Marmstorf. Fast wie aus dem Märchen: Als der Marmstorfer Imbiss voriges Jahr schloss, boten selbst Nachbarn Hilfe an. Wie der Neustart gelang.
Ausgerechnet am „Tag der Currywurst“, am 4. September 2022, schloss Stefan Labann ohne Vorankündigung den Harburger Kult-Imbiss Bruzzelhütte. Labann, seit 2005 Pächter der Imbissbude, tauchte damals über Nacht ab, blieb unerreichbar für jedermann. Warum?
„Zu viel Stress“, sagt er rückblickend. Nach zwei Corona-Jahren mit Sieben-Tage Woche und Rekordarbeitszeiten im Imbiss – bei viel zu dünner Personaldecke – konnte und wollte er nicht mehr. Das Entsetzen von Mitarbeitern und Kundschaft und auch das Medienecho nach dem Aus von Deutschlands vermutlich schärfster Currywurst-Braterei waren gewaltig.
Bruzzelhütte in Marmstorf: Neue Öffnungszeiten sind der Schlüssel zum Erfolg
Als Labann nach Tagen erstmals wieder eine Zeitung aufschlug und sich in den Schlagzeilen wiederfand, rührte ihn das. Und so eröffnete er schon drei Wochen später wieder. Mit frischer Kraft, verändertem Konzept und neuen Mitarbeitern aus Kundenkreis und Nachbarschaft, die ihm nach dem Schließungsschock spontan ihre Unterstützung angeboten hatten.
Heute, ein Jahr später, strahlt Labann. „Es läuft super! Die Umstrukturierung damals war genau der richtige Schritt.“ Die größte Veränderung war die Einschränkung der Öffnungszeiten. Sonn-und feiertags bleibt der Imbiss geschlossen, obwohl das einst die umsatzstärksten Tage waren.
Neue Bruzzelhütte mit alter Vielfalt: 18 verschiedene Wurstarten – vom Schwein bis vegan
„Aber wer will schon sonntags arbeiten?“, fragt Stefan Labann. Der harte Kern des Stammteams und auch die sechs neuen Mitarbeiter seien alle mit Spaß an der Arbeit, der Krankenstand sei niedriger. Auch der 43-Jährige selbst leidet dank zuverlässiger Unterstützung nicht mehr an akuter Arbeitsüberlastung, obwohl der Cateringbereich immer stärker wächst. Labann, eigentlich gelernter Fotograf und Einzelhandelskaufmann, organisiert mit seinen drei Food-Trucks on top sogar noch Grill-Events zwischen Timmendorf, Sylt und Bremen – für bis zu 800 Gäste. Nächstes Jahr soll es für eine Großveranstaltung sogar nach Mallorca gehen.
Eine weitere Veränderung nach der Kurzzeit-Schließung war die Einschränkung des Bruzzelhütten-Angebots. Die selbst gemachten Salate und Saucen gibt es noch. Genau wie 18 verschiedene Wurstarten – von Rind, Kalb, Schwein, Pferd, Bison, Wild, vegetarisch und vegan.
Bruzzelhütte Marmstorf: Burger, Schaschlik und Süßkartoffel-Pommes fehlen auf der Karte
Aber auf der Speisekarte fehlen nun einst umsatzstarke Renner wie Burger, Schaschlik oder Süßkartoffel-Pommes. Viele Fans sind sehr traurig darüber, weiß Labann.
Doch durch den Verzicht auf die aufwändige Herstellung dieser Gerichte verringern sich der Arbeitsaufwand für das Team und damit die Wartezeiten für die Kunden beträchtlich. „Die Hütte ist nun einmal sehr eng und wir bereiten alles frisch auf Bestellung zu“, erklärt Labann. „Eine Portion Süßkartoffelpommes blockiert eine meiner vier Friteusen für mehrere Minuten.“ Eine weitere Friteuse könne er aber nicht betreiben. Das gäbe das alte Stromkabel nicht her. „Wir sind bereits am Limit. Ein Gerät mehr und die Sicherung fliegt raus.“
Die marode Bausubstanz ist der wunde Punkt der „Bruzzelhütte“. Die Holzbude stammt aus der Nachkriegszeit, beherbergte einst die Friedhofsgärtnerei, dann einen Blumenladen. Seit den 1970er-Jahren ist die Hütte ein Imbiss. Dass keiner der Pächter jemals in Renovierung investiert hat, liegt an der Lage auf städtischem Grund, auf einer sogenannten Verkehrsfläche.
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Lange Zeit bestanden nämlich Pläne, an dieser Stelle einen Kreisel zu bauen. „Deshalb gab es für jeden Pächter immer nur einen Ein-Jahres-Vertrag. Bis zum Abschluss der Umbauarbeiten zur heutigen Verkehrsführung im Jahr 2015. Da bekam ich erstmals einen Zehn-Jahres-Vertrag – und habe sofort einen Antrag für An- und Umbau eingereicht“, berichtet Labann und zeigt einen dicken Aktenordner. Darin dokumentiert er Baupläne und seine jährlich wiederholten Eingaben ans Amt.
Bruzzelhütte Marmstorf: In zwei Jahren läuft der aktuelle Pachtvertrag aus
Auch nach acht Jahren ist keine Genehmigung in Sicht. Aber Labann ist zuversichtlich. Im Prinzip, glaubt er, sei die Baubehörde seinem Anliegen wohl gesonnen. Auch dem in zwei Jahren bevorstehenden Auslauf des aktuellen Pachtvertrags sieht er deshalb gelassen entgegen.
Abreißen und neu bauen will Stefan Labann auf keinen Fall. Stattdessen erweitern und behutsam modernisieren. Mehr Platz, neue Stromleitungen und Anschluss an die Kanalisation sind vordringlich. Insgesamt soll der Eindruck der historischen Bude erhalten bleiben. Denn die habe schließlich Wiedererkennungswert – Kultstatus eben, sagt Labann, der selbst an der Bremer Straße aufgewachsen ist. Und er verspricht: „Die Bruzzelhütte wird bleiben.“