Hamburg. „Pseudarthrose“ nennt sich das Phänomen, von dem jeder fünfte Patient mit einem Bruch betroffen ist. Wie man diese behandelt.
Ein Beinbruch beim Fußball, ein gebrochenes Handgelenk beim Skifahren, eine gebrochene Hüfte nach einem Sturz – Knochenbrüche sind immer unangenehm. Besonders gefährlich wird es aber, wenn die Frakturen schlecht bis gar nicht verheilen. Pseudarthrose („falsches Gelenk“) nennen Mediziner dieses Phänomen, von dem sie sprechen, wenn sich ein Bruchspalt nicht von selbst wieder schließt.
„Rund 700.000 Frakturen, die stationär behandelt werden müssen, verzeichnen wir jedes Jahr in Deutschland. Bei 14.000 Patienten davon heilt der Bruch nicht richtig aus. Klingt erst einmal wenig, hat aber wegen der langwierigen Behandlung und den damit verbundenen hohen Kosten einen enormen Einfluss auf den Betroffenen, aber auch auf uns als Gesellschaft“, sagt Professor Dr. Philipp Mommsen, seit knapp vier Wochen als Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Asklepios Klinikum Harburg in Hamburg beschäftigt.
Krankenhaus Harburg: Knochenbrüche sollten binnen sechs Monaten verheilen
In Deutschland spreche man von einer Pseudarthrose, wenn ein Bruch binnen eines halben Jahres nicht verheilt sei, sagt der habilitierte Mediziner, der in wenigen Wochen zum ersten Mal Vater wird. Doch wie hoch ist eigentlich die Gefahr, dass ein Bruch nicht ganz normal abheilt?
„Es gibt zwei Arten von Risikofaktoren, patientenabhängige und patientenunabhängige“, erklärt der Chefarzt. „Zur ersten Gruppe gehören Nikotin, Alkohol, Mangelernährung. Auch Alter und Osteoporose spielen eine Rolle.“
Unabhängig davon, ob der Betroffene nun rauche, trinke oder zum Beispiel an einem Vitamin-D-Mangel leide, seien die Kernfragen: Welcher Knochen ist gebrochen und wie? Splitterbruch, Trümmerbruch oder eine einfache Fraktur? „Ein einfacher Bruch, das sagt der Name, heilt leichter“, sagt der Experte.
Asklepios-Arzt: Wenn Keime in die Bruchstelle eindringen, wird es gefährlich
Ein Risikofaktor für einen extrem langwierigen Heilungsprozess sei auch eine bakterielle Besiedlung eines offenen Bruchs, sagt der Asklepios-Chefarzt: „Bei offenen Frakturen besteht leider die Gefahr, dass Keime in die Wunde gelangen.“ Bei solch infizierten Brüchen sei eine Operation dann nahezu unumgänglich.
Sollte ein Mangel an Vitamin D oder Kalzium die Ursache der Verzögerung sein, werde dieses Defizit zunächst mit Medikamenten behoben. „Das würde man zunächst auf jeden Fall versuchen; es ist quasi die leichteste Therapie.“
Krankenhaus Hamburg: 3-D-Drucker hilft bei komplizierten Brüchen
Bei operativen Eingriffen werden häufig Eigenknochen, beispielsweise vom Beckenkamm, entnommen und dann an entsprechender Stelle eingesetzt, um den Bruch zur Ausheilung zu bringen. Mittlerweile gebe es jedoch auch viele innovative Ansätze: „Ist aus verschiedenen Gründen die Transplantation von Eigenknochen nicht möglich, so kann man mit künstlich, synthetisch hergestellten Knochenersatzstoffen aus dem 3-D-Drucker arbeiten“ erklärt der Mediziner. „Der technische Fortschritt ist enorm.“
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Nach einer OP brauche der Patient vor allem Geduld: „Die Chancen stehen gut, dass alles heilt, aber es dauert eben. Man muss in regelmäßigen Abständen Röntgenaufnahmen machen lassen, um den Heilungsfortschritt zu evaluieren. Davon hängt ab, wie und ab wann man das betroffene Bein oder den Arm wieder belasten darf.“