Hamburg. Eigentlich sollte die Karte das Busfahren vereinfachen. Bei einigen Hamburgern führt das bargeldlose Bezahlen jedoch zu Frust.

In der Theorie soll es ganz einfach sein: Man kauft sich eine Prepaidkarte des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) im Supermarkt, an der Tankstelle oder in einem der Servicezentren, lädt diese mit einem Geldbetrag zwischen fünf und 150 Euro auf und los geht die Busfahrt durch Hamburg. Doch läuft der Verzicht von Bargeld in den Bussen tatsächlich so simpel ab, wie erhofft?

Zum Hintergrund: Seit dem Jahreswechsel können Fahrgäste der Hochbahn-Busse im Tarifbereich AB nicht mehr mit Kleingeld, EC- oder Kreditkarte für ihre Fahrt bezahlen. Stattdessen gibt es nur noch die Möglichkeit, ein Ticket digital per App zu kaufen oder eine der kostenlosen HVV-Prepaidkarten mit einem Guthaben aufzuladen. Beim Einstieg in den Bus sollen Gäste diese Karte dann an einem Sensor „entwerten“ und auf dem Bildschirm die gewünschte Fahrkarte auswählen.

HVV-Prepaidkarte löst Verwirrung bei Fahrgästen in Hamburg aus

Klingt einfach, doch besonders ältere Bürgerinnen und Bürger oder Besucher der Hansestadt könnte die bargeldlose Zahlung vor Herausforderungen stellen. So hat etwa Fahrgast Friedrich Segerdiek (70) seit der Umstellung beobachtet, dass es Verwirrung bei einigen der anderen Gäste gebe.

Er selbst habe eine Dauerkarte und fahre oft mit der Linie 3 – die „Hotelroute“, wie er sie nennt. Besonders Fahrgäste, die nicht aus Hamburg kommen, wüssten meist nichts von der Prepaidkarte. Und das Fahrpersonal klärt sie nicht auf. „Ich finde es daneben, was der HVV da gemacht hat“, sagt Segerdiek.

An den elektronischen Anzeigetafeln weist der HVV darauf hin, dass nicht mehr mit Bargeld in den Bussen bezahlt werden kann.
An den elektronischen Anzeigetafeln weist der HVV darauf hin, dass nicht mehr mit Bargeld in den Bussen bezahlt werden kann. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Ein Busfahrer, der anonym bleiben möchte, hingegen erklärt gegenüber dem Abendblatt, dass das Fahrpersonal angehalten sei, Kunden zu unterstützen. „Man hilft gerne“, betont er. Der Umstieg auf das bargeldlose Bezahlen sei seiner Meinung nach gut angelaufen. „Problematisch war lediglich der unerwartet hohe Ansturm auf die Prepaidkarte.“

HVV-Prepaidkarte vielerorts ausverkauft: So reagiert der Verkehrsbund

Denn an vielen Verkaufsstellen waren die Prepaidkarten bereits nach kurzer Zeit ausverkauft. Der Verkehrsverbund habe dieses Problem selbst verschuldet, so der Busfahrer. Auf Nachfrage des Abendblatts erklärt Unternehmenssprecher Rainer Vohl, dass das Fahrpersonal zunächst zu Kulanz gegenüber Gästen angehalten sei, die bislang keine Karten erhalten konnten. „Wir versuchen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, dass die Verfügbarkeit der Prepaidkarten besser wird“, sagt Vohl.

Kulanz bedeute laut Vohl nicht, dass jeder Gast automatisch ohne Fahrkarte mitfahren könne. Es liege im Ermessen des Fahrpersonals, über Einzelfälle zu entscheiden. Fahrgäste seien dazu angehalten, bei der nächsten Gelegenheit, eine Fahrkarte am Automaten nachzulösen.

Prepaidkarte: Technische Probleme sorgen für Schwierigkeiten

Probleme bei der Beschaffung der Prepaidkarte hatte auch HVV-Nutzer Joachim Betz. Er wollte sich die Karte bei einem Tabakhändler besorgen, doch der Automat habe nicht funktioniert. „Ich finde es blöd, wenn man die Tickets nicht vor Ort kaufen kann“, so der 77-Jährige. Er sei wegen der Abschaffung des Bargeldes jedoch zwiegespalten und kann dem auch etwas Positives abgewinnen. „Es ist ein Gefummel mit dem Kleingeld und kostet Zeit, im Prinzip ist es schon gut, dass es abgeschafft wurde.“

Doch so gelassen sehen es längst nicht alle Fahrgäste. Eine Hamburgerin, die mit der Linie 25 unterwegs ist und anonym bleiben möchte, berichtet von ihrem Frust über die Prepaidkarte. Sie fahre selten mit dem Bus und wollte sich schon früh die Karte besorgen, um keine Probleme zu bekommen. „Der Kauf der Prepaidkarte stellte sich als lange Reise heraus“, berichtet sie. Sie habe erst viele der Verkaufsstellen abklappern müssen, um dort in langen Schlangen zu stehen und festzustellen, dass keine Karten mehr vorrätig waren.

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Für sie gebe es einen Widerspruch zwischen der flächendeckenden Plakatwerbung und den Beschaffungsmöglichkeiten. Letztendlich konnte sie an einer Tankstelle eine der zwei letzten vorrätigen Karten ergattern. Die nächste Enttäuschung kam dann mit der ersten Busfahrt: Das Lesegerät war defekt.

Hamburger Verkehr: Ältere Generation fühlt sich von HVV im Stich gelassen

Mit einem Leserbrief an das Abendblatt teilt auch Waltraut Staffeldt ihre Erfahrungen mit der Bargeldabschaffung. „Ich bin Jahrgang 1943, gehöre also zu der Generation, die nicht in der digitalen Welt groß geworden ist“, schreibt sie. Den HVV-Bus der Linie 168 nutze die Hamburgerin, um zu verschiedenen Arztterminen zu kommen. Ihre erste Fahrt mit der Prepaidkarte sei alles andere als problemlos verlaufen.

Wer eine Prepaidkarte des HVV ergattert hat, kann sie an elektronischen Fahrkartenautomaten an den Haltestellen mit einem Betrag zwischen fünf und 150 Euro aufladen.
Wer eine Prepaidkarte des HVV ergattert hat, kann sie an elektronischen Fahrkartenautomaten an den Haltestellen mit einem Betrag zwischen fünf und 150 Euro aufladen. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Auf ihre Nachfrage beim Busfahrer, wie sie die Karte einsetzen müsse, um an ihr Ticket zu kommen, soll er mit „Weiß ich doch nicht“ geantwortet haben. Begleitpersonen, die Hilfestellungen geben sollen, seien nicht vor Ort gewesen. Danach habe ihr der Fahrer gesagt, dass sie den Bus verlassen müsse. Um doch noch rechtzeitig zu ihrem Arzttermin zu kommen, sei sie dann ohne Ticket gefahren.

HVV: Bedienung des Fahrkartenautomaten bleibt für Rentnerin ein Rätsel

Doch wie sie sich Waltraut Staffeldt künftig verhalten solle, bleibt für die Rentnerin erst mal ein Rätsel – ohne jegliche Hilfe bei der Bedienung des Fahrkarten-Terminals. Mit den Problemen ist die Seniorin nicht alleine. Ähnlich wie ihr geht es auch anderen Leserinnen und Lesern, die sich beim Abendblatt gemeldet haben.

So wie Jonathan Irons. Er habe ebenfalls Schwierigkeiten beobachtet, schreibt er. „Dass besonders ältere Menschen, die kein Smartphone haben oder wollen, mit diesen unnötigen Herausforderungen konfrontiert sind, ist ganz eklig. Und dass es keine Übergangszeit gibt, ist einfach nicht haltbar.“