Hamburg. Viele Menschen über 50 Jahren leben damit, die meisten wissen aber nichts von dem Aneurysma. Hamburger Chefarzt erklärt neue Techniken.
Drei Prozent der Deutschen, die über 50 Jahre alt sind, leben mit einem sogenannten Aneurysma im Kopf. Die meisten Betroffenen wissen davon gar nichts, die wenigsten haben Symptome. „Doch wenn ein solches Aneurysma – eine Ausbuchtung an einem Blutgefäß im Gehirn – reißt oder platzt, dann wird es lebensgefährlich“, sagt der Hamburger Professor Dr. Bernd Eckert, Chefarzt für Neuroradiologie an der Asklepios Klinik Altona.
Denn wenn es zu einem Einriss der Arterienwand im Gehirn komme, blute es ins Gehirnwasser und dies sei eine große Gefahr. Doch spürt der Betroffene die dann auch? „Unbedingt“, sagt der habilitierte Mediziner. „Sie verspüren einen Kopfschmerz, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt haben. Er strahlt heftig in den Nacken aus und zwingt sie quasi in die Knie. Zudem werden sie extrem lichtempfindlich.“ Bei diesen Symptomen sollte zeitnah ein Arzt aufgesucht werden.
Aneurysma im Gehirn ist meistens ein „Zufallsbefund“
In den allermeisten Fällen sei ein Aneurysma aber ein „Zufallsbefund“: „Die Patienten haben oft aus ganz anderen Gründen eine Kernspintomografie machen lassen, und dabei war das Aneurysma quasi Beifang.“ Die Sorge sei dann nachvollziehbarerweise groß, viele Betroffene seien extrem verunsichert durch die vermeintlich „tickende Zeitbombe im Gehirn“.
„Dann muss man erst einmal beruhigen und sachlich aufklären“, sagt der Neuroradiologe. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Aneurysma anfange zu bluten, liege im kleinen Prozentbereich. „Und falls es passiert, geschieht das nicht am nächsten Tag und auch nicht übermorgen. Man hat also etwas Zeit.“
Aneurysma im Gehirn: Menschen mit Bluthochdruck und Raucher sind gefährdeter
Mit einer katheterbasierten Angiografie, also durch die gezielte Darstellung des Aneurysmas und der benachbarten Blutgefäße, könnten sich Spezialisten das jeweilige Aneurysma genau ansehen. „Früher wurde für diese Untersuchung die Leiste punktiert, heute ist es in der Regel ein ambulanter Eingriff über die Handarterie“, sagt Professor Eckert. Die Kernfrage, von der die Art der Behandlung dann abhängt, lautet: Wie hoch ist das Risiko einer Blutung in den kommenden Jahren oder nächsten Jahrzehnten? Kann man abwarten und beobachten – oder muss man eingreifen?
Dieses Blutungsrisiko hänge von der Größe des Aneurysmas ab, von der Lokalisation und von der individuellen Konstitution des Patienten: „Menschen mit Bluthochdruck und Raucher sind gefährdeter. Auch starker Alkoholkonsum erhöht das Risiko einer potenziellen Blutung.“
Aneurysma im Gehirn wird in der Regel mit Platinspiralen verschlossen
Selbstverständlich spiele auch das Alter des Patienten eine Rolle: „Bei einem 80-Jährigen ist das Risiko einer Behandlung höher als das Blutungsrisiko, während man einen 30-Jährigen sicherlich in der Regel behandeln würde“, sagt der Hamburger Chefarzt. Mit einem Aneurysma, von dem ein geringes Blutungsrisiko ausgehe, könne man weiterleben: „Sie dürfen alles machen, auch fliegen. Das ist nämlich die häufigste Frage. Wichtig ist, dass man die Entwicklung der Ausbeulung beobachtet und die Kontrolluntersuchungen in der Kernspintomografie wahrnimmt.“
Doch wie wird therapiert, sofern nötig? „Bis in die 1990er-Jahre war das primär Sache der Neurochirurgen, die über eine Schädelöffnung das Aneurysma mit einer Klemme geklippt haben. Mittlerweile werden jedoch 70 bis 80 Prozent der Patienten minimalinvasiv durch das sogenannte Coiling versorgt, das wir Neuroradiologen durchführen“, erklärt der Experte. Dabei werde das Aneurysma im Gehirn bei einem Zugang über die Leistenarterie oder die Handarterie von innen über verschiedene winzige Katheter zielgenau erreicht und mit Platinspiralen (englisch „coils“) verschlossen.
Hamburger Chefarzt: Nach Aneurysma-Behandlung unbedingt Nachsorge wahrnehmen
„Dieser Eingriff, der in der Regel zwischen 60 und 90 Minuten dauert, ist schonender und vor allem komplikationsärmer, wie Studien zeigen“, sagt der Chefarzt aus Altona. Dort werde das Verfahren jedes Jahr rund 100-mal eingesetzt. Mittlerweile gebe es zudem neue Techniken: „Da tut sich derzeit viel, wir verschließen die Aneurysmen teils auch mit kleinen Körbchen aus Metall.“ Grundsätzlich werde der Behandlungsplan aber immer mit den Kollegen aus der Neurochirurgie entwickelt und mit dem Patienten ausführlich besprochen.
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Wurde das Aneurysma erfolgreich verschlossen, so gilt der Patient als geheilt. „Jedoch gibt es immer ein kleines Risiko, dass sich ein sogenanntes Rezidiv bildet“, sagt der Experte. „Deshalb ist die Nachsorge unverzichtbar. Jeder Betroffene sollte seine Kontrolltermine wahrnehmen.“