Lust auf Scharfes: Die “Bruzzelhütte“in Harburg bietet Würste in zwölf Schärfegraden und bedient damit einen lukullischen Trend.
Hamburg. Die Currywurst in der Hamburger „Bruzzelhütte“ gibt es in zwölf Schärfegraden. Die feurigsten Würste heißen „Sterbehilfe“ und „Endstation“. Da passt es gut, dass auf der Straßenseite schräg gegenüber der Neue Friedhof im Stadtteil Harburg liegt. Gestorben ist an der Wurst allerdings noch niemand.
Im Gegenteil: Die Lust am scharfen Fast Food ist sehr lebendig. „Die Gäste wollten schärfer essen. Die haben mir den Tabasco ausgetrunken“, sagt Stefan Rupprecht, der die Imbissbude vor sieben Jahren übernommen hat. Aus diesem Grund hat er sein Angebot um extrem scharfe Currywürste erweitert.
Viele Deutsche würzen mittlerweile gerne scharf. Neben traditionellen Scharfmachern wie Senf und Meerrettich sind durch das Angebot der internationalen Küche auch Chili, Curry und Wasabi sehr beliebt. Mit einer Chili-Note wird auch Schokolade, Eis oder Lakritz verfeinert. Scharfe Speisen genießen einen guten Ruf, weil sie gesund sind. Sie fördern die Produktion von Verdauungssäften in Magen und Darm. Dadurch können sich Bakterien weniger verbreiten.
Eine australische Studie ergab 2006, dass sich Chili positiv auf den Blutzuckerspiegel auswirkt. Anders als süß, sauer, salzig, bitter und umami (herzhaft) gehört Schärfe nicht zu den Geschmacksrichtungen, sondern ist eine Schmerzempfindung auf der Zunge. Aber auch das ist zu verschmerzen: Dadurch werden nämlich Endorphine, Glückshormone, freigesetzt.
Nach Angaben der Gewürzindustrie wurden 2011 knapp 25.000 Tonnen Pfeffer in die Bundesrepublik eingeführt. Die Importzahlen von Paprikapulver beliefen sich auf etwa 12.000 Tonnen. Die Chilischote gehört zu der Familie der Paprikapflanzen, lateinisch: Capsicum. Capsaicin heißt entsprechend der Inhaltsstoff, der Chili so scharf macht. Er reizt die Schleimhäute und sorgt für das Schärfeempfinden. Der Capsaicin-Gehalt in den verschiedenen Paprikasorten ist unterschiedlich, die höchste Konzentration findet sich in den kleinen Chilischoten. Es gilt: Je kleiner die Paprika, desto schärfer ist sie.
Ermittelt wird der Schärfegrad mit Hilfe der Scoville-Skala, die 1912 von dem US-amerikanischen Pharmakologen Wilbur L. Scoville (1865-1942) entwickelt wurde. Die milde Gemüsepaprika erlangt einen Scoville-Wert von 0-10, die Peperoni 100 bis 500. Mit einem Scoville-Wert von 2.500 bis 8.000 wird die Paprikafrucht der Jalapeño in der Regel als bereits sehr scharf empfunden. Sie bleibt aber weit hinter den Schoten der Habanero mit 100.000 bis 350.000 und der Power-Peperoni Bhut Jolokia mit 1.000.000 Einheiten.
Reines Capsaicin hat einen Wert von 15 bis 16 Millionen Scoville. Nichts anderes verbirgt sich auch hinter der schärfsten Chilisoße der Welt „Blair’s 16 Million Reserve“. Zum Verzehr ist sie wegen ihrer Schärfe allerdings vollkommen ungeeignet, und auch ansonsten gibt es für dieses Extrakt kaum eine sinnvolle Verwendung. Neben ihrem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde kann sie höchstens noch als Sammlerstück für Chili-Liebhaber herhalten.
Die Schärfewirkung kann mit Milchprodukten abgemildert werden. Die darin enthaltenen Fette lösen das Capsaicin und mindern damit die Schmerzempfindung. Wasser hingegen sorgt für eine Verteilung des Capsaicin und führt zu einem gesteigerten Brenngefühl. Die scharfen Chilisoßen mit hohen Scoville-Werten sind für keinen regelmäßigen Verzehr gedacht, sondern wären eher gesundheitsschädlich. Die 300 bis 400 Euro teuren Soßen werden zum Teil in Apotheken angemischt.
Die echt scharfen Würste gibt es in der „Bruzzelhütte“ ab einem Wert von 12.000 Scoville. Sie tragen Namen wie „Nervenschocker“, „Feuerhammer“ und „Atemblocker“. Die Currywurst des Schärfegrads 11 wird zwar noch verkauft, ihr Verzehr ist aber mit tränenden Augen und Magenkrämpfen verbunden. Immerhin beträgt ihre Schärfe 7,1 Millionen Scoville, zum Vergleich: Pfefferspray kommt auf einen Wert von zwei Millionen. „Kunden, die Stufe 11 essen, gibt es ungefähr einmal im Monat“, sagt Rupprecht. Die meisten Gäste würden sich mit der klassischen Currywurst begnügen. Weiterhin seien die Schärfegrade vier („Chilibrenner“) und fünf („Kreislaufbeschleuniger“) bei vielen Kunden sehr beliebt.
Die schärfste Wurst des Imbisses ist unverkäuflich. Sie kommt nur auf den sogenannten Schärfewettbewerben zum Einsatz. Die Teilnehmer bekommen Würste vorgesetzt, bei denen sich die Schärfe von Mal zu Mal steigert. Dabei nehmen die Siegeshungrigen die damit einhergehenden Begleiterscheinungen in Kauf. Neben erhöhter Schweißbildung können körperliches Unwohlsein, Erbrechen und Kreislaufprobleme auftreten. Aber wer durchhält, gewinnt. Im vergangenen Jahr siegte das Team der „Bruzzelhütte“ beim bundesweiten „Curry Cup 2011“ – und schlug damit Teams wie „Curry Sixtysix“ aus Berlin und „Kulli-Nari“ aus Remscheid.