Hamburg. Wirbelsäulenbrüche bei älteren Patienten treten häufiger auf. Seit den 1990er-Jahren gibt es eine OP. Wann ist diese sinnvoll?
Ein Bruch ist ein Bruch ist ein Bruch. Oder etwa nicht? „Nein, ältere Patienten mit Frakturen müssen anders behandelt werden als beispielsweise ein 30-Jähriger, der sich bei einem Skiunfall an der Wirbelsäule verletzt hat“, sagt Privatdozent Dr. Christian Walter Müller. Der Chefarzt für Orthopädie, Unfallchirurgie, Wirbelsäulenchirurgie und Alterstraumatologie von der Asklepios Klinik Wandsbek sieht mit seinem Team derzeit fast täglich mindestens einen älteren Patienten mit frischem Wirbelkörperbruch. „Das kommt gar nicht so selten vor“, so der habilitierte Mediziner. „Statistisch erleidet jede dritte Frau über 50 irgendwann einen solchen Bruch.“
Wirbelsäulenbruch: Wann ist eine OP sinnvoll?
Grundsätzlich müsse man zunächst zwischen zwei Arten von Brüchen unterscheiden. „Einerseits gibt es die klassischen Altersbrüche, die oft mit Osteoporose, also mit Knochenschwund, zu tun haben. Da reicht manchmal ein Stolpern über den Teppich oder eine falsche Drehung im Bett, und es knackt in der Wirbelsäule.“ Die zweite Kategorie seien die sogenannten Traumabrüche nach einem Sturz mit dem Fahrrad oder eben einem Skiunfall. „Und die derzeitige Großeltern-Generation ist wahnsinnig fit und aktiv. Das heißt, solche Sportunfälle passieren.“ Doch die „Knochenqualität“ dieser Patienten sei naturgemäß eingeschränkt. Und das hat Folgen für die Behandlung.
„Um bei dem Beispiel des 30-Jährigen zu bleiben: Ihn würden wir, wie man das vielleicht kennt, mit Schrauben und Stäben versehen, um die Wirbelsäule wieder in die richtige Position zu schieben“, sagt der gebürtige Kieler, der in Tübingen, Berlin, Innsbruck und Melbourne Medizin studiert und einst in Houston in Amerikas größter Notaufnahme gearbeitet hat. Bei älteren Patienten hielten nun diese Schrauben nicht. „Sie stellen sogar eine Gefahr dar, weil sie sich durch den Knochen schieben und dadurch Schmerzen verursachen könnten.“
Lange wurden Brüche bei Älteren nicht operiert
Jahrzehntelang habe man Patienten mit Altersbrüchen daher so gut wie gar nicht operiert. „Man hat mit Medikamenten den Schmerz gelindert und es manchmal mit Korsetten versucht, aber die haben oft Druckstellen verursacht und sich als unangenehm erwiesen.“ Anfang der 2000er-Jahre sei dann der Durchbruch gekommen, so der Vater von drei Kindern. „Seither gibt es einen minimalinvasiven Eingriff, bei dem Knochenzement in die Wirbelsäule eingebracht wird, der diese von innen wieder in Form bringt und stabilisiert.“
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Der Eingriff mit den kleinen Schnitten dauere gerade einmal etwa 30 Minuten und bringe für den Patienten häufig eine sofortige Linderung der Beschwerden. Doch birgt er auch ein Risiko? „Das Hauptrisiko ist tatsächlich, dass ein bisschen Zement austritt“, sagt der Chefarzt aus Wandsbek, der sich auch in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie engagiert und dort in einer Arbeitsgruppe zu Altersbrüchen der Wirbelsäule aktiv ist. „Dass etwas Zement rausgeht, das passiert auch in bis zu 50 Prozent der Fälle. Gefährlich ist es aber meistens nicht. Doch selbstverständlich müssen wir darauf achten, dass der Zement nicht in die Lunge dringt, wo er beispielsweise eine Embolie verursachen könnte.“
Was kann man tun, um die Knochenqualität zu erhalten?
In aller Regel verlaufen diese Eingriffe also reibungslos. Und kann der Patient danach wieder schnell so aktiv sein wie vor der Operation? „Das ist unser oberstes Ziel, und das erreichen wir meist auch. Aber klar, wer vorher nicht Ski fahren konnte, kann es danach auch nicht“, sagt der Orthopädie lachend. Die „Zementmethode“ als alleiniges Operationsverfahren reiche jedoch bei Traumafrakturen bei älteren Menschen häufig nicht aus. „Dann muss man individuell vorgehen und die Verfahren, also Schrauben und Zement, kombinieren.“
Und was kann man tun, um die Knochenqualität zu erhalten, beziehungsweise um die Knochen im Alter zu stärken? „Älteren Patienten empfehle ich eine Knochendichtemessung, wie sie beispielsweise der niedergelassene Orthopädie durchführt. Danach weiß man, wie es um die Knochen steht.“ Prophylaktisch sei Vitamin D wichtig. „Denn leider ist es ja so, dass wir hier im Norden nicht die meiste Sonne abbekommen.“