Hamburg. Ein besorgter Vater schildert, wie extrem Söhne denken. Über Flüchtlinge, die in ihre Nähe kommen, sagen sie: „Die schießen wir ab.“

  • Vater aus Eimsbüttel kann nichts gegen rechtes Gedankengut bei seinen Söhnen machen.
  • Die 17 und 23 Jahre alten Söhne wollen keine Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft und drohen mit Gewalt.
  • Der Vater dagegen begrüßt die geplante Einrichtung für Flüchltinge an der Bismarckstraße.

Es war ein mutiger Schritt, als Daniel P. (alle Namen geändert) bei der Infoveranstaltung im Hamburg-Haus zur geplanten Unterkunft für 30 minderjährige Flüchtlinge an der Bismarckstraße in Eimsbüttel ans Mikrofon trat und sagte: „Was sage ich meinen Söhnen? Die sind potenzielle AfD-Wähler und schimpfen über die Flüchtlinge.“ Seine Söhne, sagt er, seien keine Einzelfälle. Längst seien rassistische und radikale Gedanken üblich unter jungen Menschen in Hamburg.

Daniel P. freut sich auf die 30 Jugendlichen, die aus Ländern wie der Ukraine, aus Marokko und Syrien kommen. Sie sollen im Frühjahr an der Bismarckstraße 77–79 einziehen. Die geplante Unterkunft, die offizielle Bezeichnung ist „Clearingstelle Erstversorgung“, ist im Erdgeschoss des mehrgeschossigen Gebäudes vorgesehen. Für Daniel P. ist das eher eine Bereicherung als eine Belastung. Der Künstler kennt viele Menschen aus Afghanistan und Syrien, hat zeitweise selbst eine Frau aus der Ukraine bei sich aufgenommen.

Flüchtlinge an der Bismarckstraße: „Ihre Haltung ist eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen“

Was ihm Sorgen bereitet, ist das Gedankengut seiner Söhne, die 17 und 23 Jahre alt sind. „Meine Kinder finden das richtig blöd, dass dort Flüchtlinge einziehen, ihre Haltung ist eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen.“ Und das, obwohl er und seine Frau eher linksliberal sind. Sie haben mit ihren Söhnen schon Konzentrationslager besucht, sind im Gespräch mit ihnen. Kurz gesagt: Sie leben ihnen Toleranz und Empathie vor. Doch gegen die Gedanken ihrer Kinder sind sie hilflos.

„Meine Kinder finden das richtig blöd, dass dort Flüchtlinge einziehen, ihre Haltung ist eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen.“

Daniel P. (Name geändert)
Vater zweier Söhne aus Eimsbüttel

Dass die Eltern die Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft begrüßen, ist ihren Kindern egal. Bei den Jungs fallen Sprüche wie: „Wenn die dort in die Bismarckstraße einziehen, hole ich meine Freunde, dann schießen wir die ab, boxen die um.“ Sie reden von Waffengewalt. „Meine Söhne denken, Ausländer würden ihnen Jobs wegnehmen, egal, wie wir versuchen, sie davon zu überzeugen, dass wir Arbeitskräfte aus dem Ausland brauchen. Egal, wie wir versuchen, sie aufzuklären.“ Sicher ist die Haltung seiner Söhne, davon ist Daniel P. überzeugt, auch eine Gegenreaktion zur eigenen liberalen Einstellung.

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Das mag eine Erklärung sein. Eine andere ist der Einfluss von Videospielen und den sozialen Medien. „Jungs hängen in einem bestimmten Alter, so von 10 bis 15 Jahren, vor dem Rechner und spielen Videospiele – und da geht es heftig zu“, sagt Daniel P. Die weltweite Community äußere sich offen antisemitisch und homophob. „Da wird auf Englisch über Juden genauso geschimpft wie über Araber, die Jugendlichen sind in diesen Spielen rassistisch unterwegs.“

Vater aus Eimsbüttel: „Wie meine Söhne in der Gruppe agieren, finde ich unheimlich“

Und dieser Einfluss ist auf die Heranwachsenden enorm. Da spielt es keine Rolle, aus welchem Land die Jugendlichen kommen, welchen Bildungsgrad sie haben, welchen familiären und soziokulturellen Hintergrund. „Eine rassistische Sprache gehört da zum guten Ton“, so Daniel P. Seine Jungs, das betont er, seien gute Jungs. Klug, redegewandt, freundlich. „Aber wie sich meine Söhne äußern, wie sie vor allem in der Gruppe agieren, das finde ich unheimlich.“

Es sind Sprüche, eine Verrohung der Sprache und eine Geisteshaltung, die so gar nicht ins Bild von bürgerlichen, aufgeklärten, intellektuellen Jugendlichen passen. Und: Die Söhne von Daniel P. sind kein Einzelfall. „Nicht nur sie denken so, auch in der Klasse meines jüngeren Sohnes ist es ganz normal, sich rassistisch und homophob zu äußern“, erzählt der Vater beim Treffen in einem Eimsbütteler Café. Die Schule seines Sohnes liegt ganz in der Nähe.

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Mit der geplanten Flüchtlingsunterkunft an der Bismarckstraße hat Daniel P. keine Probleme, aber eben seine Söhne. Der Vater fragt sich, wie er, die Gesellschaft, die Verantwortlichen der Stadt Hamburg diese jungen Leute einfangen und überzeugen können. „Die rechte Rhetorik kommt bei vielen jungen Leuten – egal, ob Jungs oder Mädchen – gut an“, so Daniel P. Dazu kommt noch die Verherrlichung von toxischer Männlichkeit eines Andrew Tate, einem umstrittenen britischen Influencer.

Flüchtlinge Hamburg: Eimsbüttel ist eine „Insel der Glückseligen“

Das sind Dinge, die viele junge Leute stark beeinflussen. Ja, auch auf der „Insel der Glückseligen“, wie Daniel P. Eimsbüttel beschreibt. Auch dort, wo Eltern etwas ganz anderes vorleben. Der Vater appelliert an die Stadt und an die Gesellschaft, noch mehr zu tun. Wie genau, kann er auch nicht sagen. „Wir müssen ein Konzept entwickeln, wie wir zum Beispiel die künftigen Bewohner der Flüchtlingsunterkunft besser kennenlernen – vielleicht durch Patenschaften.“

Auch benachbarte Gymnasien müssten sich stärker engagieren, um die künftigen Bewohner zu integrieren, denkbar seien Projektwochen an den Schulen. „So könnte sich mein 17-Jähriger 1:1 mit den jugendlichen Flüchtlingen auseinandersetzen.“ Mit ein ganz klein wenig Zwang, anders gehe es nicht.