Harburg. Riesengarage unter dem Bahnhof kostet 16,2 Millionen Euro. FDP will das Projekt stoppen – und nennt Negativbeispiel nördlich der Elbe.
Fahrradparkhaus, Bike-and-Ride-Station oder nur kurz Radstation: Das unterhalb der Doppelknoten-Kreuzung am Bahnhof geplante Bauwerk hat viele Namen. Es ist ein Prestigeprojekt der Harburger Verkehrspolitik. 1200 Fahrräder sollen hier sicher abgestellt werden können. Ursprünglich hatte sich die Bezirkspolitik andere Standorte gewünscht, doch nur dieser ließ sich verwirklichen. Nun gibt es Kritik an dem Megaprojekt für 16,2 Millionen Euro – wegen des Standorts.
Der sei so unattraktiv für Radfahrer, dass die Parkmöglichkeit nicht angenommen werde, sagt der FDP-Bezirksabgeordnete Henrik Sander. Die FDP fordert, das Projekt, dessen Baubeginn kurz bevor steht, noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Fahrradparkhaus in Harburg: FDP-Politiker nennt mahnendes Beispiel in Hamburg
„Hamburg hat schlechte Erfahrungen mit schlecht angebundenen Radparkhäusern gemacht“, sagt Henrik Sander. „An der U-Bahn-Station Kellinghusenstraße wurde für drei Millionen Euro ein Radparkhaus gebaut, das heute leer steht, während die Radstellplätze im Straßenraum überfüllt sind.“ Fehler dürfe man einmal machen, sollte aber etwas daraus lernen. „Schlecht angebundene Radparkhäuser werden nicht genutzt. Der Radfahrer hat eine gute Antenne für den kürzesten Weg!“
Die Zufahrt zum Radparkhaus soll auf der Verkehrsinsel zwischen der Hannoverschen Brücke und der Walter-Dudek-Brücke entstehen. Die Abstellanlage selbst wird sich dann als Spindelrampe nach unten erstrecken, bis es die Zugangsebene zur S-Bahn erreicht. Dafür wird ein derzeit stillgelegter Bahnhofszugang reaktiviert. Diese Bauweise lässt die Kosten im Vergleich zur Kellinghusenstraße um ein Vielfaches höher werden.
„Die liberale Fraktion hat ursprünglich den entsprechenden Antrag unterstützt“, sagt Henrik Sander, „mit den Erfahrungen aus der Kellinghusenstraße ergibt sich hier eine andere Sachlage.“
Kritikpunkt: Einfahrt zur Radstation liegt an viel befahrener Harburger Kreuzung
Henrik Sander ist in der Materie nicht ahnungslos. Er ist Stadtplaner und überzeugter Radfahrer. Grundsätzlich würde die liberale Bezirks-Fraktion in der Bezirksversammlung die Förderung des Radverkehrs unterstützen. „Zwei Drittel der Fraktion kommt regelmäßig mit dem Fahrrad zur Bezirksversammlung. Damit sind wir die Fraktion mit den besten Modal Split.“
Trotzdem stellen Henrik Sander und seine Parteifreunde das Radparkhaus am Bahnhof aus zwei Gründen infrage: Erstens sehen sie den Bedarf für 1200 Plätze nicht. Und zweitens würde die Lage mögliche Nutzer abschrecken. Die Einfahrt liegt in der am zweitmeisten befahrenen Kreuzung des Bezirks.
„Schon der angegebene Bedarf ist äußerst fragwürdig“, sagt Henrik Sander. „Eine stichpunktartige Zählung hat ergeben, dass am Bahnhof zwischen 100 und 150 Fahrrädern täglich geparkt werden. Dieser geringe Bedarf ist gut nachvollziehbar.“ Wer aus Heimfeld oder Eißendorf komme, fahre direkt zu den S-Bahn-Stationen Heimfeld oder Harburg Rathaus. „Aus Richtung Wilstorf fehlt ein radaffines Publikum, der öffentliche Personennahverkehr ist gut bis sehr gut ausgebaut, und die Topografie macht das Radfahren unattraktiv.“
Grüne halten dagegen: Mit dem Parkhaus kommen die Nutzer
Henrik Sanders Nachnamensvetter Michael Sander, Grünen-Abgeordneter in der Bezirksversammlung und Vorsitzender des Mobilitätsausschusses, will dieses Argument nicht gelten lassen: „Dass so wenig Fahrräder am Bahnhof stehen, liegt daran, dass es dort nur wenig gute Abstellmöglichkeiten gibt“, sagt er. „Wenn es unser Ziel ist, mehr Menschen zum Fahrradfahren zu bewegen, müssen wir da in Vorleistung gehen und die attraktiven Abstell- und Umsteigemöglichkeiten schaffen!“
Dass mit der neuen Station der Umstieg auf das Fahrrad attraktiv würde, bezweifelt die FDP allerdings: „Wenn schon die Anbindung des Radparkhauses Kellinghusenstraße nicht funktioniert, das eigentlich nur auf der falschen Seite der U-Bahn-Station liegt, dann wird ein Parkhaus, das nur über eine der am meistbefahrenen Kreuzungen in Harburg erreichbar ist, erst recht nicht von einer signifikanten Anzahl Radfahrer genutzt werden“, sagt Henrik Sander
Strecke aus dem Harburger Osten zum Fahrradparkhaus ist problematisch
In der Tat ist der Weg aus dem Harburger Osten zum geplanten Standort mit Hindernissen verbunden. Die Hügel in Wilstorf und Langenbek lassen sich noch umfahren, doch auf den letzten Metern wird kein flüssiges Durchradeln möglich sein: Zwar ist eine geschützte Fahrradspur vor dem Fernbahnhof und durch den Busbahnhof geplant, aber die wird von der Schlachthofbrücke bis zur Einfahrt der Radstation von drei Straßen, drei Fußgängerübergängen und jeweils der Ein- und Ausfahrt zum Bus-Rondell gequert.
Als vor sechs Jahren der Standort für die Radstation gesucht wurde, war dieser deshalb auch von allen möglichen derjenige, den die Bezirkspolitik am wenigsten wollte. Alle anderen jedoch hätte man der Deutschen Bahn abverhandeln müssen und die hatte sich wohl hartleibig gezeigt. Um 400.000 Euro Fördermittel nicht verfallen zu lassen, hatte man damals die Planung zwischen den Brücken begonnen. Dass das Projekt einmal so groß würde, dass 0,4 Millionen kaum noch ins Gewicht fallen, hatte man seinerzeit nicht geahnt.
Bedarf ist laut FDP da – aber nicht für „Megaparkhaus“
Michael Sander von den Grünen findet den Standort auch immer noch besser, als gar kein Fahrrad-Parkhaus zu bauen. „Wir brauchen gute Stellplätze am Bahnhof, und die Zufahrt über die Fahrradspur lässt sich sicherlich mit einer fahrradfreundlichen Ampelschaltung komfortabel regeln.“
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Dass es einen Bedarf an gesicherten Stellplätzen gibt, sieht auch FDP-Mann Henrik Sander. Immerhin gibt es für die abschließbaren Fahrrad-Plätze im Park-and-Ride-Haus eine lange Warteliste. „Gleichzeitig zeigt auch hier die Erfahrung aus der Kellinghusenstraße, dass mit dieser Nachfrage kein Megaparkhaus mit 1200 Stellplätzen gefüllt werden kann.“
Stattdessen könnte man neben dem jetzigen Parkhaus eine günstige zweigeschossige Fahrradabstellanlage installieren, die 200 bis 300 Räder aufnehmen kann, und von dem gesparten Geld könne man in der Nähe des Bahnhofs Harburg Rathaus gesicherte Abstellmöglichkeiten schaffen und ins Radwegenetz investieren.
Fahrradparkhaus: Verkehrsbehörde verweist auf Projekt in Bergedorf
Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) reagiert auf die Kritik mit Erstaunen: „Dem Standort der geplanten Fahrradstation Harburg nördlich der Busanlage als Vorzugslösung liegt eine umfangreiche Machbarkeitsstudie und Variantenuntersuchung zugrunde. Ebenso die Erfahrungen mit einem vergleichbaren Fahrradparkhaus in Bergedorf, der bisher einzigen Fahrradstation an einem Hamburger Fernbahnhof“, sagt BVM-Pressesprecher Dennis Krämer.
„Aus der Studie ist der aktuelle Standort als der beste verfügbare hervorgegangen und es gibt keinen Anlass an diesem Ergebnis zu zweifeln, zumal auf Grundlage der Untersuchungen und Befragungen die Zuwegungen und Umsteigebeziehungen als bestmögliche identifiziert wurden.“
Die Kapazitätsbedarfe würden sich erfahrungsgemäß im Lauf der Zeit ergeben, so Krämer. Für das erste Betriebsjahr rechneten auch die Ersteller der Machbarkeitsstudie lediglich mit einem Durchschnitt von 250 Nutzern. Allerdings würde der Bedarf schon innerhalb von zehn Jahren auf die 1200 geplanten Plätze steigen.