Eißendorf. Kunden aus dem gesamten Hamburger Süden kauften hier Wurstspezialitäten und Grillfleisch. Ist das Aus für die Post nun auch besiegelt?
Eine ältere Dame steht mit ihrem Rollator vor der verschlossenen Tür der Eißendorfer Schlachterei – sichtlich betrübt liest sie den Aushang im Schaufenster: Bereits einen Monat früher als geplant haben die Brüder John und Andreas Blanck das letzte Traditionsgeschäft in der oberen Eißendorfer Straße für immer geschlossen.
Eigentlich sollte das im Dezember 1898 in Krempe, Kreis Steinburg, gegründete Fleischereifachgeschäft erst Ende Oktober aufgegeben werden. Seit 1906 befand sich der Familienbetrieb bereits in Eißendorf und genoss auch heute noch die Gunst der Kundschaft über die Grenzen Harburgs hinaus. Vor allem für die selbsthergestellten Wurstspezialitäten, Mittagsgerichte und das Grillfleisch fuhren viele Menschen zur Schlachterei Blanck.
Aus für Eißendorfer Traditions-Schlachterei: Ende kommt überraschend
Doch am 30. September kam nun doch überraschend das Ende. „Nicht wirtschaftliche Gründe zwingen uns zur Schließung, sondern der Personalmangel macht auch uns zu schaffen“,sagte Fleischermeister John Blanck bereits im August. Die Erstverkäuferin hatte gekündigt und die sei nicht zu ersetzen gewesen, hieß es. Ob es eine Nachfolgerin gibt – ungewiss. Blanck sagte, es gebe einen Interessenten über die Innung, was daraus wurde ist nicht bekannt.
Für das Abendblatt war die Betreiberfamilie am Mittwoch nicht erreichbar. Am Schaufenster ein karger Aushang im Briefbogen-Format: „Liebe Kunden, am Samstag den 30.09.2023 werden wir unser Geschäft für immer schließen. Für das entgegengebrachte Vertrauen und die jahrelange Treue, möchten wir uns bei Ihnen recht herzlich bedanken. Danke schön.“
Schlachterei Eißendorf: Nur noch Plastikschweine im Schaufenster
Ein Blick durchs große Schaufenster zeigt eine geputzte und leere Fleischtheke. Plakate für Salami und Schinken zieren die in die Jahre gekommene Einrichtung noch immer. Doch angelächelt wurde die erstaunte Kundschaft auch am Mittwoch nur noch von ein paar grinsenden Plastikschweinen.
Nach der Schließung der Eißendorfer Schlachterei und dem Weggang des für seine Torten bekannten Bäckers Janeke droht auch der Verlust der Postfiliale in der Eißendorfer Straße. Seit mehreren Wochen ist die Filiale geschlossen, ob und wann sie wieder öffnen wird – steht in den Sternen. Bei der Deutschen Post war man am Morgen überrascht von der nicht geöffneten Filiale: Im Internet zeigt der posteigene Filialfinder eine geöffnete Geschäftsstelle mit Öffnungszeiten von 8 bis 20 Uhr.
Das ist vor allem für die Kunden ein Problem: Immer wieder stehen genervte Menschen vor der Ladentür und werden ihre Pakete und Briefe nicht los.
Postfiliale Eißendorf: Eigentlich offen, doch leider geschlossen
Seit der Übernahme des ehemals inhabergeführten Geschäftes durch den Kioskkonzern Valora gibt es Probleme. Zunächst wurden die Öffnungszeiten stark reduziert, die Preise erhöht und das Sortiment ausgedünnt. Nach nur einem Monat verließ die letzte Mitarbeiterin den Kiosk – genervt von den Arbeitsbedingungen. Auch Lotto Hamburg beendete vorerst die Zusammenarbeit.
Der Kioskkonzern soll ebenfalls Probleme haben geeignetes Personal zu finden, nach Abendblatt-Informationen habe man sich bereits über die Konditionen für einen Weiterverkauf des Kioskes mit Postfiliale beim Vermieter des Ladens erkundigt. Weder die Deutsche Post noch Valora reagierten am Mittwoch auf Anfragen des Abendblatts.
Schon vor Jahren hatte Budni Eißendorf verlassen
Mit der Schlachterei verliert das ehemalige Nahversorgungszentrum in Eißendorf einen weiteren Frequenzbringer. Bereits vor einigen Jahren hatte der Drogeriemarkt Budnikowski die Eißendorfer Straße verlassen. Kurze Zeit später schlossen ein alteingesessenes Blumengeschäft und ein Fischladen an der oberen Eißendorfer Straße.
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Auch die Hamburger Volksbank und die Sparkasse Harburg-Buxtehude gaben ihre Standorte auf, letztere baute sogar den Geldautomaten ab. Mit dem Weggang der Bäckerei Janeke, der Eißendorfer Schlachterei und dem Einrichtungsspezialisten Doobe droht das endgültige Ende der Versorgungszeile eingeläutet zu sein. Nachnutzer sind für alle Ladengeschäfte nicht in Sicht.
Für die Stadtentwickler wird es eine große Aufgabe sein, den Abwärtstrend zu stoppen. Aktuell befindet sich das Gebiet in dem städtischen Rahmenprogramm „Integrierte Stadtteilentwicklung“. Ziel ist es, die Attraktivität der Fördergebiete zu erhöhen – im Fall von Eißendorf scheinen Probleme lange verschlafen worden zu sein.