Hamburg. Die Saga will in Barmbek zwei Wohnblöcke verkleiden. Denkmalschutzamt stimmt zu – doch nun gibt es Gegenwind von ganz oben.

Der Blick bleibt an den weißen Balkonen hängen, die sich um die Ecken des Wohnblocks an der Habichtstraße schlingen. Und nicht an der schlichten Backsteinfassade, die an dieser Seite oft ausgebessert wurde. Doch in den Innenhöfen der prägnanten, von Karl Schneider errichteten Häuser in Barmbek-Nord versteht man, warum diese als „bedeutendes Zeugnis Hamburger Backsteinarchitektur der 1920er-Jahre“ gelten.

Hier hat der berühmte Hamburger Baumeister dem Haus und seiner Fassade durch Vor- und Rücksprünge, bündige Fensterrahmen, Loggien, Nischen und die besondere Beschaffenheit der Ziegel eine außergewöhnliche Lebendigkeit verliehen.

„Die Ziegel wurden in einem Ringofen gebrannt und so gestapelt, dass die Kohle an manchen Stellen schwarze Streifen hinterlassen hat. Eine Besonderheit, genau wie die unebene Oberfläche der Klinker“, weiß Joachim Schreiber.

Barmbek: Streit um Dämmung historischer Backsteingebäude

Der Sachverständige für Backsteinfassaden hat sich ausgiebig mit dem Mauerwerk der beiden Barmbeker Karl-Schneider-Wohnblöcke beschäftigt. Und das liegt an Plänen der Saga. Das städtische Unternehmen will die beiden denkmalgeschützten Gebäude zwischen Habichtplatz, Habichtstraße, Herbstsweg, Eckmannsweg und Wittenkamp im Zuge einer Modernisierung mit einer zwölf Zentimeter dicken Dämmschicht verkleiden.

Die Lebendigkeit von Haus und Fassade durch Vor- und Rücksprünge, bündige Fensterrahmen, Loggien, Nischen und die besondere Beschaffenheit der Ziegel ginge durch eine Dämmung verloren.
Die Lebendigkeit von Haus und Fassade durch Vor- und Rücksprünge, bündige Fensterrahmen, Loggien, Nischen und die besondere Beschaffenheit der Ziegel ginge durch eine Dämmung verloren. © Thorsten Ahlf

Und das hat die Karl Schneider Gesellschaft auf den Plan gerufen. Diese hat Joachim Schreiber gebeten, alternative Sanierungslösungen für die Fassaden der Wohnhäuser zu entwickeln – sozusagen als Gegenentwurf zu dem, was die Saga plant.

Karl Schneider Gesellschaft: Niemand würde das Chilehaus verkleiden

„Wenn die Saga ihre Pläne umsetzt, ginge all das hier verloren“, sagt Ruth Asseyer, Vorsitzende der Karl Schneider Gesellschaft und weist auf die verschiedenen Besonderheiten der Rückfassade. Die Journalistin und Buchautorin ist verärgert. „Niemand würde auf die Idee kommen, Chilehaus und Planetarium hinter industriell gefertigtem Riemchenklinker zu verstecken.“

Schreiber bestätigt: „Die beiden Gebäude stammen aus derselben Bauzeit und werden über kurz oder lang die gleichen Schäden aufweisen.“ Wenn – wie von der Saga behauptet – eine Dämmung von außen die einzig mögliche Lösung wäre, werde irgendwann die gesamte 100 Jahre alte Backsteinarchitektur „verpackt“ werden müssen. Und wie soll dann dieser Teil der Hamburger Geschichte künftig ablesbar sein?

Barmbek: Seit 2018 nehmen Beschwerden über feuchte Wände zu

Die zwischen 1926 und 1928 errichteten Barmbeker Backsteinbauten seien nicht so prominent wie Chilehaus und Planetarium, gibt Asseyer zu – aber ebenso bedeutend und prägend für ihr Umfeld. Darüber hinaus gelte Karl Schneider, der durch den Bau des sogenannten Zentralen Blocks in der Jarrestadt berühmt wurde, als Pionier der 1920er-Avantgarde Deutschlands und sei international gewürdigt worden – unter anderem 1932 vom Museum of Modern Art in New York.

Prägnante weiße Balkone machen die von Karl Schneider von 1926 bis 1928 in Barmbek errichteten Wohnblöcke zu einem Hingucker.
Prägnante weiße Balkone machen die von Karl Schneider von 1926 bis 1928 in Barmbek errichteten Wohnblöcke zu einem Hingucker. © Thorsten Ahlf

Doch ob das die Gebäude vor einer Dämmung bewahren kann? Seit 2018 nehmen die Beschwerden von Mietern über Feuchtigkeitsschäden in etlichen der 240 Wohnungen zu. Und Experte Schreiber bestätigt: „Diese 100 Jahre alten Backsteinwände sind alle nicht mehr wasserdicht. Aber das lässt sich auch ohne eine Dämmschicht lösen.“

Barmbek: Fugensanierung könnte das Dämmen überflüssig machen

Schließlich seien nicht die Ziegel, sondern nur die Fugen wasserdurchlässig – und das könne man durch eine professionelle Fugensanierung dauerhaft beheben. Ein weiteres Problem sei laut Saga die thermische Belastung. Diese sei dafür verantwortlich, dass sich die Fenstersturzträger hinter der Ziegelverblendung ausdehnten, die Fassade nach außen drücken und so Risse und Feuchtigkeitsschäden verursachten.

„Hier ist laut Saga die einzig mögliche Lösung, die Temperaturbelastung der Eisenteile durch eine außenliegende Wärmedämmung zu reduzieren“, sagt Schreiber. Seiner Meinung nach sei das nicht notwendig – und bei einem ähnlichen Saga-Projekt mit vergleichbarer Problematik in der Augustenburger Straße in Altona-Nord auch nicht geschehen.

Eisenträger über Fenstern dehnen sich durch Korrosion und Thermik aus

Er schlägt ein Verfahren vor, dass bereits bei der Sanierung anderer Backsteinbauten erfolgreich war. Demnach könnten die Stürze ausgetauscht und etwas weiter nach hinten gesetzt werden, um davor Platz für einen hochwertigen dünnen Dämmstoff zu haben. Dieser verhindere, dass sich die Stürze durch thermische Belastung ausdehnten.

Sogenannte Maueranker sollten von Anfang an verhindern, dass sich die Fassade nach außen wölbt. Auf dem Bild gut zu sehen ist auch das abwechslungsreiche Bild der Ziegel.
Sogenannte Maueranker sollten von Anfang an verhindern, dass sich die Fassade nach außen wölbt. Auf dem Bild gut zu sehen ist auch das abwechslungsreiche Bild der Ziegel. © Thorsten Ahlf

Im Übrigen sei der Korrosionsdruck viel entscheidender für die Fassadenschäden der Barmbeker Karl-Schneider-Bauten als die thermische Belastung. „Durch Blattrost vergrößert sich das Volumen eines Eisenträgers deutlich mehr als durch thermische Ausdehnung.“

Saga: „Haben beabsichtigte Modernisierung eineinhalb Jahre geprüft“

Schreiber betont, dass die von ihm vorgeschlagene Sanierung mit etwa 250 Euro pro Quadratmeter deutlich günstiger sei als die von der Saga angestrebte Dämmung mit einem Wärmeverbundsystem. Dafür, so der Experte, müsse man mit rund 400 Euro rechnen.

Die Saga verweist darauf, dass die beabsichtigte Modernisierung lange geprüft worden sei. „Wir haben über einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahren ergebnisoffen verschiedene Varianten zur denkmalgerechten Modernisierung gemeinsam mit externen Gutachtern und dem Denkmalschutz geprüft“, so Sprecher Gunnar Gläser.

Außendämmung notwendig, um Fassade nachhaltig dicht zu bekommen

Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Außendämmung zwingend notwendig sei, „um eine nachhaltige Dichtigkeit der Fassaden herzustellen und eine Korrosion der Fensterstürze zu verhindern“. Diese Variante sei sowohl von den externen Gutachtern als auch vom Denkmalschutzamt bestätigt worden.

Das Amt bestätigt zwar die Bedeutung der Karl-Schneider-Bauten, sagt aber auch: „Die extremen Zerstörungen durch den Krieg und der Wiederaufbau sowie die im Laufe der Jahrzehnte erfolgten vielen Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten an der Fassade haben es zu einem bautechnisch sehr komplexen Objekt gemacht.“

Denkmalschutzamt: „Tragen hochwertige Verkleidung in diesem Fall mit“

Bei der anstehenden Sanierung müssten auch technische, wirtschaftliche und energetische Aspekte sowie die Belange der Mieter berücksichtigt werden.

Und die tief gehenden Schäden der Fassade könnten durch eine reine Überarbeitung der Fugen nicht dauerhaft beseitigt werden, so Claudia Preiksch, Sprecherin des Denkmalschutzamts. „Daher trägt das Denkmalschutzamt eine hochwertige äußere Verkleidung der Fassade in diesem besonderen Fall mit.“

Barmbek: Oberbaudirektor und Bezirksamt stimmen Dämmung noch nicht zu

Doch es gibt Gegenwind. Das Bezirksamt Hamburg-Nord stimmte dem Bauantrag der Saga bislang noch nicht zu und will das Vorhaben weiter prüfen. Grundsätzlich würde eine Fugensanierung begrüßt, wie sie auch in der Jarrestadt durchgeführt werde, heißt es.

Das Bezirksamt verweist zudem darauf, dass es zum Schutz der originalen Backsteinfassaden die städtebauliche Erhaltungsverordnung Barmbek-Nord aufgestellt hat. „Die lebendigen Fassaden sind schützenswert, nicht nur bei Denkmalen – und deshalb grundsätzlich durch Fugensanierungen instand zu setzen“, so Sprecher Alexander Fricke. Energetische Verbesserungen ließen sich in den Wohngebäuden der 20er-Jahre durch Dämmung im Keller und im Dach herstellen.

Und Oberbaudirektor Franz-Josef Höing sagt: „Noch sind die Sanierungspläne der Saga nicht in Stein gemeißelt. Es sei ein herausforderndes Projekt. „Aber ich bin der Meinung, dass wir noch einmal innehalten müssen – um dann noch einmal das Gespräch mit der Saga zu suchen.“