Hamburg. Der Traditionsbetrieb in Hoheluft-Ost muss aufgeben. Der junge Firmenchef begründet das Ende auch mit sehr persönlichen Gründen.
- Juniorchef musste nach dem plötzlichen Tod von Jan-Hermann Harms übernehmen
- Er beklagt die zunehmende Zahl von Vegetariern und Veganern in Eppendorf
- Vor dem Pfingswochenende graut auch seiner Mutter Martina
In den Regalen stehen noch Gläser mit Eingemachtem: Es gibt Hühnersuppe, Rinderrouladen, Königsberger Klopse, Gulaschsuppe, Bolognese und noch viel mehr. Doch wer auf den typischen Geschmack aus der Fleischerei Harms in Hoheluft-Ost auch über den Mai hinaus nicht verzichten will, muss sich beeilen.
Denn der Familienbetrieb schließt am 15. Mai 2024 für immer. Damit folgt Familie Harms vielen Kollegen derzeit in Hamburg. So zum Beispiel den Brüdern der Fleischerei Jacob am Weidenstieg, die ebenfalls vor wenigen Monaten aufgaben. Oder die Traditionsschlachterei Hans Wagner an der Osterstraße in Eimsbüttel, in deren Räume nun ein Yoga-Studio zieht.
Hamburg-Hoheluft-Ost: Traditionsfleischerei Harms gibt es seit 1976 am Lehmweg
Jan-Jakob Harms hatte den Laden am Lehmweg vor 48 Jahren eröffnet und von 1976 bis 2005 geleitet, sagt sein Enkel Timo Harms. Danach habe sein Vater Jan-Hermann Harms die Fleischerei weitergeführt. Nach dessen plötzlichem Tod im November 2022 übernahm Timo Harms, ebenfalls ausgebildeter Fleischermeister, den traditionellen Laden mit den originalen Fliesen von 1904.
Den Harmsschen Familienbetrieb gibt es bereits seit 1924, gegründet wurde dieser im Alten Land in Estebrügge, zischenzeitlich gab es ein Geschäft am Eppendorfer Weg.
Fleischerei Harms: Kunden essen weniger Fleisch
Der 32 Jahre alte Timo Harms hatte mit seiner Frau zunächst einen etwas anderen Weg eingeschlagen und Lottchens Liebe gegründet, ein Unternehmen für Hundefutter. Über die Jahre hat er aber auch immer im Laden seiner Eltern mitgeholfen. Seine Mutter Martina hat sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen, hilft ihrem Sohn aber damit, dass sie regelmäßig Mittagessen in der kleinen Küche im hinteren Bereich des Geschäfts für die kleine Belegschaft kocht. „Ich mache das auch als moralische Unterstützung“, sagt sie.
Timo Harms hatte plötzlich zwei Unternehmen parallel zu führen. Er habe Lottchens Liebe daher im vergangenen Jahr verkauft. Dafür, dass er jetzt auch den Familienbetrieb aufgibt, gebe es viele Gründe, sagt Timo Harms. Ein Grund sei der Trend zu vegetarischer und veganer Ernährung. „Meine Kunden kaufen nicht mehr so häufig wie früher, und neue Kunden kommen nicht dazu.“ Das Geschäft lohne sich nicht mehr ausreichend. „Viele kaufen nur Aufschnitt, kein Fleisch, man hat viele Kleinbeträge.“
Fleischerei Harms: Anwohnerparken sorgte für Kundenrückgang
Der große Knick sei von 2021 auf 2022 erfolgt. Während in der ersten Zeit der Pandemie das Geschäft sehr gut gewesen sei, habe es danach stark nachgelassen. Im vergangenen Jahr habe er einen Kundenrückgang um 30 bis 40 Prozent zu beklagen, sagt der 32-Jährige. Was weiterhin gut funktioniere, seien die Convenience-Produkte, die in Gläser abgefüllt werden. Mittagstisch habe er nicht anbieten können, weil er keine Tische aufstellen durfte.
Durch das Anwohnerparken sei es für viele Menschen, die nicht zu Fuß oder mit dem Rad kommen könnten, sehr schwierig geworden, ihr Fahrzeug abzustellen. „Wer in zweiter Reihe parkt, bekommt sofort einen Strafzettel“, sagt der Fleischer.
Jan Harms nennt auch sehr private Gründe für Schließung der Fleischerei
Das Team für Verkauf und Produktion in der Fleischerei ist klein, inklusive Chef sind es fünf Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin fällt bereits seit Längerem aus. „Das bedeutet mehr Einsatz meinerseits. Es ist viel Verwaltung dabei“, sagt der junge Unternehmer. Das habe wenig Zeit gelassen für die Planung weiterer Schritte hin Richtung Feinkostgeschäft.
Noch jemanden einzustellen, dafür werfe das Geschäft nicht mehr genug ab – ganz abgesehen davon, dass Personal schwer zu finden sei. Die hohe Arbeitsbelastung ist nun auch ein Grund für die Schließung. Er lebe in Scheidung und habe drei Kinder, um die er sich kümmern wolle und müsse, so Timo Harms.
Vor ein paar Wochen hätten sie angefangen, die Stammkunden persönlich zu informieren, sagt Timo Harms. „Die meisten wollten es nicht glauben, einige waren geschockt, aber verständnisvoll. Sie haben ein Recht, meine Beweggründe zu kennen, viele kenne ich schon sehr lang.“ In der Auslage unter der roten Markise hängt darüber hinaus ein Schreiben, in dem er sich bei den Kunden bedankt und die Schließung ankündigt.
Fleischerei Harms produziert noch, damit Kunden auf Vorrat kaufen können
Seine Mutter sagt, ein Geschäft wie diese Fleischerei sei nur als Ehepaar zu bewerkstelligen, denn es fordere viel Zeit. Für ihren Mann und sie habe das funktioniert. Für ihren Sohn allein sei das schwer gewesen.
In der vergangenen Woche wurde noch fleißig Nachschub produziert. Nun wird bis zum Pfingstwochenende verkauft, was da ist. „Viele Leute werden sich noch eindecken“, sagt Martina Harms. „Einige haben gesagt, sie wollen sich noch eine zweite Kühltruhe kaufen, um sich einen Vorrat anzulegen.“ Denn beliebte Würste wie die hausgemachten Käskrainer oder Salsiccia könne man einfrieren. Und auch die beliebten Gläser mit Hühnersuppe und Bolognese seien lange haltbar.
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Der Mietvertrag sei gekündigt. Mit einem potenziellen Nachfolger sei er in Gesprächen, sagt Timo Harms. Er wäre froh, wenn ein Feinkosthändler mit Wurst und Fleisch den Laden übernimmt und auch die Einrichtungen der Produktionsräume.
Hamburg-Hoheluft-Ost: Martina Harms schießen Tränen in die Augen
Wie es mit ihm selbst weitergeht, das weiß er noch nicht, sagt der Fleischer mit Meisterbrief. Auf jeden Fall müsse seine künftige Aufgabe zu seinem Leben mit drei Kindern passen. „Erst mal strebe ich keine Selbstständigkeit an“, sagt er mit Bestimmtheit.
Seine Mutter, die mit Wehmut auf das Ende einer Familienära blickt, sagt: „Ich stehe hinter meinem Sohn. Aber das Pfingstwochenende wird sehr hart.“ Dabei schießen ihr Tränen in die Augen. Denn nach diesen Feiertagen wird die Fleischerei Harms nicht wieder öffnen.