Wedel/Hamburg. Immer mehr Hundebesitzer „barfen“ und füttern rohes Fleisch. Bei “Lottchens Liebe“ hat jeder tierische Kunde einen Ernährungsplan.

Statt ausschließlich in der Fleischerei am Lehmweg in Hoheluft-Ost im elterlichen Betrieb zu stehen, hat sich Timo Harms für einen anderen Weg entschieden: Der 30 Jahre alte Fleischermeister nutzt sein Wissen, um Hunden und Katzen hochwertiges Fleisch anzubieten. Damit setzen Timo und seine Frau Juliane mit ihrer Firma „Lottchens Liebe“ auf einen Trend: In Hamburg gibt es inzwischen viele Läden und Lieferservices für Biologisches Artgerechtes Rohes Futter: kurz BARF bzw. „barfen“ genannt.

Zwei, drei Tage in der Woche steht Timo Harms im Laden seiner Eltern am Lehmweg. Dort im Produktionsbereich, der sich an den Laden anschließt, verarbeitet er mit seinem Vater Jan-Hermann Fleisch zu Wurstspezialitäten. Mit Timo ist bereits die dritte Generation Harms als Fleischer am Lehmweg tätig. Seine Großeltern Jan-Jacob und Mathilde hatten das Geschäft 1976 übernommen. Doch das ist nur das eine Arbeitsleben von Timo Harms.

Hochwertiges Fleisch für Haustiere: Viele Läden in Hamburg

Das andere führt er in Wedel. Dort betreibt er mit seiner Frau einen Produktionsbereich für Fleisch, das als Tiernahrung dient. Das Ambiente in Wedel mit dem großen Fleischwolf, der Wanne, in der rot glänzendes Fleisch liegt, ist weniger schick als der Laden mit den alten Fliesen am Lehmweg und der Wursttheke – die Arbeit aber ähnelt sich.

Egal, ob Fleisch für Menschen oder für Tiere: Timo Harms achtet bei beiden Produkten gleichermaßen auf Qualität. Er weiß, wo das Fleisch herkommt, fährt regelmäßig zu seinen Lieferanten. Aber wie kommt ein Fleischermeister auf die Idee, Tierfutter zu vertreiben? Lotta war schuld. Die Berner Sennenhündin „Lottchen“ war der erste gemeinsame Hund von Timo und seiner Frau. „Mit ihr fing die Leidenschaft für diese Art der Fütterung an“, sagt Juliane Harms.

Jeder tierische Kunde hat einen eigenen Ernährungsplan

Timo saß als Meister an der Quelle für das rohe Fleisch. Vor vier Jahren machten sie sich mit der Fleischproduktion für Tiere selbstständig. Erst in ihrer Garage, seit zwei Monaten haben sie eine „richtige“ Produktionsstätte. Denn die Nachfrage steigt. Waren es zu Beginn 30 Kilogramm Fleisch, die Timo Harms in der Woche in seiner acht Quadratmeter kleinen Garage verarbeitete, sind es inzwischen 300 Kilogramm. Im Angebot: Rind, Geflügel, Wild, Pferd und Lamm.

„Barfen – das ist nicht nur Fleisch klein schneiden“, sagt Timo Harms. Bei „Lottchens Liebe“ werden aus rohem Fleisch und weiteren Zutaten fertige Fleisch-Menüs. An diesem Mittag wiegt Julianes Bruder, der bei der Arbeit mithilft, gerade Fleisch, Obst und Gemüse ab, vermengt die Zutaten und portioniert diese in der gewünschten Menge. Jeder tierische Kunde hat einen eigenen Ernährungsplan. „Kiras Tagesportion Rind mit Innereien“ steht dort auf dem luftdicht verschweißten Päckchen. Hundehalter aus der Umgebung, aus Hamburg und aus Niedersachsen, bestellen ihre Wunschmenüs oder ihr Frischfleisch und lassen sich das tiefgekühlt ins Haus liefern. Preislich liegt solch eine Tagesportion bei einem 20 Kilogramm schweren Hund etwa bei vier Euro.​

Dem Hund fertiges Futter oder gar Trockenfutter zu geben ist out

So machen es auch eine Vielzahl von anderen Betrieben in Hamburg, die „Hamburg barft“ heißen oder „Barfital“ oder „Die Barfkiste“ – das sind Barfshops und Naturfutterläden. Die Handelskammer hat in den vergangenen zwei Jahren eine Zunahme auf Tierfutter spezialisierter Läden von 170 auf 176 verzeichnet.

Raphaela und Stefan Brecklein zum Beispiel von „Hamburg barft“ in Langenhorn produzieren seit 2017 Barfmenüs für Hunde und Katzen. Wie bei „Lottchens Liebe“ können Tierhalter nach einem individuellen Ernährungsplan für ihr Tier entsprechende Rationen zubereiten lassen. Joanna Concilio bietet in ihrem Barfladen „Barfital“ in Barmbek-Nord frisches Fleisch, Innereien und Knochen – ohne Getreide, Zusätze und Lockstoffe.

Dem Hund fertiges Futter oder gar Trockenfutter zu geben, sei out, sagt Tierärztin Sonja Schirmer. „Beim Barfen oder bei selbst gekochten Rationen wissen die Tierhalter genau, was im Futter steckt.“ Das Fleisch habe Nahrungsmittelqualität, enthalte keine Konservierungsstoffe, keine Geschmacksverstärker, keinen Zucker, kein Getreide – diese Art der Ernährung eigne sich auch für Tiere mit Allergien. Und: „Die Tiere fressen es in der Regel lieber als Fertigfutter.“ Etwa 70 bis 80 Prozent ihrer Patienten werden „gebarft“, sagt Sonja Schirmer. Weil man beim Barfen viel falsch machen könne, sei es wichtig, sich zu informieren oder zur Ernährungsberatung zu gehen.

Kunden, die in der Fleischerei Harms einkaufen und sich vielleicht schon freuen, dort bald auch für ihren Liebling Fleisch einkaufen zu können, werden enttäuscht: Die bürokratischen Hürden für einen Verkaufsladen am Lehmweg für Hundefutter sind zu hoch. „Dafür bräuchten wir zwei Eingänge: „Einen für das Fleisch für den menschlichen Verzehr, einen für das Tierfutter“, sagt Timo Harms.