Hamburg. Die Anti-Raucher-Veranstaltung war Teil einer Projektwoche des Gymnasiums. In 19 Jahren gab es nie einen Zwischenfall. Bis jetzt.
- 191 Schüler und Schülerinnen sahen am UKE einen Aufklärungsfilm gegen das Rauchen
- Einem Schüler waren die Aufnahmen einer Bronchoskopie zu heftig, er fiel in Ohnmacht
- In 19 Jahren sahen mehr als 110.000 Schüler den erfolgreichen Film zum Thema „Nichtrauchen ist cool“
Den Film, den ein Sechstklässler vor einigen Tagen mit 190 Mitschülern und Mitschülerinnen bei der Präventionsveranstaltung „Nichtrauchen ist cool“ am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) gesehen hat, war wohl zu viel für den Jungen: Er fiel in Ohnmacht – und auch einigen anderen Schülern des Gymnasiums Hoheluft ging es anschließend gar nicht gut. Der Grund: das gezeigte Video.
„Einem Jungen aus Jahrgang sechs ist während der Vorführung schwarz vor Augen geworden, er wurde ohnmächtig“, berichtet Pia Brüntrup, Schulleiterin am Gymnasium Hoheluft. „Er wurde sofort versorgt und vorsorglich von einer Lehrkraft und dem Dozenten in die Kinderstation gebracht.“ Alle Beteiligten hätten schnell und gut reagiert. „Das Kind wurde dann in die Obhut der Eltern übergeben.“
UKE: Die Dokumentation zeigt Aufnahmen eines Lungentumors
Der Ausflug der 191 Schüler und Schülerinnen aus den Jahrgängen sechs und sieben des Eimsbütteler Gymnasiums in einen Hörsaal des UKE war Teil einer Projektwoche. Unter dem Motto „Nichtrauchen ist cool“ werden dort laut UKE seit Mai 2005 zweistündige Aufklärungsveranstaltungen für Schüler der Klassen fünf bis sieben angeboten.
In der Veranstaltung werden die Kinder über die medizinischen Auswirkungen des Konsums von Tabak, E-Zigaretten sowie Shishas aufgeklärt und es gibt Berichte von an Lungenkrebs erkrankten Patienten. Zudem zeigt ein Film Ärzte und Pflegekräfte, die bei einer Patientin mit Lungentumor eine Lungenspiegelung – die sogenannte Bronchoskopie– durchführen.
Der untersuchende Arzt spricht im Film zu den Kindern und erklärt ihnen das Vorgehen. Aus der Perspektive der Untersuchungssonde (Bronchoskop) werden Körperinnenaufnahmen von der Reise der Sonde durch die Atemwege (Luftröhre und Bronchien) bis zum Lungentumor gezeigt. „Die Kinder werden im Vorfeld darauf hingewiesen, dass es sich um Bilder aus dem Körperinneren handelt und sie sich den Film nicht anschauen müssen und herausgehen dürfen, wenn sie der Anblick beunruhigen sollte“, so UKE-Sprecherin Anja Brandt
„Nichtrauchen ist cool“ am UKE: Ein Junge in Ohnmacht, fünf Mädchen fühlten sich unwohl
Und tatsächlich verkraftete ein Sechstklässler die Aufnahmen nicht. Der Junge war nicht der Einzige, dem die Bronchoskopie einer Lunge zu nahe ging: Im Nachgang wurde noch weiteren Schülerinnen schlecht. „Die Klasse ist danach gemeinsam zurück zur Christian-Förster-Straße gegangen. Dort haben sich fünf Schülerinnen im Schulbüro abgemeldet, weil ihnen nicht wohl war. Der Klassenlehrer hat die Eltern per E-Mail über den Kontext informiert“, sagt Pia Brüntrup.
Die Eltern und Kinder aus einer betroffenen Klasse reagierten teils sehr emotional auf diesen Zwischenfall, sprachen von einem „Schockvideo“. Der ohnmächtige Junge sei mit einem Rollstuhl aus dem Hörsaal gebracht worden, sagte ein Zwölfjähriger, der das Video auch „eklig“, aber „nicht superschlimm“ fand.
Die Klassenlehrer einer der sechsten Klassen, die bei dem UKE-Besuch nicht selbst dabei waren und erst im Nachhinein von der Problematik des Videos erfahren hatten, teilten den teils aufgebrachten Eltern einen Tag nach dem Ausflug mit, dass man sich entschieden habe, an dem Projekt teilzunehmen, um die Kinder frühzeitig über die Gefahren des Rauchens aufzuklären. Der Vortrag im UKE sei altersgemäß und interaktiv gestaltet.
„In Hamburg sind Kinder 13 Jahre alt, wenn sie zum ersten Mal rauchen“
Das umstrittene Video, über das die Lehrkräfte zuvor offenbar nicht informiert waren, wurde von den Lehrern im Nachhinein jedoch als nicht altersgemäß eingestuft, wie es in einer Mitteilung an die Eltern heißt. „Wir werden diesbezüglich auch die Rückmeldung an den Veranstalter geben, dass dieses Video vom Vortrag ausgespart wird oder zumindest vorab eine Warnung ausgesprochen wird und die Möglichkeit, das Video nicht zu sehen“, heißt es weiter.
Laut UKE richtet sich die Veranstaltung bewusst an Schüler der Jahrgänge fünf bis sieben. Denn: „In Hamburg sind Kinder und Jugendliche im Schnitt lediglich 13 Jahre alt, wenn sie zum ersten Mal eine Zigarette rauchen“, sagt Anja Brandt. Daher sei das Programm „Nichtrauchen ist cool“ auf Kinder im Alter von zehn bis 13 Jahren zugeschnitten.
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E-Zigaretten seien 2023 erstmals das Rauchprodukt, mit dem Kinder und Jugendliche am häufigsten bereits Erfahrungen gemacht haben. Und diese stellten eine Einstiegsdroge für konventionelle Zigaretten dar. Aktuelle wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass insbesondere der gleichzeitige Konsum von Zigaretten und Vapes mit einem deutlich erhöhten Risiko für Lungenkrebs einhergeht.
UKE: In 19 Jahren ist bei der Veranstaltung noch nie jemand in Ohnmacht gefallen
Bereits mehr als 110.000 Schüler und Schülerinnen haben bisher an der UKE-Veranstaltung „Nichtrauchen ist cool“ teilgenommen. „Unseres Wissens nach ist in den 19 Jahren, in denen die Veranstaltung in wöchentlichem bzw. 14-täglichem Rhythmus mit mehreren Klassen der fünften bis siebten Jahrgänge stattfindet, noch nie ein Kind in Ohnmacht gefallen“, so UKE-Sprecherin Brandt.
Die Veranstaltungen sei sehr stark nachgefragt und die Termine häufig lange im Voraus von den Schulen ausgebucht. Das Veranstaltungsformat wird durch das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Kinder- und Jugendschutz.
Die Aufnahmen und begleitenden Informationen der UKE-Ärzte zeigten Erfolg im Kampf gegen das Rauchen. „Die Wirksamkeit der Präventionsveranstaltung wurde nachgewiesen“, so Anja Brandt. Sie zeige, dass Kinder, die an einer „Nichtrauchen ist cool“-Veranstaltung teilgenommen haben, nur halb so häufig mit dem Rauchen angefangen haben wie in der vergleichbaren Kontrollgruppe.