Hamburg. Nach 72 Jahren schließt das Familienunternehmen in Eimsbüttel – neben der schlechten Parksituation gibt es weitere Gründe.
Viele Kunden sind entsetzt und traurig: Wieder muss ein Traditionsgeschäft schließen. Aber es geht wirtschaftlich einfach nicht mehr. Deshalb werden Dennis und Kevin Jacob von der gleichnamigen Fleischerei am Weidenstieg in Eimsbüttel zum 30. September ihr Geschäft schließen – eine Ära geht nach 72 Jahren zu Ende. Die Gründe sind vielfältig.
Wenn man sich in Gedanken einen Fleischer vorstellt, dann kann man auch gleich an die Brüder Dennis und Kevin Jacob denken. Beide sind groß, kräftig – und ihre Gesichtshaut erstrahlt in einem frischen rosa Teint, gekühlt von der Verkaufstheke und den niedrigen Temperaturen im Laden.
Fleischerei in Eimsbüttel: Familienunternehmen schließt nach 72 Jahren
Beide haben sie den Beruf des Fleischers gelernt, wie schon der Urgroßvater und der Vater, die das Geschäft am Weidenstieg vor ihnen betrieben haben. Doch Dennis und Kevin Jacob werden die Generation sein, die die Lichter als Letzte ausmacht, die die Ladentür Ende des Monats für immer schließen wird.
Es hat einfach keinen Sinn mehr gemacht – vor allem wirtschaftlich nicht, aber auch die Umstände haben genervt. „Es sind die steigenden Energiekosten zum einen“, sagt der ältere der beiden Brüder, Dennis Jacob (37). Aber auch politische Entscheidungen wie das Anwohnerparken in weiten Teilen Hamburgs haben dazu geführt, dass es immer schwieriger wurde, Kunden zu binden oder neue zu gewinnen.
Anwohnerparken und Straßensperrung haben Kunden vergrault
„Die Parksituation war schon immer schlecht, aber das Anwohnerparken und die einseitige Sperrung des Weidenstiegs für Autos Richtung Christuskirche haben es weiter verschlimmert“, sagt Dennis Jacob. Nicht jeder Fleischereikunde kommt aus dem Viertel und kann die Einkäufe per Rad oder zu Fuß erledigen.
Hinzu kommen EU-Hygiene-Vorschriften, die es kleinen Betrieben wie ihrem fast unmöglich machten, den Familienbetrieb weiterzuführen. „Für uns gelten zu 90 Prozent die gleichen Regularien wie für einen Großbetrieb“, sagt er.
Fleischerei gibt auf – auch wegen EU-Hygieneverordnung und Bürokratie
Ein Beispiel ist die Hackbeprobung, also die mikrobiologische Untersuchung von Hackfleisch. „Das müssen wir jede Woche machen, was uns 500 Euro kostet“, so Jacob.
Und aufgrund der Inflation sind auch solche Untersuchungen teurer geworden. Neben vielen kleineren bürokratischen Ärgernissen und einem immensen Dokumentationsaufwand habe sich aber auch das Essverhalten der Menschen geändert.
Menschen in Eimsbüttel essen weniger Fleisch als früher
„Der Fleischkonsum ist zurückgegangen, immer mehr Menschen ernähren sich vegetarisch oder vegan“, so Dennis Jacob. Außerdem kochen die Leute viel weniger – nur während Corona war das komplett anders. „Seitdem die vielen Restaurants in Eimsbüttel wieder geöffnet haben, essen die Menschen mittags und abends dort. Da bleiben wir auf der Strecke.“
Dabei könnten Fleischesser beruhigt sein. Denn Wurst und Fleisch bei Fleischer Jacob kommen von Bauernhöfen mit Freilandhaltung aus der Umgebung und stammen nicht aus der Massentierhaltung. Bis vor zwei Jahren hatte Familie Jacob, die in Scharbeutz ansässig ist, an der Ostsee sogar eine eigene Rinderzucht.
Familie Jacob hatte eigene Rinderzucht für ihr Fleisch an der Ostsee
Das Aus der Fleischerei Jacob bedauern viele Kunden aus dem Viertel. „Es ist mal wieder ein Stück Hamburg, ein Stück Nachbarschaft, ein Stück Ausverkauf von Qualitätsangeboten“, sagt eine Kundin. „Erst wenn der letzte Einzelhändler verschwunden ist, werden die Menschen merken, dass Discounter nichts Vergleichbares bieten.“
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Die beiden Brüder blicken zwar mit Wehmut zurück, gehen aber auch hoffnungsvoll in die Zukunft und habe eigene Unternehmen gegründet – im Fleischgroßhandel, wo sonst.
Fleischerei: Die Brüder Jacob blicken hoffnungsvoll in die Zukunft
So wird Dennis Jacob zum Beispiel eine Katenschinken-Räucherei betreiben und alle zwölf Mitarbeiter dort weiterbeschäftigen. „Ich habe mein komplettes Leben in diesem Laden verbracht, aber die Zeit geht nun einmal weiter“, sagt Dennis Jacob. Er und Bruder Kevin (33) freuen sich auch auf das, was nun kommt. „Es wird neu, spannend. Ob besser oder schlechter, wissen wir noch nicht.“
Was mit dem rund 60 Quadratmeter großen Ladengeschäft und der Produktionsküche geschieht, steht noch nicht fest. „Das wird unsere Oma entscheiden.“