten gegen Frauen.