Hamburg. Kleine Gewerbetreibende fürchten um ihre Existenz, weil sie weder Parkausweis noch Ausnahmegenehmigung erhalten.

Kleine Boutiquen, Interieurläden, Schuh- und Modegeschäfte, aber auch eine Traditionsschlachterei und ein Juwelier – etliche kleine, inhabergeführte Geschäfte in Hoheluft-Ost hatten sich 2018 zusammengeschlossen, um sich künftig unter dem Namen „Hamburgs Kleines Notting Hill“ zu präsentieren. So wollte man neue Kunden gewinnen, auch unter den Touristen, und dem Online-Handel trotzen. Mit Erfolg.

Doch jetzt bangen viele von den Gewerbetreibenden erneut um ihre Existenz. Grund ist das Bewohnerparken, das am 21. November in Hoheluft-Ost und Eppendorf eingeführt wurde. Denn viele von ihnen sind auf ein Auto angewiesen, um die Waren anzuliefern oder einzuladen, mit denen sie ihr Geld verdienen. Aber weil sie nicht im Viertel wohnen, können sie keinen Bewohnerparkausweis beantragen. Ihre Anträge, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, wurden abgelehnt. Wer überhaupt einen Parkplatz findet, zahlt drei Euro die Stunde. Oder nimmt ein mögliches Knöllchen in Kauf.

Verkehr Hamburg: Juwelier könnte Versicherungsschutz verlieren

„Das Bewohnerparken bricht uns das Genick“, sagt Juwelier Nikolaus Hamkens. „Wir können nicht 300 bis 400 Euro im Monat fürs Parken bezahlen.“ Er sei beruflich und aus Versicherungsgründen auf seinen gepanzerten Pkw angewiesen, mit dem er regelmäßig Juwelen, Silberwaren und andere Wertgegenstände zu Messen oder Kunden transportiere. Und darauf, dass er ihn in der Nähe seines Geschäfts abstellen kann. „Anderenfalls erlöscht meine Versicherung“, so Hamkens.

Eine entsprechende Bestätigung seiner Versicherung hat er seinem Antrag auf Ausnahmegenehmigung beigelegt – ebenso wie eine ähnlich lautende des Sicherheitsunternehmens, das ihn bei seiner Rückkehr vor seinem Laden in Empfang nimmt. „Sie können meine körperliche Unversehrtheit nicht garantieren, wenn ich zu weit weg parke“, so Hamkens. Der Landesbetrieb Verkehr lehnte eine Ausnahmegenehmigung dennoch ab, weil Hamkens „keine gewichtigen Interessen geltend gemacht“ habe.

Umfrage zum Bewohnerparken ohne Gewerbetreibende

Hamkens parkt also in der Nähe seines Ladens – und hat deshalb schon Strafzettel in Höhe von mehreren 100 Euro erhalten. Er hat sich jetzt mit rund 30 weiteren Gewerbetreibenden, die überwiegend am Lehmweg und an der Hegestraße sitzen, eine Petition verfasst und die Probleme durch das Bewohnerparken bei der Bezirksversammlung am vergangenen Montag vorgetragen. Ein anwesender Vertreter des LBV habe ihnen mitgeteilt, dass im Vorfeld der Einführung mehr als 12.000 Anwohner befragt worden seien. „Auf meine Nachfrage hat er zugegeben, dass kein einziger Gewerbetreibender befragt worden war“, so Hamkens. „Aber wir sind doch Seele und Gesicht des Viertels!“

Auch Timo Harms, der letzten Herbst die Schlachterei von seinem Vater übernommen hat, steckt in der Klemme. „Ich muss die Fleisch und Wurstwaren, die ich verkaufe, anliefern. Ohne einen Parkplatz in der Nähe und ohne in der zweiten Reihe parken zu dürfen, geht das nicht.“ Sein Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung habe „sehr geringe Chancen“, sei ihm vom LBV signalisiert worden. „Da man auch bei Ablehnung einen Teil der Genehmigungsgebühren zahlen muss, nämlich 190 Euro, habe ich den Antrag zurückgezogen“, so Harms. Er will es aber noch einmal versuchen. Denn: „Drei Euro die Stunde, das summiert sich mit der Zeit. Das kann ich nicht zahlen.“

Bewohnerparken: „Unser schönes Viertel wird zerstört“

Wenn Ella Deck über die aktuelle Situation spricht, hört man ihrer Stimme die Verzweiflung an. „Was hier passiert, ist so geschäftsschädigend für uns. Ich habe schon mehr als 600 Euro für Parktickets bezahlt – aber auch für Strafzettel, wenn ich einfach keinen Parkplatz gefunden habe.“ Früher sei das Parken in der zweiten Reihe immer geduldet worden, sagt die Modedesignerin, die seit 20 Jahren an dem Standort Braut-, Business- und Abendkleider verkauft. „Jeder hatte einen Zettel mit der Telefonnummer hinter der Windschutzscheibe liegen“.

Seit etwa einem Jahr werde das Zweite-Reihe-Parken streng geahndet. „Neulich waren es 125 Euro und ein Punkt in Flensburg.“ Wie es weitergeht, wenn die Saison startet und sie wegen der Kundinnen im Laden nicht ständig zum Auto und zum Parkautomat laufen kann, weiß sie nicht. Einen Parkplatz zu bekommen, sei ohne sehr schwer, da etliche Parkplätze zugunsten von Fahrradbügeln weggefallen seien. Neulich sei eine Kundin aus Blankenese nach vergeblicher Parkplatzsuche wieder weggefahren. „Die City soll mit diversen Maßnahmen verschönert werden,“ sagt sie mit Bezug auf die jüngsten Überlegungen zur Aufwertung der Innenstadt, „aber unser schönes Viertel und unsere Existenz werden zerstört.“

Hoffnung, dass Politik auf Forderung der Petition reagiert

Berit Windisch, die in der Hegestraße das Unternehmen Schokovida betreibt, muss derzeit ziemlich tricksen, um ihren Kleinwagen, der ihr als Firmenfahrzeug dient, überhaupt in der Nähe ihrer Produktions- und Verkaufsstätte abzustellen zu können. Manchmal kann sie den Parkplatz eines befreundeten Hausbewohners übernehmen, wenn der wegfährt. Für drei Euro die Stunde. In den nahen Märzferien hat sie immerhin die Aussicht auf den Tiefgaragenplatz eines weiteren Freundes. „Wir brauchen das Auto, um unsere Ware wegzufahren.“

Einen Kurierservice zu beauftragen, käme wegen der Zerbrechlichkeit der Verpackungen nicht in Frage, ein Transport per Lastenrad nicht wegen der Menge der Kartons (bis zu 40 auf einmal) und der Gefahr von Schäden durch Regen, Hitze oder Kälte. Sie hoffe, dass „sich bald etwas tut“ und die Politik auf die Forderungen der Petition reagiert.

Verkehr Hamburg: Ausnahmegenehmigung nach Einzelfallprüfung

Dort wird vor allem eine Erleichterung für Gewerbetreibende, einer Parkerlaubnis zu erhalten, gefordert – aber auch ein kostenloses Kurzparkticket für Kunden („Brötchentaste“) sowie die Anerkennung von Privat- und Kleinwagen bei steuerlich nachweisbarer Benutzung als Firmenfahrzeuge. Laut Verkehrsbehörde wurden für die Entscheidung, ob Gewerbetreibende in Bewohnerparkgebieten Ausnahmegenehmigungen für das Parken am Betriebssitz erhalten, folgende Kriterien festgelegt: Ist das Fahrzeug notwendig zur Aufrechterhaltung des Betriebs, sind gegebenenfalls alternative Verkehrsmittel vorhanden, eignet sich das beantragte Fahrzeuge für den Transportzweck (schwerer Güter) und wie weit ist der nächste Parkplatz entfernt.

Es gelte weiterhin die Einzelfallprüfung, betont Sprecher Dennis Heinert. Bei Handwerksbetrieben betrage die Genehmigungsquote für das betriebsnahe Parken 72 Prozent. Die Quote für Gewerbetreibende liegt dagegen bei „hamburgweit gut 40 Prozent“. Allerdings befänden sich die Richtlinien für Parkausweise im stetigen Anpassungsprozess und würden regelmäßig unter anderem mit der Handwerks- und Handelskammer besprochen . Die „Brötchentaste“ habe sich wegen Missbrauchs nicht bewährt. Für kurzfristige Parkvorgänge böte sich heute etwa das minutengenaue Handyparken an.