Hamburg. 25-jähriger Läufer kollabiert kurz vor Ziel. Zuschauer starten Wiederbelebung. Jetzt wird Kritik an Feuerwehr und DRK laut.
- Der 38. Haspa Marathon in Hamburg wurde von einem Todesfall überschattet
- Am 28. April 2024 starb ein Läufer, nachdem er kurz vor dem Ziel kollabierte
- Später übten Ersthelfer Kritik an Veranstalter, Rettungskräften und Polizei
Es war wieder ein großes Volksfest, rund 300.000 Menschen feuerten am Sonntag, 28. April, an Elbe und Alster die 22.000 Läuferinnen und Läufer des 38. Haspa Marathons an. Ein Ereignis wirft jedoch einen Schatten auf diesen Lauf der Superlative: Am Montag war bekannt geworden, dass ein Teilnehmer die körperlichen Strapazen des Rennens über 42,195 Kilometer nicht überlebt hat.
Der 25-Jährige aus dem Landkreis Rostock war bei Kilometer 40,5 unmittelbar vor dem Cinemaxx-Kino am Dammtorbahnhof kollabiert. Nachdem zunächst Ersthelfer und später dann Sanitäter versucht hatten, ihn wiederzubeleben, wurde er unter Reanimationsbedingungen in ein Krankenhaus eingeliefert.
Hamburg Marathon 2024: Nach Todesfall – Zeugen kritisieren Rettungsdienst scharf
Laut Feuerwehr starb der junge Mann in der Klinik. Ob er Vorerkrankungen hatte, ist bisher nicht bekannt. Das Landeskriminalamt 41 übernahm die Ermittlungen. Nach Abendblatt-Informationen soll eine Obduktion nun Aufschluss darüber bringen, was zum Tod des 25-Jährigen geführt hat. Diese hat jedoch noch nicht stattgefunden.
Unterdessen wurde auch Kritik an den Rettungskräften laut. Benjamin Papirow, einer der Ersthelfer, meldete sich am Montag beim Abendblatt und beschrieb detailliert, wie sich der tragische Vorfall aus seiner Perspektive zugetragen hat. Am schwersten wiegt dabei der Vorwurf, dass zu viel Zeit verstrichen sei, bis die ersten Einsatzkräfte vor Ort eingetroffen seien: Etwa 15 Minuten habe es gedauert, bis die Profis vom DRK die Reanimation übernommen hätten, behauptet Papirow.
Unglück bei Marathon: Mindestens fünf Ersthelfer kämpfen um Leben des Mannes
Er habe am Streckenrand gestanden, um zwei Freunde anzufeuern, die ebenfalls bei dem Marathon mitliefen, sagt Papirow. Plötzlich sei der Mann vor seinen Füßen zusammengebrochen. Zunächst habe Papirow geglaubt, ihm fehle einfach nur Energie. Doch dann sei schnell klar geworden: Die Lage ist ernst.
Er sei zu einem geparkten Streifenwagen gerannt, habe den Beamten, die darin saßen, von dem Vorfall berichtet. Dann sei Papirow sofort umgedreht und zurückgelaufen. Dort hätten sich in der Zwischenzeit drei Frauen um den Zusammengebrochenen gekümmert – eine davon sei Polizistin gewesen, die anderen beiden Zuschauerinnen. Neben Papirow kam dann noch ein weiterer Mann dazu. Dann hätten sie auf die Sanitäter gewartet, sich immer wieder bei der Herzdruckmassage abgewechselt. Und das quälend lange, so der Eindruck des Ersthelfers.
Hamburg Marathon: Zeugin des Notfalls grenzt mithilfe von Tracking-Daten den Zeitraum ein
Ähnliches berichteten auch weitere Beteiligte, ihre Aussagen liegen dem Abendblatt vor. Eine von ihnen ist Franziska Gottstein. Sie stand an der Straße und versuchte zusammen mit anderen Zuschauern, die Reanimationsszenen abzuschirmen. Im Nachgang gelang es ihr, mithilfe von Trackingdaten ihrer Angehörigen den Zeitraum etwas einzugrenzen, sagt sie.
Ein Kollege soll demnach laut Marathon-Datenbank um 13.42 Uhr die 40-Kilometer-Marke passiert haben, die dort in der unmittelbaren Nähe war. Kurz darauf sei der 25-Jährige direkt vor ihr und Papirow zusammengebrochen. Als um 13.52 Uhr ein weiterer Bekannter diese Streckenmarke durchlief, also knappe zehn Minuten später, seien noch keine Sanitäter vor Ort gewesen, sagt Gottstein.
Rettungswagen bringt Patienten in Begleitung eines Notarztes in eine Klinik
Dass es vom Notruf bis zum Eintreffen der Retter eine Viertelstunde dauerte, dementierte Feuerwehrsprecher Philipp Baumann entschieden. Die „tatsächliche“ Zeit liege „fernab dieser 15 Minuten“, erklärte er. Die genauen Zeiten seien zwar bekannt, man habe sich jedoch mit allen beteiligten Organisationen abgesprochen, diese nicht an die Öffentlichkeit zu geben.
Im Gegenteil: Die Einsatzkräfte seien zügig nach der Alarmierung vor Ort gewesen, und zwar mit einem Automatisierten Externen Defibrilator (AED). Baumann: „Durch den schnellen Eingriff des Sanitätsdienstes, der sich in der unmittelbaren Nähe befunden hat, konnte dieser Herz-Kreislauf-Stillstand auf ein Minimum begrenzt werden.“ Was zu dieser Differenz zwischen den Zeitangaben führt, ist vorerst unklar.
Neben dem Sanitätsteam war auch die Besatzung eines Rettungswagens an dem Einsatz beteilig, sowie ein Notarzt. Dieser begleitete auch den Transport des Notfallpatienten in die Klinik.
Die Organisatoren des Hamburg Marathons wollten auf Anraten ihrer Anwälte keine Stellungnahme zu dem tragischen Vorfall abgeben.
Der Hauptsponsor des Laufes, die Hamburger Sparkasse, hat in der Zwischenzeit ein Spendenkonto eingerichtet und 5000 Euro darauf eingezahlt. Wer die Hinterbliebenen des jungen Mannes finanziell unterstützen möchte, kann unter dem Stichwort „Haspa Marathon Hamburg 2024 – Unterstützung Familie des verstorbenen Läufers“ auf folgendes Konto spenden:
Kontonummer: DE40 2005 0550 1502 40 1563
Hamburger Marathon: Drei Todesfälle in 38 Jahren
Es ist der dritte Tote in der 38-jährigen Geschichte des Hamburger Laufs. 2002 brach der 19 Jahre alte Malte O. 200 Meter vor dem Ziel am Fernsehturm zusammen und starb kurz darauf. Im Jahr 1987 kam der 37-jährige Hans Hägele zu Tode – ihm zu Ehren und zur Unterstützung seiner Hinterbliebenen veranstaltete seine LG Niendorf bis 2013 jährlich einen Spendenlauf durchs Niendorfer Gehege. 2018 mussten zwei Läufer beim Hamburg Marathon reanimiert werden. Sie überlebten.
Deutscher Leichtathletikverband bietet Hilfen an
Die Marathon Hamburg Veranstaltungs GmbH zahlt wie andere Laufveranstalter in einen Härtefonds des Deutschen Leichtathletik-Verbands ein, aus dem bei Todesfällen die Hinterbliebenen finanziell mit einer kleinen vierstelligen Summe unterstützt werden können. Voraussetzung ist eine Vereinsmitgliedschaft.
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Häufige Ursache für Todesfälle bei Laufveranstaltungen sind unerkannte Herzerkrankungen. Mediziner raten vor dem ersten Marathon zu einem umfassenden Gesundheitscheck, am besten bei einem Internisten oder Kardiologen. In einigen europäischen Ländern muss Marathon- oder Extremsport-Organisatoren ein entsprechender Nachweis vorlegt werden, in Deutschland nicht.
Viele Marathon-Veranstalter verlangen „Paps-Test“
Die Veranstalter hierzulande verlangen aber, in zwei bis drei Minuten einen „Persönlichen Aktivitäts- und Präventions-Screening-Test“ (Paps-Test) auszufüllen. Eine Auswertung – damit die Zulassung oder Nicht-Zulassung zu dem Event – gibt es am Ende des Fragebogens.
In Hamburg herrschten am Sonntag zur Mittagszeit, als sich das tragische Unglück ereignete, Temperaturen um die 20 Grad Celsius. Die Folge: Mehr Läufer und Läuferinnen als im kühleren Vorjahr litten unter Kreislaufproblemen, Flüssigkeitsmangel und starker Erschöpfung. Es kam zu rund 500 Einsätzen der Rettungsdienste, 2023 waren es nur 300.