Hamburg. Das markante, schiffsförmige Kontorhaus wird 100 Jahre alt. Trotzdem kann es sich mit modernen Häusern messen. Wie das geht.
Das Chilehaus gehört seit 100 Jahren zu Hamburg und ist aus dem Stadtbild nicht wegzudenken. Mit der Adelung zum Weltkulturerbe im Jahr 2015 wurde diese Bedeutung noch unterstrichen. Schaut man sich allerdings andere Gebäude aus der Bauzeit an, kann einem angst und bange werden: Durchfeuchtungen in der Fassade und eine verheerende Klima-Bilanz machen oft eine aufwendige Sanierung nötig – was im vergangenen Jahr einen Streit um die Dämmung historischer Gebäude entfacht hatte.
Beim Chilehaus mit seiner einmaligen Architektur wäre eine Wärmedämmung der vielen unterschiedlichen Gebäudewinkel und Verzierungen der Backsteinfassade wegen undenkbar. Doch Sorgen muss man sich um den Prachtbau nicht machen.
Chilehaus in Hamburg: Weltkulturerbe verbindet Innenstadt mit HafenCity
„Die Architektur-Ikone ist in einem guten Zustand und technisch auf Vordermann“, sagt Henrike Waldburg, die als Geschäftsführerin bei der Fondsgesellschaft Union Investment für Projektentwicklung und Nachhaltigkeit zuständig ist. Seit 1993 gehört das Chilehaus zum Immobilien-Portfolio des Hamburger Unternehmens – mit 500 anderen Gebäuden, darunter das Emporio und das Triiio, die ehemaligen Firmensitze von Unilever und Hamburg Süd.
Dass das Chilehaus gut in Schuss ist, zahlt sich nach Angaben der Geschäftsführerin aus. Mit seinen 25.000 Quadratmeter Bürofläche, 15 Geschäften und drei Gastronomiebetrieben sei es nahezu voll vermietet. Außerdem ziehe das Gebäude Hamburger und Touristen an, sei ein spektakuläres Fotomotiv – und nicht nur Bindeglied zwischen den Straßen Fischertwiete und Pumpen, sondern auch zwischen der Innenstadt und der HafenCity.
Hamburger City: Mieter schätzen die „gute Adresse“ des Chilehauses
„Das Chilehaus bietet Identität und eine gute Adresse“, so Waldburg. Zu den langjährigen Mietern der Gewerbeflächen gehört unter anderem das Klavierhaus Bechstein, das seine Räumlichkeiten gerade um einen Ausstellungsraum mit so perfekter Akustik erweitert hat, dass Pianisten vor ihrem Konzert in der Elbphilharmonie hier üben. Das Warenhaus Manufactum ist hier seit 2001 ansässig. Und das Traditionsgeschäft Tramm & Hinners bietet im Chilehaus seit mehr als 90 Jahren Sport- und Jagdwaffen an.
Sie alle werben mit dem historischen Gebäude als Firmensitz – ebenso wie das kalifornisch-mexikanische Restaurant Sausalitos und der „Kiosk am Chilehaus“, der drinnen und draußen Speisen und Getränke anbietet. Nur das neu eröffnete vegane Restaurant Gustav Grün in der prominenten Gebäudespitze nennt auf seiner Website (noch) nicht das Chilehaus, sondern ausschließlich den Straßennamen als Adresse.
Dafür, dass sich die Mieter im Chilehaus wohlfühlen, wird viel getan. Beispielsweise durch Energieeinsparmaßnahmen, die sich positiv auf die Nebenkosten auswirken. „Wir haben bei etlichen unserer Gebäude den Energieverbrauch bewerten lassen. Den Anfang hat 2019 das Chilehaus gemacht“, so Waldburg. Partner des Pilotprojekts war das auf Energiemonitoring spezialisierte Unternehmen Apleona, das den Strom-, Wärme- und Wasserverbrauch im Chilehaus zunächst einmal grafisch erfasste.
Chilehaus in Hamburg: Ein Weltkulturerbe kann man nicht einfach dämmen
Weil das Gebäude als Welterbe eben nicht einfach nachträglich gedämmt werden kann, wurde bereits beginnend ab 2018 die Effizienz der bestehenden technischen Anlagen verbessert. Parallel hierzu erfolgte der Einbau von digitalen Zählern, die alle 15 Minuten Daten übermittelten.
Anhand dieser detaillierten Auswertungsmöglichkeit ließ sich präzise nachvollziehen, wo die Ursachen für hohe Verbräuche lagen. Zu weiteren Einsparpotenzialen führte die konsequente Umsetzung von Nacht- beziehungsweise Feiertagsabsenkungen des Wärmebedarfs. „Insgesamt konnte damit bis heute eine Wärmeeinsparung von rund 20 Prozent erreicht werden“, so Henrike Waldburg.
Klima und Energie: Chilehaus kann sich „mit neueren Gebäuden messen“
Zusätzlich wurden an allen fünf Lüftungsanlagen die Antriebe und Ventilatoren erneuert. Ebenso die Steuerung und Einbindung in die Gebäudeautomation. Die Anlagen lassen sich jetzt nicht mehr nur wesentlich effizienter betreuen und ermöglichen eine feinere Steuerung und Regulierung. Durch diese Maßnahmen und die Installation von LED-Beleuchtungen sank der Stromverbrauch seitdem bis heute um rund 42 Prozent – eine Einsparung von 51.000 Euro.
„Mit den vergleichsweise niedrigen Kosten kann sich das Chilehaus durchaus mit neueren Gebäuden messen“, sagt Timo Albers, als Asset Manager bei Union Investment für das Chilehaus verantwortlich. Die drei Aufzugsanlagen, die zurückhaltend in die historischen Treppenhäuser integriert sind, wurden ebenfalls auf den neuesten technischen Stand gebracht.
Immobilien Hamburg: Grundrisse im Chilehaus sind immer noch modern
Auch die Gebäudekubatur und die damit einhergehenden flexiblen Grundrisse der Büroflächen sind ein Grund dafür, dass die Menschen hier gerne arbeiteten. So ermöglichten die vor 100 Jahren von Fritz Höger geplanten Flächentiefen und die Erschließungsmöglichkeiten, dass die Büros im Chilehaus auch heutigen Nutzungsanforderungen gerecht werden.
Architekt Höger errichtete das Kontorhaus, das mit seinen bis zu zehn Stockwerken eines der ersten Hamburger Hochhäuser war, zwischen 1922 und 1924 für den Hamburger Unternehmer Henry B. Sloman. Der hatte sein Vermögen durch den Abbau und Handel mit Chilesalpeter gemacht – was zu dem Namen „Chilehaus“ führte.
Architektur Hamburg: Eichenpfähle unterm Chilehaus werden ständig überwacht
Mit seiner an einen Schiffsbug erinnernden Spitze und der an Ornamentik reichen Backsteinfassade ist es zu einer Ikone des Expressionismus in der Architektur geworden. Der von Höger wegen seiner „Knupperigkeit“ gewählte Ausschussklinker erweist sich bis heute als äußerst robust. Dasselbe gilt für die zahlreichen Eichenpfähle, auf denen der südliche, zum Dovenfleet gelegene Gebäudeteil ruht. „Die Pfähle werden regelmäßig durch Sonden überwacht“, so Albers. „Bislang waren sie alle in Ordnung.“
Auch die Instandhaltung der 2800 doppelverglasten Holzfenster sei ein Dauerthema: Pro Jahr werden 150 bis 250 Fenster überarbeitet und gestrichen. „So halten wir den guten Standard des Chilehauses und hoffen, auch in Zukunft so erfolgreich weitermachen zu können“, sagt Geschäftsführerin Waldburg.
Chilehaus in Hamburg: Bis zu 250.000 Euro werden jedes Jahr ins Welterbe gesteckt
150.000 bis 250.000 Euro pro Jahr lasse sich Union Investment die Instandhaltung des Flagschiffes ihres Immobilienportfolios kosten. „Das tun wir aus Verantwortung den Mietern und unseren Fonds-Anlegern gegenüber. Aber auch, weil wir um die Bedeutung des Chilehauses für die Stadt Hamburg wissen.“
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Da muss ein 100. Geburtstag natürlich entsprechend gewürdigt werden. Und so werden am 28. Mai die chilenische Botschafterin und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher zu einer Feierstunde ins Chilehaus eingeladen.
Sie dürften dann auch die Ersten sein, die die „ChilehausStory“ in den Händen halten werden: ein Buch, das der Autor, Regisseur und Lichtkünstler Michael Batz im Auftrag von Union Investment über die 100 Jahre alte Legende geschrieben hat – und das anlässlich des Jubiläums in einer Auflage von 20.000 Stück in den Handel kommt.
City Hamburg: Senat will Kontorhausviertel rund ums Chilehaus aufwerten
Das Chilehaus sei kein Monolith, sondern fest in den Stadtteil eingebunden, sagen Henrike Waldburg und Timo Albers. „Daher müssen wir bei der Entwicklung nicht nur das Gebäude, sondern die gesamte Mikrolage im Blick behalten.“
Das tut auch der Hamburger Senat. Er will das Kontorhausviertel, in dem es zuletzt Beschwerden über die Vermüllung durch Obdachlose gegeben hatte, unter anderem durch die Umgestaltung des Burchardplatzes unmittelbar neben dem Chilehaus aufwerten.