Hamburg. Sophie Fredenhagen ist seit mehr als drei Jahren Bezirksamtsleiterin in Harburg: Zeit für ein Zwischenfazit – und einen Ausblick.
Von den sechs Jahren Amtszeit der Harburger Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen sind schon dreieinhalb vorbei. Zeit, für eine etwas verspätete Halbzeitbilanz. Das Hamburger Abendblatt interviewte die „Harburger Bürgermeisterin" über ihre Pläne, Wünsche und anstehende Themen.
Hamburger Abendblatt: Bevor die Pandemie alle Prioritäten verdrängte: Was waren Ihre Visionen und Pläne für Harburg?
Sophie Fredenhagen: Eigentlich die gleichen, wie heute immer noch: Stadtentwicklung und Wohnungsbau im Harburger Kerngebiet sowie in Süderelbe und den Klimaschutz und die Verkehrswende voranbringen. Innerhalb der Verwaltung die Digitalisierung und damit verbunden die Einführung neuer Arbeitsformen und die bessere Vereinbarung von Familie und Beruf.
Es ist ja auch nicht so, dass die Pandemie alle Entwicklungen gestoppt hätte. Wir sind mit vielen Vorhaben trotzdem gut vorangekommen. Bei der Digitalisierung hat die Pandemie dem Prozess sogar einen Schub gegeben. Was die Neubauprojekte angeht, müssen wir weiterhin darauf achten, dass die Infrastruktur mitwächst, aber das Beispiel Kita-Plätze zeigt, dass wir auch hier auf einem guten Weg sind. Zu Anfang meiner Amtszeit war die Schaffung zusätzlicher Kitaplätze ein großes Thema, aber wir konnten in den vergangenen Jahren etliche neue Kitastandorte auf den Weg bringen. An anderen Standorten konnte die Platzzahl erhöht werden.
Zu Anfang meiner Amtszeit lagen auch alle Großbaustellen im Verkehrsbereich noch vor uns. Jetzt schließen wir die ersten ab und beginnen die größten, wie etwa ZOB und Doppelknoten. Wir haben auch viele Stadtentwicklungsprojekte über die RISE-Förderung in fünf Gebieten verwirklichen können, wie z.B. die Neugestaltung des Sand. Weitere sind im Werden, wie beispielsweise der Sportplatz an der Außenmühle.
Abendblatt: Bei RISE-Gebieten ist man ja immer auf die Gnade der Stadtentwicklungsbehörde angewiesen und man ist auch auf die Gebietsgrenzen beschränkt. Wäre es für eine Bezirksamtsleiterin nicht wünschenswert, mehr Mittel in Eigenverantwortung verplanen zu können, um so im Bezirk auch eine ganzheitliche Planung zu gewährleisten?
Sophie Fredenhagen: Einerseits: Natürlich wäre das schön! Andererseits folgen die RISE-Förderbedingungen passenden politischen Vorgaben, die den Bedarfen in Harburg auch gerecht werden und wir haben fitte Kolleg:innen im Bezirksamt, die wissen, wie man diese Mittel nach Harburg holt. RISE hat große Vorteile: Es geht einher mit einer sehr guten Bedarfsermittlung und einer verbindlichen Zeitplanung der Maßnahmen, so dass man auch zügig Erfolge sehen kann.
Nach ihrem ersten Jahr im Amt kam Corona und stellte alles auf den Kopf. Ausgerechnet da zerriss es das Gesundheitsamt: Der Leiter wurde zur Polizei abgeordnet, seine Nachfolger wechselten zunächst schnell und häufig.
Sophie Fredenhagen: Der Vorgänger der jetzigen Amtsinhaberin war ein junger Kollege mit sehr vielen Möglichkeiten und Perspektiven. Solchen Personen machen auch andere Arbeitgeber attraktive Angebote. Der Arbeitsmarkt für gute Fachkräfte ist dynamisch. Wir haben mit Frau Dr. Waldeyer-Sauerland jetzt eine hervorragende Gesundheitsamtsleiterin, die sich auch in der Pandemie bewährt hat. Außerdem wird der Öffentliche Gesundheitsdienst über den Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst fachlich und personell gestärkt. Damit konnten wir unter anderem die Ärzte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben durch den Einsatz von einer versierten Verwaltungsführungskraft entlasten. Auch das hilft, Personal zu halten und die sich schnell verändernden Lagen gut zu bewältigen.
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Ein ganz großes Thema der vergangenen Monate war der Rieckhof. Hätten Sie vorher gedacht, dass dies solche Wellen schlägt?
Sophie Fredenhagen: Uns war bewusst, dass wir hier Glatteis betreten. Dass es so stressig wird, hätten wir nicht gedacht. Ich finde es auch schade, dass unsere eigentliche Intention, nämlich etwas Gutes zu verbessern, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht oder falsch wahrgenommen wurde. Uns ging es nie darum, etwas abzuwickeln oder die Arbeit der bisherigen Akteure zu diskreditieren. Das Bürgerhaus ist ein Pfund, mit dem Harburg wuchern kann. Das wollen wir unter großem Ressourceneinsatz ausbauen und zukunftsfähig machen.
Wie viele Harburgerinnen und Harburger kommen denn zu Ihren Bürgersprechstunden?
Sophie Fredenhagen: Viele! Wir haben da immer eine kleine Warteliste. Ich nehme mir für jeden Gesprächspartner eine halbe Stunde zum direkten Austausch Zeit und versuche, das jeweilige Thema gut vorzubereiten, wenn es mir vorher mitgeteilt wurde. Vier bis sechs Stunden muss ich für die monatliche Sprechstunde einplanen. Das mache ich gerne! Es ist gut, wenn die Bürger auch sehen, wer hinter den Rathaustüren sitzt und, dass man als Bürger:in seine Anliegen hier sehr direkt platzieren kann. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen! Wir starten jetzt am 21. April auch mit einer eigenen Sprechstunde für Kinder und Jugendliche.
Viele Bezirksamtsleiter vor Ihnen waren auch nach Feierabend greifbare Personen, weil sie selbst im Bezirk lebten. Das ist bei Ihnen – wie auch bei Ihren vier Spitzenbeamten, den Dezernenten – nicht der Fall. Sehen Sie es als Vorteil oder als Nachteil an, nicht in Harburg zu wohnen?
Sophie Fredenhagen: Sowohl, als auch. Ich bin ja meistens viel länger in Harburg, als ich mich an meinem Wohnort aufhalte, weil ich hier normalerweise viele Abend- und Wochenendtermine wahrnehme. Dann ist der Heimweg manchmal lästig, aber es ist auch gut, etwas Abstand zu gewinnen und die Tür hinter sich schließen zu können. Ich bin allerdings auch über die sozialen Medien fast ständig greifbar und im guten Kontakt mit den Bürger:innen, die mich dort zunehmend anschreiben. Die öffentlichen Veranstaltungen haben natürlich unter Corona gelitten, aber ich hoffe, dass wir uns aus dieser Situation langsam mal herausbewegen.
Zur Person:
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Gibt es Dinge, auf die Sie sich nach Corona wieder freuen?
Sophie Fredenhagen: Tatsächlich, dass Diskussionen in größeren Runden wieder live geführt werden können. Es gab einige Bürgerbeteiligungen, die auch online gut funktioniert haben, aber die Technik setzt dem freien Austausch Grenzen. Deshalb bin ich auch froh, dass wir einen Weg gefunden haben, die Bezirksversammlung wieder in Präsenz tagen zu lassen. In einer digitalen Hauptausschusssitzung gehen Diskurs und Debatte verloren. Die brauchen wir aber in der Bezirkspolitik!
Ab jetzt beginnt die zweite Hälfte Ihrer Amtszeit. Was ist Ihnen wichtig, jetzt auf den Weg zu bringen?
Sophie Fredenhagen: Die großen Ziele bleiben natürlich die gleichen wie schon erwähnt. Im Einzelnen sind mir die angeschobenen Projekte vor Ort wichtig: zum Beispiel, dass wir den neuen Träger des Bürgerhauses gut in sein Umfeld einpflegen, damit er hier gut ankommt und seine Arbeit erfolgreich aufnehmen kann. Der Neubau für ABRIGADO, Harburger Tafel und die geförderten Wohnungen sollte auch schnell umgesetzt werden. Ein großes wichtiges Vorhaben ist das Bebauungsplanverfahren Fischbeker Reethen mit dem ich gerne zügig vorankommen würde. Das ist ein sehr komplexes Verfahren, an dem wir schon lange arbeiten! In dem Zusammenhang sind auch die Projekte der sozialen Infrastruktur für die drei Neubaugebiete in Neugraben ganz wichtig. Die Schulstandorte sind festgelegt, das Haus der Jugend ist in Planung. Sehr wichtig finde ich die Verwirklichung des Kombibades. Da müssen wir am Ball bleiben! Nicht nur für das Schul- und Vereinsschwimmen, sondern auch, um dem Stadtteil einen hohen Freizeitwert zu geben. Was wir vermeiden sollten, ist hier an der Landesgrenze eine Trabantenstadt mit schlechter Infrastruktur und mangelnder Attraktivität zu schaffen. Und wenn sich die Gemeinde Neu Wulmstorf beteiligt, ist das Kombibad ein leuchtendes Beispiel für eine funktionierende Metropolregion. Wir sind da in guten Verhandlungen. Ganz wichtig ist mir auch die Entwicklung des Phoenix-Viertels. Wir haben da über Jahre viel Arbeit, Energie und Ressourcen hineingesteckt und es darf nicht sein, dass das zunichte gemacht wird! Wir sind da zum einen in sehr guter Zusammenarbeit mit der Polizei aktiv, davon hört man ja immer wieder, aber das kann nicht alles sein! Deshalb haben wir jetzt Mittel für ein Quartiersmanagement eingeworben und wollen in den nächsten Jahren wieder eine positive Entwicklung erreichen.
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Sie haben beim Thema Wohnungsbau Neugraben-Fischbek erwähnt, aber auch die Teilregion Harburg braucht ja Wohnraum. Es werden hier auch viele Wohnungen genehmigt, darunter aber auch eine Menge atypischer Wohnungen, wie Mikroapartments, die meist sehr teuer vermietet werden. Ist das eine gute Entwicklung?
Sophie Fredenhagen: Wir brauchen jede Art von Wohnraum. Auch für kleine Wohnungen gibt es einen Markt. Aber natürlich brauchen wir vor allem bezahlbare Wohnungen, insbesondere auch für Familien. Mit dem Vertrag für Hamburg haben wir da ein gutes Instrument. Da im Kerngebiet die Flächen knapp sind, ist die Verdichtung im Bestand das hauptsächliche Aktionsfeld. Für alle Bauvorhaben gilt, dass wir sie genehmigen, wenn der Antrag den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht. Auf die Wohnungstypen und gegebenenfalls auch auf den Preis nehmen wir da, wo das möglich ist, Einfluss. Dies gelingt oft im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages. Ein gutes aktuelles Beispiel ist das Studierenden- und Auszubildenden-Wohnprojekt in der Theodor-Yorck-Straße!
So beurteilen Harburger Politiker Sophie Fredenhagen
Planen Sie in eine zweite Amtszeit, wenn die jetzige im Oktober 2024 endet?
Sophie Fredenhagen: Ich finde es eigentlich etwas früh, das jetzt schon zu diskutieren, zumal das ja keine Entscheidung von mir allein als Person ist. Bei der Bandbreite an Aufgaben und dem langen Atem, den viele Projekte und Entwicklungen brauchen, ist eine gewisse Kontinuität in der Verwaltungsspitze allerdings sicher sehr hilfreich!
Wenn Sie mir die Frage anders stellen, nämlich, ob mir mein Job Spaß macht, und ich ihn deshalb weitermachen würde, sage ich: Ja!