Harburg. Der Zweimaster „Avontuur“ macht am Freitag am Lotsekai fest. An Bord: tonnenweise Kaffee aus Mittelamerika. Entladen wird er per Hand.

Hafenbetrieb wie vor 100 Jahren: Am Freitag wird zum dritten Mal der Frachtsegler „Avontuur“ am Kai des Museumshafens im Harburger Binnenhafen festmachen. Geladen hat er vor allem Kaffee, aber auch Kakao und Rum, die die Crew der „Avontuur“ in Guadeloupe, Dominikanische Republik, Costa Rica, Belize und Mexiko aufgenommen hatte. Die wertvolle Fracht wird am Lotsekai per Hand entladen.

Einige Dutzend Helfer werden von Bord über die Kaikante mehrere hundert Kaffeesäcke an Land hieven und anschließend auf Paletten ablegen.

In diesem Jahr sind besonders viele ehrenamtliche Hafenarbeiter gefragt, die mit anpacken. Denn anders bei in den ersten beiden Entladungen am Harburger Lotsekai in den Sommern 2021 und 2022 wird der Gelbe Kran des Museumshafens dieses Mal nicht zum Einsatz kommen. Er steht derzeit für echte Hafenarbeiten aus Sicherheitsgründen nicht zur Verfügung.

Harburger Hafen: Seit drei Jahren Ziel der Frachttransporte unter Segeln

Seit 2016 segelt der Zweimast-Gaffelschoner „Avontuur“ (Baujahr 1920) für das kleine Unternehmen Timbercoast. Dessen Gründer Cornelius Bockermann führte zuvor mit seiner Firma Schwertransporte für die Öl-Industrie aus. Ein lukratives Geschäft, womit er viel Geld verdiente. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, welche Auswirkungen die weltweite Transportschifffahrt auf die Meere hat. Bockermann riss das Ruder herum startete seine „Mission Zero“: den umwelt- und klimafreundlichen, emissionsfreien Seetransport.

Der Zweimaster
Der Zweimaster "Avontuur" segelt seit 2016 Kaffee und andere Fracht über den Nordatlantik.  © Timbercoast | Avontuur

Zunächst wollte der gestandene Unternehmer, der an der Fachhochschule Ostfriesland Nautik und Schiffsmaschinentechnik studiert hat, in australischen Gewässern aktiv sein. Doch sehr schnell rückte der Handel über den Nordatlantik in den Mittelpunkt. So transportiert die „Avontuur“ nun Kaffee und andere Waren aus Mittelamerika nach Europa, nach Hamburg oder Fécamp (Frankreich).

Die Crew versucht, sogar beim Ein- und Auslaufen in Häfen Segel zu setzen, was zumindest in Harburg unmöglich ist. Schließlich muss der gut 40 Meter lange Frachtsegler zunächst die Kattwykbrücke, dann die Harburger Hafenschleuse und schließlich die Drehbrücke zur Schlossinsel passieren, um zum Liegeplatz zu gelangen.

Bio-Kaffee und selbst gebackener Kuchen am Hafenrand

Dort wird dann über mehrere Stunden die kostbare Fracht entladen. Der meiste Kaffee wird für Kunden transportiert, etwa für den solidarischen Kaffeehändler und Café-Betreiber El Rojito. Der „Mitarbeitendenverein“ importiert seit mehr als 30 Jahren fairen Kaffee in die Hansestadt. Rund 20 Menschen arbeiten bei El Rojito im Kaffeelager, liefern mit Lastenrädern Ware aus, sind im Büro oder an der Siebträgermaschine im gleichnamigen Café in Ottensen aktiv.

Der Hamburger Kaffeehandel El Rojito importiert seit mehr als 30 Jahren fairen Kaffee in die Hansestadt. Rund 20 Menschen arbeiten hier – unter anderem im gleichnamigen Café in Ottensen.
Der Hamburger Kaffeehandel El Rojito importiert seit mehr als 30 Jahren fairen Kaffee in die Hansestadt. Rund 20 Menschen arbeiten hier – unter anderem im gleichnamigen Café in Ottensen. © EL ROJITO / Peter Bauer

Auch El Rojito hat für die Entladung am Freitag Helfer akquiriert, die sich bei Timbercoast registriert haben. Auf der Vereins-Website heißt es: „Auch alle Seeleute und Landratten sind herzlich eingeladen, diesen Tag mit uns im Museumshafen Harburg zu verbringen. Ihr könnt einfach solidarischen Bio-Kaffee, selbst gebackenen Kuchen und die tolle Kulisse genießen und anderen bei der Arbeit zuschauen.“

Segelkaffee und andere Produkte in Finkenwerder zu haben

Ein Teil der Ware vertreibt Timbercoast als eigene Produkte über einen Shop auf seiner Website. Neben Kaffee werden dort Kakao, verschiedene Rumsorten, Gin, gesegeltes Meersalz (auch in Schokolade verpackt), Balsamico und T-Shirts angeboten. Das kleine Segelfrachtunternehmen hat ein Büro in Finkenwerder am Steendiek 31. Dort können die online bestellten, teils frisch angelieferten Waren abgeholt werden.

Allein durch seine Fracht kann das Unternehmen Timbercoast nicht überleben. Dazu gibt es ein zweites finanzielles Standbein: Ein Großteil der 15-köpfigen Crew sind angelernte Gäste, sogenannte Shipmates. Sie zahlen für eine Reise von Europa nach Mittelamerika oder umgekehrt zwischen 4000 und 5000 Euro und arbeiten gleichzeitig an Bord. Für bloße „Kreuzfahrtpassagiere“ ist auf dem Schiff kein Platz.

Eigner und Kapitän Cornelius Bockermann führt an seinem Frachtsegler „Avontuur“ in Harburg auch Reparatur- und Ausrüstungsarbeiten aus.
Eigner und Kapitän Cornelius Bockermann führt an seinem Frachtsegler „Avontuur“ in Harburg auch Reparatur- und Ausrüstungsarbeiten aus. © HA | Angelika Hillmer

Gesegelte Güter seien ein Beitrag zu einer längst überfälligen Debatte über ein zukunftsfähiges Transportwesen, betont Bockermann: „Kleine, engagierte Einzelinitiativen wie wir können die Probleme des schwerölbetriebenen Containerfrachttransports zwar nicht lösen, doch sie können, in einem Nischenmarkt, alternative Ansätze aufzeigen“, sagt der Timbercoast-Chef und Kapitän der „Avontuur“.

Seine Frachtreisen stünden „im Zeichen von Klimaschutz und der Achtung von Menschen- und Arbeitsrechten entlang der Lieferkette“.

Harburg: Die „Avontuur“ wird noch ein paar Wochen bleiben

Heute wird Kaffee in Containern verschifft, „da können wir nicht mit unseren Kaffeesäcken kommen, wenn mehr Fracht unter Segeln transportiert werden soll“, weiß Bockermann. Er habe Anfragen von Firmen für größere Chargen, die mit der „Avontuur“ (Ladekapazität: rund 100 Tonnen) nicht transportiert werden können. Der Reeder beschäftigt sich mit dem Projekt eines Schiffsneubaus mit einer Nutzlast von 1100 Tonnen. Ein modernes Segelfrachtschiff, das bis zu 48 Standardcontainer (20 Fuß) laden kann.

Nach der Entladung von Kaffee und Kakao wird die „Avontuur“ noch mehrere Wochen in Harburg bleiben. „Es wird dann noch an dem Schiff gearbeitet werden“, sagt Maurice Schröder vom Museumshafen Harburg. Spätestens Ende August wird der Zweimaster den Harburger Hafen verlassen. Dann bricht er zu seiner zwölften Frachtreise auf, die ihn auf einer elf- bis zwölfwöchigen Tour zunächst nach Santa Maria (Kolumbien) führt.