Hamburg. Es muss keine Wunde sein: Auch eine Mandelentzündung oder eine Spritze können zur Blutvergiftung führen. Hamburger Arzt klärt auf.

Eine Blutvergiftung stellt man sich als Laie ganz klassisch vor: Es gibt eine Wunde, die sich entzündet, rot wird, wehtut – und dann bildet sich langsam ein roter Strich auf der Haut. Spätestens dann heißt es: ab zum Arzt.

Was aber unterscheidet eine Infektion von einer Sepsis? „Wenn man von einer „Sepsis“ spricht, dann meint das ein Vollbild einer schweren und lebensbedrohlichen Infektion, bei der sich in den meisten Fällen viele Bakterien im Blut angesammelt haben“, sagt Klaus Kopf, Leitender Arzt der Septischen Chirurgie in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie – Wirbelsäulenchirurgie im Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus in Volksdorf.

Sepsis ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland

Was viele Menschen nicht wissen: Sepsis ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Laut Sepsis-Stiftung versterben doppelt so viele Menschen im Krankenhaus an einer Sepsis wie an einem Schlaganfall und einem Herzinfarkt. Darum ist es so wichtig, Sepsisfälle frühzeitig zu erkennen. Doch das ist nicht immer leicht, denn zu einer Sepsis kann es auf vielen verschiedenen Wegen kommen.

podcast-image

In der Septischen Chirurgie sehen Klaus Kopf und sein Team häufig Betroffene mit „hochroten Beinen“, also mit Entzündungen, die aufgrund einer kleinen Verletzung, zum Beispiel durch einen Splitter im Fuß, entstehen. „Wenn Bakterien in die Wunde geraten, kann es zu einer flächigen Entzündung des Beins kommen“, sagt Kopf. Im schlimmsten Fall könnten dann auch Knochen und Gelenke befallen werden – mit der Folge einer schweren Sepsis.

Sepsis: Warum die tödliche Infekton häufig Diabetiker trifft

„Oft kommen Patienten aber auch mit chronischen Wunden, die nicht heilen wollen“, sagt der septische Chirurg. Sehr viele septische Komplikationen seien demnach auf chronische Infektionen zurückzuführen, die sich im weiteren Verlauf ausgeweitet hätten und dann gefährlich werden könnten. Diese Patienten seien in der Regel lange behandlungsbedürftig.

Häufig betreffe das Diabetiker mit infizierten diabetischen Füßen. „Das Problem bei Diabetikern ist, dass durch die schlechte Durchblutung und die Nervenschädigung das Gefühl in den Füßen im Laufe der Jahre nachlässt“, sagt der 47 Jahre alte Experte. Durch diese sogenannte Neuropathie schwinde das Schmerzempfinden, die Patienten bemerkten kleinere Verletzungen und daraus resultierende Infektionen oft zu spät oder gar nicht mehr.

Krankenhaus Hamburg: Nach offenen Brüchen kann es zur Sepsis kommen

Ein weiteres Risiko für eine Sepsis bestehe bei offenen Brüchen – vor allem, wenn zur Stabilisierung der Knochen Platten oder Schrauben eingesetzt werden müssen. „Insbesondere bei offenen Brüchen besteht die Möglichkeit, dass Bakterien mit in die Wunde hineingeraten“, sagt Klaus Kopf. „Das kann dazu führen, dass schwere Komplikationen auftreten – doch das muss nicht immer sofort passieren. Es können auch viele Wochen und Monate vergehen, bis es zu einer Infektion kommt.“

Der Betroffene merke das dadurch, dass der operierte Bereich rot und heiß werde, schmerze und sich manchmal auch Eiter ansammle, der nach außen austrete. Dann müsse natürlich umgehend gehandelt werden.

Sepsis: Auch eine Mandelentzündung kann zur Blutvergiftung führen

Doch auch minimale Eingriffe können theoretisch septische Komplikationen mit sich bringen. So reiche manchmal der Stich einer Nadel, zum Beispiel bei einer Cortison-Injektion in das von Arthrose befallene Knie. „Das wird sehr häufig gemacht, und es geht auch fast immer gut“, sagt der Unfallchirurg. Aber es gebe eben auch den kleinen Anteil an Patienten, bei dem es mal nicht gut gehe. Das betreffe häufiger zum Beispiel Menschen, die bereits an einer Immunschwäche leiden.

Zu schweren Infektionen kann es aber auch durch bakterielle Erkrankungen kommen, zum Beispiel durch einen Harnwegsinfekt, bei dem die Bakterien ins Blut übertreten. Selbst eine Mandelentzündung kann zu einer Sepsis führen.

„Wenn es irgendwo im Körper eine bakterielle Entzündung gibt, besteht im Prinzip immer die Möglichkeit, dass diese über die Blutbahn verschleppt wird“, sagt Kopf. Auch Gelenkinfektionen, die ohne eine äußere Ursache auftreten, seien nicht selten, so der Experte.

Hamburger Arzt: Septische Operationen sind meistens große Operationen

Oft kann eine Infektion mit Antibiotika behandelt werden – doch die Vielzahl an Ursachen lässt schon erahnen, dass das nicht immer ausreichend ist. „Am wichtigsten ist es, den genauen Infektionsherd zu finden und diesen konsequent zu behandeln“, sagt Kopf. Und das heiße in vielen Fällen eben auch, den betroffenen Bereich zu operieren, um die Infektion komplett bekämpfen zu können.

Mehr zum Thema

„Septische Operationen sind meistens große Operationen, weil man sehr radikal operieren muss“, sagt der Experte. „Hierbei muss das infizierte Gewebe komplett entfernt werden.“ Wie umfangreich das sei, hänge immer vom Stadium ab. Ist die Infektion schon weit fortgeschritten, müsse beispielsweise ein infiziertes Gelenk komplett geöffnet, die Gelenkschleimhaut entfernt und Antibiotikum-Träger eingesetzt werden.

Sepsis: Am Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus behandeln Spezialisten

Dass komplette Extremitäten entfernt werden müssen, sei zum Glück sehr selten, so Kopf. „Wir versuchen immer, Extremitäten zu erhalten, und das gelingt in den allermeisten Fällen.“ So werden in der Septischen Chirurgie am Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus auch große Knochendefekte aufgebaut, beispielsweise, wenn bei einer vorangegangenen Operation ein großer Teil des Unterschenkelknochens entfernt werden musste.

Solche Fälle nicht in einer normalen Chirurgie, sondern von darauf spezialisierten Experten zu behandeln, sei natürlich sinnvoll, so Kopf, der täglich im OP steht. Nicht umsonst kämen die Patienten oft von weit her zu ihm und seinem Team nach Volksdorf.

Hamburger Experte: Bei einer Sepsis muss „radikal“ operiert werden

Kopf erinnert sich an Patienten, die schon Dutzende Male auswärtig operiert worden seien, ohne dass ihre Erkrankung enden wollte. Das Problem bei diesen Patienten sei oftmals, so Kopf, dass nicht „radikal genug“ operiert wurde oder dass dem Operateur das geschulte Auge dafür gefehlt habe, welche Bereiche dringend noch hätten entfernt werden müssen.

Vermutlich passt es da gut, dass Kopf schon früh etwas Handwerkliches gelernt hat – bevor er Arzt wurde, hat der gebürtige Münchner eine Ausbildung zum Automechaniker absolviert. „Eigentlich wollte ich Maschinenbau studieren, bin dann aber über den Zivildienst an die Medizin gekommen“, sagt Kopf, dem nach der Zusage für einen Studienplatz in der Medizin sofort klar gewesen sei, dass es die Unfallchirurgie werden müsse. „Das Handwerk macht mir einfach Spaß.“