Harburg. Am 16. September läuft letzter Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche (Neue Straße). Wie es 2024 nach Umbau des Gebäudes weitergeht.
Aus den Gebäuden der Dreifaltigkeitskirche an der Neuen Straße dringt Baulärm. Am 1. September wurden Kirchengebäude, Gemeindehaus und Glockenturm an den Investor Lukas von Lüdinghausen und seine Vivet Capital GmbH übergeben. Am 16. September folgt nun der Schlussakt einer 370-jährigen Kirchengeschichte: der Entwidmungsgottesdienst. „Wir werden ihn auf einer Baustelle feiern“, sagt Sabine Kaiser-Reis, Pastorin der Kirchengemeinde Harburg-Mitte, die das Gotteshaus verkaufte.
„Wir sind froh, dass der langjährige Prozess zu einer so guten Lösung geführt hat. Und wir sind dankbar für die intensive Begleitung von vielen Menschen, die unsere Gemeinde auf diesem Weg begleitet haben“, sagt die Pastorin. 2007 feierte die damalige Trinitatisgemeinde ihren letzten sonntäglichen Gottesdienst in der Kirche. Bis vor zehn Jahren wurde das 1962/63 erbaute Kirchengebäude, das den im Krieg zerstörten Vorgängerbau ersetzte, für Sondergottesdienste genutzt. Zu Ostern, in der Adventszeit, an Silvester.
Harburger Kirche wurde für einige Monate zum Konzertsaal
Allmählich zeichnete sich ab, dass die Kirche zukünftig nicht mehr als Gotteshaus benötigt wird und zusammen mit dem Gemeindehaus vermietet oder verkauft werden soll. Doch wie lässt sich das Ensemble nachnutzen? Ein Interessent sprang ab. Von Sommer 2018 bis März 2019 erprobte die Initiative 3falt, ob sich die Kirche für kulturelle Zwecke nutzen lässt, führte dort Konzerte und andere Veranstaltungen durch – das Kirchengebäude sei ein „astreiner Konzertsaal“, urteilte damals ein Harburger Bluesmusiker.
Die kulturelle Probephase wurde nicht verlängert. Statt dessen startete die Gemeinde ein Interessenbekundungsverfahren. Einer der Bewerber war die in Gründung befindliche Genossenschaft Dreifalt, die das Kirchenensemble weiterhin kulturell nutzen wollte. Der Zuschlag fiel jedoch auf ein Projekt der Vivet Capital GmbH – frei nach dem Weihnachtslied: „Ihr Kinderlein kommet“.
170 Kinder werden durch die ehemalige Kirche toben
Vivet Capital präsentierte als neuen Nutzer der Gebäude den Kita-Betreiber KMK kinderzimmer. Voraussichtlich im dritten Quartal 2024 werden der Umbau beendet sein und die Kita in die ehemalige Kirche und ihre Nebengebäude einziehen; der 1. Dezember ist als Eröffnungstermin anvisiert. Insgesamt wird es 170 Kitaplätze im Herzen Harburgs geben: 98 Elementarplätze für Kinder bis sechs Jahren (drei Elementargruppen und eine Vorschulgruppe) sowie 72 Krippenplätzen für Kinder unter drei Jahren. Dazu wird es eine Kinderbibliothek geben.
„Die Kinderbibliothek wird im ehemaligen Küsterhaus ihren Platz finden, sodass der Bereich des Gemeindehauses und Kirchenschiffs der Kita exklusiv vorbehalten ist“, sagt Lukas von Lüdinghausen. Die Bibliothek wird eine „kiziThek“ (kizi für kinderzimmer) und soll um die 1000 ausgewählte Bücher für Kita- und Vorschulkinder sowie Fachliteratur rund um pädagogische Themen beinhalten. Sie wird als eigener Bereich für Kinder, Eltern und pädagogisch Interessierte öffentlich zugänglich sein.
Die Kindertagesstätte wird Kita kinderzimmer Schlossmühle heißen und ist sogar schon auf Google Maps zu finden. Der private Träger KMK kinderzimmer betreibt mit rund 800 Mitarbeitern Kitas in Hamburg, München und London. Geschäftsführer Daniel Grimm freut sich auf den neuen Standort im Herzen Harburgs: „Mit dem Umbau in eine Kita bleibt die Dreifaltigkeitskirche auch in Zukunft ein Ort der Begegnung. Und wird als Kita Kinderzimmer Schlossmühle vielen Kindern in Harburg einen wunderbaren Raum für ihre persönliche Entwicklung und Entfaltung geben.”
Harburgs Hauptkirche wurde 1650 an diesem Standort erbaut
Die Kids werden auf historischem Boden spielen: Am 12. Juni 1650 wurde mit dem Bau der alten Dreifaltigkeitskirche begonnen, 1652 wurde sie eröffnet. Die Barockkirche ersetzte eine mittelalterliche Vorgängerin im Hafengebiet, die der Erweiterung der Harburger Festung weichen musste. Die Dreifaltigkeitskirche war Hauptkirche eines ehemals selbstständigen städtischen Zentrums. 1944 wurde sie bei einem Bombenangriff auf Harburg fast vollständig zerstört. Nur das Eingangsportal mit einer Christusfigur, eingebettet in die Westfassade, blieb erhalten und steht unter Denkmalschutz.
1957 wurde der Entschluss gefasst, eine neue Kirche an dem Standort zu bauen. Mit 250 Plätzen, Sakristei und Turm, Pastorat, Gemeindesaal, Konfirmandenräumen. Die Backsteinbauten rückten in die zweite Reihe, hinter die historischen Überbleibsel der alten Kirche. Nur der Glockenturm ist, von dem Gebäudeensemble abgetrennt, an der Straße erbaut worden. Sämtliche Gebäude stehen seit 1999 ebenfalls unter Denkmalschutz.
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Die Glocken im weißen Kirchturm (Baujahr 1966) werden am Sonnabend, 16. September, das letzte Mal läuten – um 10 Uhr zum Entwidmungsgottesdienst, geleitet von Pröpstin Carolyn Decke. Später wird die Kirchengemeinde die Glocken ausbauen. „Bezüglich einer Nutzung des Kirchturms befinden wir uns in der Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt und dem Bezirk“, sagt von Lüdinghausen. „Es wird derzeit ein Lichtkonzept für die Freifläche vor dem Kirchturm und den für den Turm erstellt, sodass die besondere Rolle des Denkmals herausgestellt wird.“
Ein Teil des Verkaufserlöses fließt in den Abriss von St. Johannis
Pastorin Kaiser-Reis ist froh, dass die Kirche verkauft ist: „Wir hatten in den letzten Monaten viel mit Vandalismus zu tun. Es begann mit einem Kupferdiebstahl im Herbst 2022. Im Frühjahr gab es einen großen Polizeieinsatz, weil sich Menschen in den Gebäuden eingenistet hatten. Und vor ein paar Wochen hatten wir einen Einbruch – solche Gebäude dürfen nicht so lange leer stehen.“
Sie freue sich, dass die Gebäude erhalten bleiben, so Kaiser-Reis. Fast 1,7 Millionen Euro hat die Kirchengemeinde Harburg – eine Fusion der Gemeinden Trinitatis, St. Paulus und Lutherkirche – für das Gebäudeensemble an der Neuen Straße erhalten. Ein Teil des Geldes muss zum Bedauern der Pastorin sofort wieder ausgegeben werden: Zur Tilgung von Darlehen für den Abriss des maroden Kirchturms von St. Johannis an der Bremer Straße. Dieser ist inzwischen abgeschlossen und schlägt mit knapp einer halben Million Euro zu Buche.