Hamburg. Kardiologe Tilman Dörken weiß, wie viel Bewegung gut fürs Herz ist. Warum er vor seinen Patienten gern Franz Beckenbauer zitiert.

Ein 25-jähriger Läufer bricht am Dammtor zusammen, stirbt später im Krankenhaus. Dieser tragische Todesfall beim diesjährigen Hamburg Marathon wirft Fragen auf: War der junge Mann vorerkrankt – womöglich, ohne selbst davon zu wissen? Wie gesund ist es überhaupt, 42 Kilometer (auf Zeit) zu laufen? Und wie steht es eigentlich um die eigene Gesundheit, das eigene Herz?

„Zum Glück passieren solche Tragödien sehr, sehr selten und natürlich muss man aufklären, was genau passiert ist. Aber ein Marathonlauf ist immer eine sehr große Belastung für den menschlichen Körper. Insbesondere, wenn man sich dann womöglich noch ehrgeizige Ziele steckt und die Strecke in persönlicher Bestzeit schaffen will“, sagt Tilman Dörken, Ärztlicher Leiter des Facharztzentrums Kampnagel, das zu Asklepios gehört.

Hamburger Arzt: Marathon bedarf Vorbereitung über mehrere Monate

„Was auch niemals eine gute Idee ist, ist eine Wette in Bierlaune. Nach dem Motto: Nächste Woche ist Marathon oder Triathlon oder was auch immer, und da mache ich mit. So eine sportliche Höchstleistung bedarf behutsamer, monatelanger Vorbereitung“, sagt der Internist und Kardiologe.

Er rät dazu, sich einige Monate vor Trainingsbeginn für ein Großereignis oder auch nach jahrelanger Sportpause von einem Arzt durchchecken zu lassen: „Wir schauen dann zusammen, ob es Risikofaktoren gibt wie Vorerkrankungen oder auch Herzinfarkte oder Schlaganfälle in der Familie.“

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Liege beispielsweise eine genetische Veranlagung für eine Fettstoffwechselstörung mit erhöhtem Cholesterinspiegel vor, könnten sich die Gefäße schon mit Mitte 30 unbemerkt verändern. „Wir sind jung, joggen ein bisschen, haben keine Beschwerden. Aber unter der Maximalbelastung eines Marathons spüren wir dann womöglich plötzlich ganz ungeahnten Schmerz.“

Asklepios-Herzexperte: Nicht auskurierte Infekte sind eine große Gefahr

Überhaupt seien es „red flags“, also Warnsignale, wenn die Brust unter Belastung schmerze, wenn es hinter dem Brustbein drücke, in den linken Arm oder Hals ziehe und zwischen den Schulterblättern oder auch im Unterkiefer wehtue. „Wenn das während des Trainings auftritt, dann bitte umgehend aufhören und sofort einen Arzt aufsuchen“, sagt der erfahrene Mediziner.

Tragischer Zwischenfall beim Hamburg Marathon im April 2024: Bei dem Lauf kollabierte ein Teilnehmer und starb wenig später.
Tragischer Zwischenfall beim Hamburg Marathon im April 2024: Bei dem Lauf kollabierte ein Teilnehmer und starb wenig später. © WITTERS | FrankPeters

Eine oft unterschätzte Gefahr seien auch nicht auskurierte Infekte: „Nicht trainieren bei Schnupfen, Erkältung oder gar mit Fieber. Da ist eine mehrtägige Pause dringend geboten, sonst kann es gefährlich werden fürs Herz.“

Marathon: Gesünder ist es, zweimal die Woche fünf Kilometer zu laufen

Doch ist ein Marathonlauf überhaupt gesund? „Wer mit Freude mal an einem solchen Event teilnimmt und sich gut vorbereitet hat, für den ist das zweifelsohne eine unvergessliche Erfahrung. Aber tatsächlich gesünder ist es, zweimal in der Woche fünf Kilometer zu joggen. Wichtig ist, sich regelmäßig im Alltag zu bewegen“, sagt der Herzspezialist.

Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeige sogar, dass Menschen, die regelmäßig Marathon laufen, mehr Verkalkungen an den Herzkranzgefäßen haben als Nicht-Läufer. „Die Ursache ist noch nicht final geklärt, aber womöglich hängt es mit der überaus hohen Belastung wiederholter Läufe zusammen.“

Hamburger Kardiologe: Laufen bis zum Schnaufen ist ein gutes Trainingsmotto

Er zitiere vor seinen Patienten gern Franz Beckenbauer: „Geht‘s raus und spielt‘s!“ Es gehe nicht um Höchstleistungen: „Zieht eure möglichst guten und passenden Laufschuhe an, geht zügig um den Block, gern mit einem Partner, Freund oder Kollegen, der einen motiviert.“ Gut fürs Herz sei, „leicht ins Atmen zu kommen“. „Laufen bis zum Schnaufen, das ist das Motto“, sagt der sportbegeisterte Mediziner. „Sie sollten sich beim Training noch unterhalten können, also mindestens in einfachen Hauptsätzen.“

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Warum ist Bewegung überhaupt so gut fürs Herz und damit für die Gesundheit? „Wenn das Herz gefordert wird, schlägt es schneller. Mit regelmäßigem Sport trainieren wir es, sodass es ökonomischer arbeitet. Wir werden also insgesamt leistungsfähiger und belastbarer.“

Auch Patienten mit Herzschwäche, also beispielsweise mit Vorhofflimmern, sollten sich bewegen: „Früher dachte man: Vorsicht, nicht rühren! Quatsch. Heute wissen wir, dass körperliche Aktivität den Zustand verbessert.“ Wichtig sei, mit dem Arzt zu beraten, welche Sportart und welche Belastung förderlich seien.

Hamburg Marathon: Fitnessuhren können Vorhofflimmern präzise wahrnehmen

Durchaus hilfreich seien die mittlerweile weit verbreiteten Fitnessuhren. „Viele dieser Watches können beispielsweise Vorhofflimmern sehr präzise wahrnehmen“, sagt der Kardiologe. „Beim Blutdruck würde ich mich allerdings nicht auf die Geräte verlassen, die Werte stimmen nicht immer.“

Die häufigsten Fehler von Hobbysportlern seien nicht auskurierte Infekte sowie falsche Kleidung/Schuhe. „Und der Fehler Nummer eins lautet: Zu viel zu schnell zu wollen“, sagt der Mediziner. Deshalb rate er: „Immer aufs Herz hören. Das sollten wir im Leben ohnehin viel häufiger tun.“