Hamburg. Wie die Marathon-Läuferin es schaffte, Long Covid zu besiegen und weiterzumachen. In Hamburg will sie die Bestzeit ihrer Mutter toppen.
Was, wenn der Körper plötzlich nicht mehr so funktioniert, wie man es gewohnt ist? Wenn plötzlich das Vertraute zerfließt, und auch die Psyche darunter leidet? Katharina Steinruck ist Profiläuferin. Die 34-Jährige gewann am 4. März in Leverkusen die deutsche Meisterschaft über zehn Kilometer und ist im Januar im japanischen Osaka ihre Marathonbestzeit von 2:24:56 Stunden gelaufen. Ihre Mutter Katrin Dörre-Heinig (62) ist eine der besten deutschen Marathonläuferinnen aller Zeiten, ihr Vater Wolfgang Heinig (73) ehemaliger Marathon-Bundestrainer.
Auch wenn Steinruck das Laufen quasi in die Wiege gelegt wurde: Dass sie am Sonntag (9.30 Uhr / NDR) beim 38. Haspa-Marathon in Hamburg an den Start geht, ist alles andere als selbstverständlich. Im vergangenen Sommer ereilte sie die Diagnose Long Covid. Wie sie die Krankheit überwinden konnte, und was nun ihre Ziele für den hanseatischen 42,195 Kilometer langen Lauf sind, das verrät sie Abendblatt-Interview.
Hamburger Abendblatt: Frau Steinruck, was ist für Sie das Besondere am Marathonlaufen?
Katharina Steinruck: Gute Frage (lacht). Im Vorfeld frage ich mich immer, warum ich mir das antue. Marathonlaufen ist im Grunde eine riesengroße Party: Du startest mit tausenden Menschen zusammen an der Startlinie. Alle, die teilnehmen – egal ob zeitlich vor oder nach dir – laufen die gleiche Strecke und können genau nachvollziehen, was an diesem Tag passiert. Marathon ist nicht nur körperliche Fitness, sondern auch Kopfsache: Am Ende siegt der, der mental stärker ist. Man kann nicht richtig taktieren: auch wenn man sich eine bestimmte Pace vornimmt kann es sein, dass du auf den letzten Kilometern überholt wirst. Der Marathon hat seine eigenen Gesetze.
Der Marathon in Hamburg rückt immer näher. Haben SIe eine Strategie oder bestimmte Rituale, um die Aufregung zu drücken?
Ablenkung ist immer gut. Ich lese viel, und höre Hörspiele – am liebsten Bibi und Tina (lacht). Mein Mann und ich spielen auch sehr gerne Brettspiele, die wir dann mitnehmen. Jetzt gerade spielen wir auch (wechselt die Handykamera, auf dem Tisch vor ihr sind bunte Karten zu sehen). Gerade spielen wir Dorfromantik – ein Strategiespiel bei welchem man zusammen, gegen das Spiel spielt - so ähnlich wie Carcassonne.
Sie hatten mit Long Covid zu kämpfen. Wie haben Sie es – körperlich und mental – geschafft, da herauszukommen?
Ich habe im Sommer 2023 die Diagnose bekommen. Ab dem Zeitpunkt hatte ich endlich etwas, mit dem ich arbeiten konnte: davor hing ich in der Luft, habe an mir und eigentlich an allem gezweifelt. „Das war’s, jetzt hör ich auf“, war ein Gedanke, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte. Das Team, dass sich um mich gekümmert hat, war mir gegenüber immer ehrlich – es konnte mir nicht sagen, wie schnell sie mich wieder gesund bekommen. Da ging es auch gar nicht darum, wieder Marathons zu laufen – sondern ob ich generell wieder gesund werde. In der Zeit vor der Diagnose hatte ich echt eine beschissene Zeit. Nicht nur wegen des Sportlichen auch familiär hatten wir eine schwierige Phase. Ich habe mit einer Mentaltrainerin zusammengearbeitet, die ich schon viele Jahre lang kenne. Sie ist immer für mich da, wenn ich sie brauche. Sie hat mir klargemacht, dass ich aus der Spirale, in der ich stecke, herausmuss. Ich bin geradewegs in ein Burnout hereingerutscht. Die Diagnose, aber auch meine Freunde und Familie, die mich aushalten mussten (lacht) , haben mir sehr geholfen.
Sie haben in Osaka im Januar die Qualifikation zu den Olympischen Spielen sehr knapp verpasst – war das für Sie ein Rückschlag?
Ich habe im Vorfeld gar nicht damit gerechnet auf diesen Olympia-Zug aufspringen zu können, geschweige denn mich dafür zu empfehlen. In Osaka sagte ich mir nur: Renn für dich. Ich habe bei dem Lauf versucht, mich für jeden Kilometer zu feiern, und für jede Läuferin, die ich überhole. Einfach weitermachen. Ich wusste nicht, ob ich ins Ziel komme, weil ich nicht wusste, ob das mein Körper schon schafft. Im Endeffekt bin ich Bestzeit gelaufen und in einem mega-starken Rennen sechste geworden. Das ist etwas, dass nur sehr wenige Athletinnen schaffen und nur sehr Wenige genießen können. Das hat mich auch mental wieder unglaublich gestärkt davon kann ich nach wie vor zehren. Außerdem habe ich gezeigt, dass ich in den Bundeskader gehöre. Alles, was jetzt kommt, ist Zusatz - auch der Marathon in Hamburg. Aber ich freue mich riesig auf das Event: Ich bin 2013 und 2014 schonmal mitgelaufen – jedes Mal Bestzeit.
Gibt es eine bestimmte Kilometerzahl, bei welcher Sie ein sogenanntes „Down“ spüren?
Das ist sehr unterschiedlich. Bei meinen besten Rennen hatte ich bei Kilometer Elf einen extremen Hänger. Und zwar körperlich: Ich hatte plötzlich hohen Puls, habe schwer geatmet, war überhaupt nicht mehr im Rhythmus. Das war klar Kopfsache: da habe ich mir gesagt: Katha, einatmen, ausatmen, guck dir die Stadt an. Und das war dann mein Mantra für den ganzen Lauf: Gucken und genießen. Nach einem Kilometer war das wieder vorbei. Bei diesem Lauf, das war der Berlin Marathon 2016, bin ich neue Bestzeit gelaufen.
Sie wollen den Familienrekord in Hamburg knacken: Ihre Mutter lief 1999 bei ihrem zweiten Sieg in Hamburg mit 2:24:35 Stunden damals deutschen Rekord. Ihre Bestzeit sind 2:24:56 Stunden. Schaffen Sie es?
Es ist schwierig, mit Wahrscheinlichkeiten zu rechnen – beim Marathon kann viel passieren. Mir fehlen 22 Sekunden zum Familienrekord. Das ist nicht viel – das kann man im Rennen superschnell rauslaufen, aber wenn die Bedingungen wie Wetter oder ähnliches schlecht sind, kann man die Sekunde auch in den letzten zwei Kilometern noch verlieren. Die Halbmarathon-Marke (21,0975km) peile ich an in einer Zeit von 71.45 bis 72 Minuten zu laufen. Das wäre eine Endzeit von 02:23:30 und 02:24 Stunden - und damit eine Minute unter der Zeit von meiner Mama. Da hätte ich noch einen Puffer.
Werden Sie von Ihrer Familie darin unterstützt, dass Sie den Rekord Ihrer Mutter toppen wollen? Oder ist da auch ein bisschen Konkurrenz im Spiel?
Nein. Wir machen uns unseren Spaß daraus – wer wo die schnellsten Zeiten stehen hat - aber meine Mama sagt immer: es wird Zeit, dass ich ihre Rekorde endlich schlage. Sie war damals eine Vorreiterin im Leistungssport des Marathons. Sie freut sich, wenn ich es schaffe, und sie trainiert mich dahin, dass ich es schaffen kann. Da ist keine Konkurrenz. Früher wurden wir ständig miteinander verglichen, aber das ist inzwischen überhaupt nicht mehr der Fall. Wir haben klargestellt, dass ich nie in ihre Fußstapfen treten wollte, weil ich meine eigenen machen möchte. Natürlich werden in Hamburg alle darauf schauen, ob ich es schaffen werde. Aber auch wenn das nicht der Fall ist, dann hatte ich trotzdem ein großartiges Rennen und kann mit Stolz sagen, dass ich seit vielen Jahren auf sehr hohem Niveau laufe. Das muss mir erstmal einer nachmachen.
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Haben Sie schon einen Plan für den Abend nach dem Marathon, als Belohnung? Vielleicht was Leckeres zu essen?
Noch mache ich meine Saltin-Diät. Das ist eine reine Eiweißfett-Diät, das heißt Kohlenhydrate werden komplett weggelassen. Das plane ich in der ersten Woche vor dem Marathon ein, zwischen zwei intensiveren Einheiten gesteckt, um die Zellen leer zu machen. Dann sind sie frei von jeglichem Zucker – und können dann mit gutem Maltodextrin wieder aufgefüllt werden. Das soll auf den letzten Kilometern nochmal so den Kick geben. Ich mache das jetzt schon seit 14 Jahren so und fahre damit ganz gut: Never change your running system. Am Sonntag werde ich dann den Fisch in Hamburg genießen, natürlich auf dem Fischmarkt.
Gibt es einen besonderen Streckenabschnitt in Hamburg, auf den Sie sich besonders freuen?
Ja, wenn ich auf den roten Teppich zum Ziellauf einbiege.