Hamburg. An einem Tag wurden 2300 Graugänse gezählt. Sie leben vor allem an der Alster. Die Exkremente der Vögel stören Sportler und Spaziergänger.
Nein, es ist kein Hundekot, der derzeit in großen Mengen auf den Alsterwiesen in den Bezirken Hamburg-Nord und Eimsbüttel liegt oder auch auf den Grünflächen am Isebekkanal. Es sind die Hinterlassenschaften von Graugänsen, die rund um die Alster brüten. Weil die Zahl der Graugänse in Hamburg seit Jahren stetig zunimmt, werden die Wasservögel zur Plage.
Scheu sind die Tiere nicht. Wer am Isebekkanal entlanggeht oder um die Alster, kennt es: Graugansfamilien samt Küken, die auf Fuß- und Radwegen watscheln, sich auf Grasflächen breitmachen oder so wie kürzlich an der Eimsbütteler Bogenstraße über die Ampel gehen – mal als Kleinfamilie, mal als Sippe mit mehr als einem Dutzend Tieren.
Alster: Gänseplage in Hamburg – 2300 Graugänse an einem Tag gezählt
Das ist niedlich anzusehen, aber mittlerweile ein großes Problem. Denn: Es werden seit Jahrzehnten immer mehr Graugänse in Hamburg – und schon lange ist die Obergrenze erreicht. Vor allem auf der Alster und in den anliegenden Kanälen fühlen sich viele Graugänse zu Hause.
„Die Bestände sind in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen“, sagt Hamburgs Schwanenvater Olaf Nieß, der sich um Wasservögel kümmert. Er hat allein an einem Tag 2300 Tiere gezählt und berichtet von einem Alsterkanal, in dem dicht nebeneinander 16 Paare brüten. 80 Brutpaare wurden an der Alster insgesamt gezählt.
Graugänse in Hamburg: Zahl hat sich fast verfünffacht
Neben den Graugänsen gibt es in Hamburg auch Nilgänse (80 Brutpaare), Kanadagänse (140 Brutpaare) und Brandgänse (280 Brutpaare, Stand jeweils 2018). Die Graugans kommt aber am häufigsten vor.
Um das Jahr 2000 herum gab es laut dem Naturschutzbund Hamburg (Nabu) hamburgweit lediglich 144 Graugans-Brutpaare, 2012 waren es dann schon 540 Brutpaare und bei der Zählung vor fünf Jahren 550 Brutpaare.
Alster: Gänse bevölkern Liegewiesen und Bootsstege
Die Wasservögel halten sich so gern auf den Alsterwiesen und im Grünen in Gewässernähe auf, weil sie sich von Wasser- und Landpflanzen ernähren. Dort hinterlassen sie dann ihren Kot. „Die Graugänse sind überall – auf den Stegen, auf den Liegewiesen und auch auf den Anlagen der Wassersportler“, so Olaf Nieß. „Das ist schon ein Problem.“
Es ist nicht nur unangenehm für den Menschen wegen des Gänsekots – die hohe Grauganspopulation verdrängt auch andere Tierarten wie Stockenten oder das grünfüßige Teichhuhn. „Die Graugans hat hier keine natürlichen Feinde und setzt sich gegenüber anderen Tierarten durch“, so Nieß.
Gänseplage: Population durch Geburtenkontrolle eindämmen
Um diese hohe Population einzudämmen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel indem die Gänse vergrämt werden. So wurde in Ohlsdorf ein Spielplatz eingezäunt, der von Graugänsen bevölkert war. Auch die Uferböschungen können so gestaltet werden, dass die Gänse dort nicht brüten möchten.
Auch eine Art Geburtenkontrolle sei denkbar. Dabei werden den Gänsen Eier aus dem Nest genommen. Das letzte Mittel wäre theoretisch der Abschuss.
Alster: „Extremfütterer“ haben Schuld an Gänseplage
Schuld an der Gänseplage hat vor allem der Mensch. „Eine Erhöhung der Population kann über das verstärkte Füttern durch Menschen erklärt werden“, sagt David Kappenberg von der Hamburger Umweltbehörde. Dies führt unter anderem auch dazu, dass sich die Wasservögel an den Menschen gewöhnen und sich überall ausbreiten. „Die Tiere können sich dann auch in Parks, auf Spielplätzen oder in Schwimmbädern ausbreiten. Dabei kommt es zu Problemen durch Verkotung“, so Kappenberg.
Olaf Nieß spricht dabei von „Extremfütterern“, die mit kiloweise Futter im Rucksack anrücken. „Diese Extremfütterer stellen ein Problem dar – nicht die Oma, die mit ihrem Enkelkind ein, zwei Scheiben Toast verfüttert und dem Kind so die Natur nahebringt.“
Experten appellieren: Wasservögel überhaupt nicht füttern
Um die Menge an Kot auf den Wiesen und in den Gewässern zu verringern, sollten Wasservögel überhaupt nicht gefüttert werden. „Das gut gemeinte Füttern der Gänse und Höckerschwäne mit leider sehr nährstoffarmer Nahrung führt dazu, dass die Wasservögel mehr koten und das Wasser überdüngt wird“, sagt Jonas Voß vom Nabu.
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Diese Überdüngung durch Fütterung führt in der Folge zu Massenvermehrung von Algen – bei deren Absterben entstehen Fäulnisprozesse. Darunter leidet die Gewässerqualität enorm. „Das Füttern mit Brot und anderen Dingen, die keine natürliche Nahrung der Gänse darstellen, können Gesundheitsschäden und Fehlbildungen bei den Vögeln verursachen“, so Jonas Voß.
Alster – zu viele Wasservögel fördern Ausbreitung von Krankheiten
Die Konzentration von vielen Wasservögeln auf engem Raum fördert außerdem die Ausbreitung von Krankheiten unter den Vögeln – wie im vergangenen Jahr die Vogelgrippe, die den Bestand etwa der Alsterschwäne zuletzt halbiert hat.
Wer sich über den vielen Gänsekot ärgert, kann sich über eine gute Nachricht freuen: Die meisten Graugänse sind im Mai und Juni in Hamburg, um ihre Jungen hier großzuziehen. Ab Mitte Juni verlassen die meisten Graugänse die Stadt wieder. Einige Gänse ziehen dann elbaufwärts, andere elbabwärts bis an die Nordsee. Ab dem Hochsommer sind deutlich weniger Gänse in den Parks zu beobachten. „Dafür halten sich dann oft größere Trupps etwa in den Marschgebieten – Wedeler- und Haseldorfer Marsch – auf“, so Jonas Voß vom Nabu.