Hamburg. Anwohner der Unterkunft klagen über lautstarke Partys und Müll auf ihrem privaten Spielplatz. Sie fühlen sich von Behörden im Stich gelassen.
- Rund um die Hamburger Flüchtlingsunterkunft am Überseering liegt viel Müll.
- Anwohner beklagen häufige Ruhestörungen vor ihrem Mehrfamilienhaus.
- Sozialbehörde versichert, man habe die Situation im Blick.
Anhand der Verpackungen kann man gut erkennen, was sich die Menschen haben schmecken lassen, die die Sydneystraße in der City Nord entlanggegangen sind. Auf dem Grünstreifen neben dem Fußweg liegen Plastikverpackungen von Sandwiches, leere Chipstüten, Schokoriegelpapier, Zigarettenschachteln, Whiskey- und Wodkaflaschen. Auf dem Mittelstreifen findet man auch gefüllte Abfallbeutel, entsorgte Autoreifen und vereinzelt Kleidungsstücke. Dabei gibt es etliche rote Mülleimer der Stadtreinigung am Wegesrand.
Es scheint niemanden groß zu kümmern, wie es in der Umgebung der Hamburger Flüchtlingsunterkunft am Überseering, in der etwa 1400 Menschen leben, aussieht. Fabian Leichnitz ist es allerdings nicht gleichgültig, wie sich sein Umfeld durch die neuen Nachbarn verändert hat. Und er ist damit nicht allein, auch andere Anwohner hatten schon häufiger Beschwerden geäußert.
Flüchtlinge in der City Nord: Nachbar fühlt sich wegen Unterkunft am Überseering „wie im Ghetto“
„Es tut mir in der Seele weh, wie mein geliebtes Winterhude verkommt. Ich fühle mich in meinem Viertel wie im Ghetto“, sagt der 43-Jährige, der seit fünf Jahren an der Hindenburgstraße in einem großen Mehrfamilienhaus lebt. Die Gegend sei insgesamt nicht so prickelnd, aber „unsere Wohnung ist schön und bezahlbar“, sagt Leichnitz.
Die U-Bahn-Haltestelle Alsterdorf liegt in der Nähe. Für die Kinder des Mietshauses gibt es einen eigenen Spielplatz mit Schaukeln, Wippen, Sandkiste und Tischtennisplatte. Doch genau wegen dieses Platzes gibt es regelmäßig Ärger zwischen den direkten Anwohnern und den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft.
Leichnitz sagt, er habe mit allen Beteiligten immer wieder das Gespräch gesucht. Mit Fördern & Wohnen (F&W), mit dem DRK, das die Unterkunft betreibt, mit dem Bezirksamt, der Polizei und dem Vermieter. „Gebracht hat aber alles nichts. Ich fühle mich im Stich gelassen.“ Viele seiner Nachbarn würden sich ebenfalls ärgern, seien aber mutlos und würden nichts unternehmen.
Nachbar der Hamburger Flüchtlingsunterkunft ruft oft mehrmals die Woche die Polizei
Der Vermieter hat inzwischen ein Tor eingebaut, um Unbefugten den Zugang von der Sydneystraße her zu verwehren, doch das nütze nur bedingt etwas. „Der Spielplatz ist Privatgelände. Da steht auch ein Schild, sogar mit Piktogrammen, aber das kümmert die Leute nicht.“
Das Schlimmste sei der Lärm, sagt Leichnitz. „Hier werden ständig Partys gefeiert. Im Sommer habe ich zwei- bis dreimal die Woche die Polizei gerufen. Manchmal bin ich auch selbst runter und habe die Leute verscheucht.“ Er spielt auf seinem Handy ein Video ab, auf dem man laute Stimmen und viel Gelächter hört, aber wegen der späten Stunde wenig sieht. „Da waren oft Babys und Kleinkinder bis spät in die Nacht dabei“, sagt er. Immerhin habe sich jetzt im Herbst die Situation nachts etwas verbessert.
Flüchtlinge in der City Nord: Hamburger Lokführer fühlt sich häufig in seiner Nachtruhe gestört
Tagsüber sei es immer noch schwierig. „Hier hängen ständig Jugendliche und Kinder im Grundschulalter aus der Unterkunft herum, die Red Bull trinken und rauchen. Sie rotzen und kotzen hier hin. Man wird auch ständig um Geld und Zigaretten angebettelt“, sagt Leichnitz genervt.
Von seinem Schlafzimmer aus hat er den Spielplatz genau im Blick. Und leider höre er auch alles, sagt der Lokführer, der im Wechseldienst arbeitet und in den vergangenen Monaten nach eigenen Angaben oft dann aufstehen musste, wenn die anderen gerade erst mit dem Feiern fertig waren. Er brauche seinen Schlaf, denn er habe einen verantwortungsvollen Job. „Warum sucht man sich einen privaten Spielplatz zum Feiern aus? Warum gehen die nicht in den Stadtpark?“
Auch Drogen würden auf dem Spielplatz konsumiert, sagt Leichnitz, und zeigt wieder ein Video. Die Polizei habe eine Plastiktüte mit den Resten sichergestellt. Auch eine Schlägerei habe er schon mitangesehen. Bis die Polizei in solchen Fällen komme, dauere es einfach sehr lang. „Aber sie ermuntern mich immer, sie bei Bedarf zu rufen.“
Flüchtlinge Hamburg: Anwohnerin in der City Nord wünscht sich nettes Miteinander
Auch eine Nachbarin, die seit 2019 im selben Haus lebt, sagt, dass die Situation sehr schwierig geworden sei. „Meine Kinder gehen nicht mehr allein auf dem Spielplatz. Sie werden oft beschimpft und beleidigt. Oder andere Jugendliche stellen sich ihnen in den Weg. Früher waren sie immer allein draußen im Hof“, sagt die 30-Jährige. Sie wünsche sich doch einfach nur ein nettes Miteinander ohne Ärger.
Die Hamburger Sozialbehörde verweist in einer Stellungnahme erneut darauf, dass es sich bei dem Standort am Überseering um eine Unterkunft handelt, die wegen ihrer Größe und ihres Gebäudezuschnitts besonderer Aufmerksamkeit bedarf. „Das stellen wir sicher. Die für öffentlich-rechtliche Unterbringung zuständige Behörde, F&W und der von F&W mit dem Betrieb beauftragte Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Hamburg Altona und Mitte e. V. sowie das zuständige Bezirksamt Hamburg-Nord und das örtlich zuständige Polizeikommissariat beobachten die Unterkunft sowie deren Umfeld sehr aufmerksam“, sagt Sozialbehördensprecher Wolfgang Arnhold.
Flüchtlinge Hamburg: Unterkunft am Überseering – Polizei plant Sprechstunde
In den kommenden Wochen werde die Polizei eine Infoveranstaltung am Standort, an dem es in diesem Jahr schon mehr als 200 Polizeieinsätze gab, anbieten. Zudem werde eine Polizei-Sprechstunde getestet.
Auch die Sicherheit im Umfeld habe man im Blick, sagt Arnhold. Der von F&W beauftragte Sicherheits- und Ordnungsdienst (SOD) habe Vereinbarungen mit Eigentümerinnen und Eigentümern von Nachbargrundstücken der Unterkunft abgeschlossen. „Diese beinhalten die Befugnis für den SOD, benachbarte Privatgrundstücke zu begehen und dort gegebenenfalls sich aufhaltende Unbefugte zu verweisen. Das Umfeld der Unterkunft, auch die Spielplätze, wird dementsprechend aktuell montags bis sonntags in den Abend- und Nachtstunden von 19.30 bis 4 Uhr bestreift.“
Flüchtlingsunterkunft City Nord: Seit September mehr Polizeistreifen in der Gegend
Im Zuge dieser Streifengänge sei es bei Ruhestörungen – auch auf dem besagten Spielplatz und weiteren Spielplätzen – bereits zu Platzverweisen gekommen. „Weiterhin bestreift das Polizeikommissariat 33 die Gegend seit Anfang September ebenfalls vermehrt“, so Arnhold. Zudem würden zwischen den beteiligten Stellen geeignete Maßnahmen abgestimmt, um die Unterkunft möglichst gut an den Sozialraum anzubinden, die Integration der Bewohnerinnen und Bewohner zu fördern und das Miteinander mit der Nachbarschaft zu stärken.
Er verweist auf ein umfassendes Portfolio sozialer Angebote, etwa in Form von Kinderspiel- und weiteren Freizeitangeboten, Orientierungs-, Sozialberatungs- und Vernetzungsangeboten. Im kommenden Jahr sollen die Kompetenzen der erwerbsfähigen Bewohner für den Einstieg in den Arbeitsmarkt überprüft werden.
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Flüchtlinge in der City Nord: Anwohner wünschen sich, dass Mülleimer benutzt werden
Fabian Leichnitz und seine Nachbarin wären schon froh, wenn die Bewohner fürs Erste ihren Müll in Mülleimer werfen und sie vor Lärm vor ihrem Haus verschonen würden. „Ich beurteile Menschen nicht nach ihrer Herkunft“, versichert der 43-Jährige, dessen Frau aus Thailand kommt, „aber sie sollen sich hier normal benehmen.“ Er habe nichts gegen Familien mit Kindern, die hier spielen wollen. „Aber die tanzen und trinken die ganze Nacht und pinkeln hier auf dem Spielplatz an die Mauer und in die Sandkiste. Das ist doch kein Benehmen.“
Der gebürtige Berliner, der seit 23 Jahren in Hamburg lebt, sagt, er sei mit seinem Latein am Ende: „Ich überlege, auszuwandern. Lokführer werden überall gebraucht. Mit meinem europäischen Triebfahrzeugführerschein kann ich überall arbeiten.“