Hamburg. Die Hamburger App zeigt ungültige Verbindungen an, vor allem im Busverkehr. Was Nutzer meinen und welche Idee Probahn dazu hat.

Man stelle sich vor, schon am Frühstückstisch zu wissen, dass der Bus zur Arbeitsstelle stark verspätet ist. Statt in der Kälte an der Haltestelle zu frieren, ist dann womöglich noch ein zweiter Kaffee drin, bevor man die Haustür hinter sich zu zieht. Die Apps des Hamburger Verkehrsverbunds, „HVV“ und „HVV Switch“, werben genau damit. Sie bieten Verspätungsdaten in Echtzeit, damit Reisende mit Verzögerungen planen und alternative Umstiege erreichen können.

Das ist eine ziemlich praktische Funktion, auf die einige HVV-Kunden auch zurückgreifen – und trotzdem immer wieder Busse und Bahnen verpassen. Probahn übt daher Kritik an der Funktion der HVV-Apps. Eine Idee, wie es besser funktionieren könnte, hat der Fahrgastverband aber auch in petto.

HVV-App in der Kritik: Fahrgast-Verband fordert bundesweite Lösung

Die Echtzeitübermittung von Verspätungen in den HVV-Apps basiert auf Livedaten aus den Fahrzeugen. „Die Busse und Bahnen melden über den Bordrechner die aktuelle Lage“, sagt HVV-Sprecher Rainer Vohl dem Abendblatt. „Die Daten werden gesammelt und an eine externe Datendrehscheibe gesandt. Von dort werden die elektronischen Auskunftssysteme mit Echtzeitdaten versorgt.“ In der Regel seien die Angaben zuverlässig, das gelte insbesondere im Hamburger Stadtgebiet, so der HVV.

Derzeit werden täglich mehr als eine Million Verbindungsanfragen per App beantwortet. Doch immer stimmen die Live-Angaben nicht mit der Wirklichkeit überein, wie zahlreiche negative Bewertungen der HVV-Apps im Appstore von Apple deutlich machen: „Zeigt nur Müll an und man verpasst so gut wie jede Verbindung“, macht etwa ein Nutzer seinem Ärger online Luft. „Was bringt mir die Umstiegsinfo, wenn man in der Mitte der Fahrt merkt, dass man den Anschluss nicht bekommt?“, fragt ein anderer.

Anhand der Bewertungen zeigt sich: Insbesondere Ein- und Umstiege im Hamburger Busverkehr bringen die App-Nutzer teils zur Weißglut. „Da kann man sich eher auf sein Bauchgefühl verlassen“, mokiert ein Rezensent sich sogar. Ganz so drastisch ist die Situation nicht, die Hochbahn betont in Antworten auf die Bewertungen dennoch, derzeit an der Verbesserung der App zu arbeiten.

Hamburg: Probahn bemängelt Echtzeit-Daten des HVV

Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Probahn und Sprecher für den Raum Hamburg, schätzt die Livefunktion der HVV-Apps als „nicht so richtig ,echtzeitlich‘“ ein. „Häufig stimmen die Auskünfte, aber eben nicht immer. Es kommt immer wieder vor, dass Busse ausfallen, die in der HVV-App noch angezeigt werden“, sagt er.

„Wie kann es sein, dass Google Maps immer die richtigen Ergebnisse anzeigt, während die HVV-App immer längere Wege, falsche Uhrzeiten und nicht vorhandene Verbindungen anzeigt?“, fragt ein Nutzer in einer Apple-Rezension der HVV-App. Dass Verspätungsdaten in Karten-Apps oder der App der Deutschen Bahn (DB), dem DB Navigator, teils schneller einlaufen, liege daran, „wie schnell das ins System geht, also wie schnell es verarbeitet wird“, erklärt Naumann von Probahn. „Die Grunddaten sind dieselben. Es wird ja nicht doppelt erhoben, wie stark der Bus in Hamburg verspätet ist.“ Wenn die Apps größerer Konzerne also schneller informieren, ist der Grund dafür womöglich eine bessere Datenverarbeitung.

Hürde für den HVV: Verbund besteht aus 28 Verkehrsunternehmen

Das bestätigt auch HVV-Sprecher Vohl: „Grundsätzlich können Verzögerungen bei der Datenlieferung in bestimmten Fällen zu Abweichungen in der Auskunft führen“, sagt er. „Wir investieren hier laufend in die Weiterentwicklung der Systeme zur weiteren Verbesserung der Performance.“

Eine zusätzliche Hürde für den HVV sei, dass so viele verschiedene Unternehmen die einzelnen Transportmittel betreiben, Daten sammeln und versenden, so Naumann. Er habe etwa bemerkt, dass der Umstieg zwischen den Buslinien 24 und 21 in Niendorf-Nord oft falsch in der App ausgegeben wird. Naumann tippt darauf, dass der Umstieg von Hochbahn- auf VHH-betriebene Busse ursächlich dafür ist. Im Verbund sind insgesamt 28 Verkehrsunternehmen mit mehr als 4.400 Fahrzeugen unterwegs, informiert der HVV.

ÖPNV-Apps: Probahn fordert bundesweite Lösung

Doch Naumann kann nicht nur bemängeln, sondern auch Lösungsvorschläge anbieten. Er plädiert für ein einheitliches Betriebsleitsystem für den ganzen HVV, am besten für ganz Deutschland. Ein solches Betriebsleitsystem sichert die Kommunikation zwischen Fahrern, Fahrzeugen und Leitstellen, übermittelt aber auch Fahrgastinformationen an Anzeigetafeln und in Verkehrs-Apps.

Um hier für Einheitlichkeit zu sorgen, „muss das aber staatlich organisiert werden, sonst funktioniert es nicht“, meint Naumann. Vor einigen Jahren habe es bereits eine Arbeitsgruppe für eine bundesweite Datendrehscheibe im Verkehrsministerium gegeben, die ihm zufolge jedoch weitgehend ergebnislos blieb.

Mehr zum Thema

App-Flickenteppich in Deutschland: „Das ist großer Humbug“, so Probahn

Zum derzeitigen App-Flickenteppich in Deutschland sagt er: „Das ist großer Humbug – im Grunde genommen bräuchte man eine App für den gesamten Nahverkehr.“ Die Masse an regionalen Anbietern verkompliziere die Navigation erheblich, gerade für jene, die ansonsten selten mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, wie beispielsweise Touristen. Insbesondere in Hinblick auf das 49-Euro-Ticket sei das tragisch: „Das Deutschlandticket nützt den Fahrgästen nichts, wenn sie nicht wissen, wie sie damit fahren sollen“, so Naumann.

Zumal die Informationen gerade in den HVV-Apps zu wünschen übrig ließen: „Es werden nicht alle möglichen Verbindungen angezeigt“, sagt Naumann. Im Vergleich mit dem DB Navigator und den Karten-Apps von Apple und Google bestätigt sich das. Hier werden bei vielen Verbindungen mehr Möglichkeiten zum Umstieg angezeigt, aus der sich der Fahrgast eine individuelle aussuchen kann. Mancher will schließlich in erster Linie selten umsteigen, der nächste möglichst wenig Zeit an Haltestellen stehend verbringen.

Der DB Navigator ist zwar noch nicht jene bundesweite Lösung, von der Probahn-Sprecher Naumann träumt. Jedoch sind in der App schon heute die Daten von rund 50 Verkehrsverbünden integriert. „Keine App vereint mehr Tickets und Tarife unter einem Dach“, informiert eine Bahnsprecherin. Der Navigator ist somit in weiten Teilen des Landes nutzbar, auch in Hamburg. Zum „Generalschlüssel für den öffentlichen Nahverkehr“, entwickle die DB ihre App stetig weiter.

Seit Jahresanfang kann man in Hamburgs Bussen nicht mehr mit Bargeld bezahlen, sondern mit einer Prepaidkarte und per App.
Seit Jahresanfang kann man in Hamburgs Bussen nicht mehr mit Bargeld bezahlen, sondern mit einer Prepaidkarte und per App. © Funke Foto Services | Thorsten Ahlf

HVV betreibt mehrere Apps mit unterschiedlichen Funktionen

Auch beim HVV tut sich etwas. Der Verbund stellt immer mehr Apps mit verschiedenen Funktionen bereit. So gibt es neben der HVV-App auch die Anwendung HVV Switch, die zusätzlich zu den Funktionen der „alten“ Anwendung auch die Buchung von Moia-Sammeltaxis, Carsharing-Autos und E-Rollern ermöglicht. Auch ist hier die intuitive Funktion „HVV Any“ inkludiert. Jedoch: Etwa die Buchung von Tickets für mitfahrende Kinder ist nur in der regulären HVV-App und nicht mehr bei Switch machbar. Im Zweifel benötigen Reisende also beide Anwendungen.

Neben diesen beiden Anwendungen bietet der HVV zudem „HVV Card Info“, eine Kartenlese-App für NFC-fähige Smartphones, an. Damit können Reisende ihr Guthaben auf HVV-Cards sowie den neuen Prepaid-Cards überprüfen. Weitere Funktionen hat die App nicht, sie hätte daher auch in die bestehenden Anwendungen integriert werden können. Womöglich steht das aber noch bevor. Sprecher Vohl berichtet schließlich, dass der Verbund perspektivisch alle Funktionen in einer nutzerfreundlichen App vereinen wolle.