Hamburg. Anwohner üben Kritik: Am Wiesendamm sollte Bezirksamt gebaut werden, nun ist eine Unterkunft für Geflüchtete und Wohnungslose geplant.
- Am Barmbeker Wiesendamm soll eine Flüchtlingsunterkunft entstehen.
- Ursprünglich war hier der Bau des neuen Bezirksamts Nord geplant.
- Massive Kritik kommt nun von Anwohnern.
Im Umfeld des Wiesendamms in Barmbek-Nord gibt es Widerstand gegen die Pläne der Hamburger Sozialbehörde, dort eine Unterkunft für 396 Flüchtlinge und Wohnungslose zu errichten. Auf der Fläche sollte eigentlich ein Neubau für das Bezirksamt Nord entstehen, doch hohe Baupreise und Zinsen bremsten das Prestigeobjekt aus, die Behörde wird stattdessen in die City Nord ziehen.
Die vorgesehene Nutzungsdauer für den sogenannten „Interimsstandort im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung“ auf dem Grundstück der städtischen Sprinkenhof GmbH ist nach derzeitigem Stand auf fünf Jahre angelegt. Am Donnerstag hat die Sozialbehörde weiterführende Informationen über die neue Unterkunft für Flüchtlinge an die Bezirksversammlung Hamburg-Nord verschickt. Diese hat nun einen Monat Zeit für eine Stellungnahme.
Flüchtlinge in Hamburg: Anwohner kritisieren Bau einer Unterkunft am Wiesendamm
Ingrid Schnackenbeck kritisiert den geplanten Bau der Flüchtlingsunterkunft. „Warum baut man am Wiesendamm nicht ganz normale, bezahlbare Wohnungen?“, fragt die 84-Jährige, die seit 1962 in der Straße Witthof, die vom Wiesendamm abgeht, wohnt. Weil sie inzwischen auf einen Rollator angewiesen ist, würde eine barrierefreie Wohnung in Hamburg ihr Leben sehr erleichtern, sagt sie. Aber bezahlbar müsste sie sein.
Auch Schnackenbecks Tochter Sabine Mücke wohnt im Witthof. Sie sagt: „Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich von den Plänen für eine Flüchtlingsunterkunft gelesen habe.“ Die 55-Jährige lebt im vierten Stock im Nachbarhaus ihrer Mutter und wünscht sich ebenso wie diese, dass die Stadt auch Hamburgerinnen und Hamburger mit kleinerem Budget im Blick habe und für sie preiswerte Wohnungen gebaut würden, beispielsweise auf dem städtischen Grundstück am Wiesendamm.
Wohnen in Barmbek: Anwohner beklagen, dass sie keine bezahlbaren Wohnungen finden
Auch ihre Nachbarn Brigitte und Günter Kraiczi würden gern barrierefrei wohnen und aus ihrer Wohnung in der dritten Etage weiter nach unten ziehen. „Wir haben uns schon bei etlichen Genossenschaften erkundigt, aber da hieß es, es würde niemand mehr aufgenommen“, sagt Brigitte Kraiczi. Die 73-Jährige macht sich Gedanken, wie sie und ihr 75 Jahre alter Mann mit den vielen Treppen zurechtkommen sollen, wenn sie älter werden.
Einhellig beklagen sie und weitere Nachbarn, dass sie es sich nicht leisten könnten, umzuziehen, weil selbst kleinere Wohnungen bei einer Neuanmietung gleich mehrere Hundert Euro teurer wären als ihre derzeitigen.
Hamburger Sozialbehörde nimmt Stellung zu Kritik an Unterkunft für Flüchtlinge
Wolfgang Arnhold, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, sagt zu den Vorwürfen der Anwohner: „Es geht hier um zwei unterschiedliche Zielgruppen. Am Wiesendamm geht es darum, für geflüchtete Menschen Obdach zu schaffen. Natürlich hat der Senat auch den Wohnungsbau im Blick.“ Dafür gebe es das Wohnungsbauprogramm des Senats und den sozialen Wohnungsbau, für den ein neues Förderprogramm aufgelegt worden sei.
Inzwischen sind weitere Einzelheiten zu der neuen Unterkunft bekannt. Auf dem Grundstück am Wiesendamm sollen vier dreigeschossige Modulhäuser entstehen. Außerdem sind Nebengebäude mit bestimmten Funktionsbereichen geplant, etwa ein Waschhaus für Kleidung, eine Werkstatt, Flächen zur Unterbringung von Fahrrädern und Kinderwagen und ein Gemeinschaftshaus.
Am Wiesendamm sind Modulhäuser mit Nebengebäuden geplant
Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen in Zweibettzimmern untergebracht werden. Gemeinschaftsküchen, in denen sie sich selbst versorgen, und Sanitärbereiche sind in jeder Etage geplant. Die Inbetriebnahme der Unterkunft ist für das erste Quartal 2025 geplant.
Eine Baugenehmigung steht noch aus, allerdings laufen schon die ersten vorbereitenden Arbeiten. Aufgrund des großen Bedarfs an Unterkünften sei die schnellstmögliche Errichtung des Standortes zwingend notwendig, heißt es in dem Schreiben an die Bezirksversammlung. „Dadurch überschneidet sich das Verfahren der Anhörung der Bezirksversammlung Hamburg-Nord gemäß Paragraf 28 BezVG mit den ersten Baumaßnahmen am Standort.“
Der Paragraf besagt, dass vor der Entscheidung des Senats oder einer Fachbehörde über die Ansiedlung, Schließung oder wesentliche Veränderung bestimmter Einrichtungen die örtlich zuständige Bezirksversammlung anzuhören ist.
Barmbek-Nord: Anwohner am Wiesendamm sorgen sich vor neuen Nachbarn
Etliche Anwohner beklagen nicht nur, wie schwer es sei, eine bezahlbare barrierefreie Wohnung zu finden, sondern machen sich auch Sorgen, weil sie nicht wissen, wer da in ihrer Nachbarschaft einziehen wird. „Wir hatten hier am Wiesendamm schon mal eine Flüchtlingsunterkunft. Da ist die Polizei ein und aus gegangen“, erinnert sich Günter Kraiczi.
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Seine Frau Brigitte fühlt sich von der Politik gar „hinters Licht geführt“, denn schließlich sei ja der Einzug des Bezirksamtes Nord geplant gewesen und nicht eine Flüchtlingsunterkunft, von deren Planung sie bislang nur aus der Zeitung erfahren hätte. Dass sich noch kein breiter Widerstand formiert hat, führt Sabine Mücke darauf zurück, „dass bisher nur wenige wissen, was hier geplant ist“.