Harburg. Aus der lockeren Erprobung der Dreifaltigkeitskirche entstand die Idee, dem Konzept eine solide Basis zu geben.
Im Interessenbekundungsverfahren für die ehemalige Dreifaltigkeitskirche an der Neuen Straße ist die Bewerbungsfrist abgelaufen und die Auswahlphase beginnt. In mehreren Runden müssen die Bewerber ihre Konzepte vorstellen und verteidigen. Über die einzelnen Gruppen, die sich beworben haben, ist wenig bekannt: Bei der Besichtigung waren neben einigen Imamen und Hindus hauptsächlich Architekten und Anwälte anwesend, die auf Anfrage höchstens diskret antworteten, „im Auftrag solventer Klienten“ die Lage zu sondieren. Eine Bewerbung gibt es allerdings, deren Hintergründe bekannt sind: Die Genossenschaft Dreifalt.
Das klingt nicht nur nach dem Projekt 3falt, das von Sommer 2018 bis Frühjahr 2019 die Nutzungsmöglichkeiten des Gotteshauses als Kulturstätte auslotete, es ist auch daraus entstanden. „In der Erprobung haben wir gesehen, dass ganz viele verschiedene kulturelle Nutzungen des Gebäudeensembles möglich sind und funktionieren“, sagt Carsten Lünzmann von der Genossenschaft in Gründung. „Dass die Kirche davon nicht so überzeugt war, dass sie es gleich an die Initiative weitergegeben hätte, lag vielleicht auch daran, dass sie der finanziellen Tragfähigkeit des Konzepts nicht traute. Deshalb haben wir die Genossenschaft ins Leben gerufen. Sie soll einen soliden Rahmen darstellen.“
Mit dem Architekten Lünzmann und dem Diplom-Ökonomen Hein Diekmann stehen der Dreifalt zwei Menschen vor, die außer interessanten Ideen auch solides Fachwissen mit in das Projekt einbringen. Als gegründet gilt die Genossenschaft allerdings noch nicht, denn so ein Gründungsverfahren nimmt einige Zeit in Anspruch. Ungefähr 20 Genossen hat das Projekt bereits zusammen. Die gesetzliche Mindestzahl ist drei. Gestartet war man vor einigen Wochen bereits mit 12. „Trotzdem suchen wir natürlich weitere Genossen“, sagt Mitgründer Hein Diekmann. „Ein Anteil an der Genossenschaft kostet 50 Euro, dazu kommt ein einmaliges Beitrittsgeld von ebenfalls 50 Euro.“
Möglich ist eine jährliche Pacht von 30.000 Euro
Die Kirche kaufen möchte die Genossenschaft nicht. Das ist im Ausschreibungsverfahren auch nicht vorgeschrieben. Möglich ist ebenfalls eine jährliche Pacht von 30.000 Euro. „Und die können wir aufbringen“, sagt Volkswirt Diekmann, „wir haben jetzt schon Untermiet-Zusagen, die zwei Drittel der Pacht abdecken würden. Dazu kämen noch weitere Zusagen, wenn wir den Zuschlag erhalten und Einnahmen aus den Veranstaltungen.“
Diese Einnahmen sind auch nötig, denn neben den Pachtkosten schlagen für die denkmalgeschützte Kirche auch hohe Betriebs- und Sanierungskosten zu Buche. So fallen beispielsweise hohe Heizkosten für den Kirchensaal an, die sich einerseits wegen des Denkmalschutzes und anderseits wegen der Bewahrung der einmaligen Akustik nur bedingt durch Dämmung reduzieren lassen, die dann in jedem Fall sehr teuer wäre. „Allein der denkmalgerechte Austausch der riesigen Einfachfenster durch Isolierglas würde im oberen fünfstelligen Bereich kosten“, schätzt Architekt Lünzmann.
Der große Saal soll vielseitig genutzt werden
Doch nicht nur aus Kostengründen würden die Genossen die Gebäude zunächst belassen, wie sie sind: „Wir haben großen Respekt vor dem schönen, klar gegliederten Kirchengebäude aus den 60er Jahren“, sagt Lünzmann. „Es sollen nur minimale Eingriffe durch Umbauten vorgenommen werden: Die Küsterwohnung wird im Inneren zu einem Café umgebaut und erhält einen Durchgang zum Kirchenschiff. Das Kirchenschiff bleibt frei von festen Einbauten. Weitere Veränderungen können zu späterer Zeit überlegt werden, aber sie werden in jedem Fall mit dem Denkmalschutz abgestimmt.“
Der große Saal soll vielseitig genutzt werden können: Klassische Konzerte, Chöre, Rock+Pop, Tanzveranstaltungen, Märkte und Messen, Indoor-Open-Air-Kino, aber auch private Veranstaltungen sind denkbar. Im kleinen Saal des Gemeindehauses könnten Kleinkunst, Lesungen und Tanztraining stattfinden, am großen Saal ist immer noch die Kunstleihe interessiert. Im Keller des Gemeindehauses könnte außer den WCs noch ein Musik-Probenraum untergebracht werden. Auch Eingangshof und Innenhöfe sollen bespielt werden können.
„Dieses Mikroquartier hat eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Marktplatz und Binnenhafen“, sagt Carsten Lünzmann, „aber bis auf die Lämmertwiete ist es derzeit abends verödet und wird zum Angstraum. Es ist auch im Interesse der Stadt, hier eine Nutzung zu fördern, die das Areal in den Abendstunden belebt. Das wäre bei Gewerbe beispielsweise nicht gegeben.“