Hamburg. Gymnasium Bondenwald will das Lernen revolutionieren: Warum Kinder hier selbst bestimmen, wann, wo und wie sie lernen wollen.

  • Gymnasium Bondenwald wird die erste Dalton-Schule in Hamburg.
  • Die Vorbereitungen haben eineinhalb Jahre gedauert.
  • Das Prinzip: Weniger Frontalunterricht, mehr selbständiges Lernen.

Diese Schule in Hamburg will das Lernen revolutionieren – und das mit einer Methode, die vor mehr als 100 Jahren entwickelt wurde. Das Gymnasium Bondenwald in Niendorf wird mit Beginn des neuen Schulhalbjahres Anfang Februar die erste Dalton-Schule in Hamburg.

„Schulen und Lehrer stehen heutzutage vor so großen Herausforderungen wie fast nie zuvor. Denn die Lerngruppen werden immer heterogener, die Leistungsunterschiede innerhalb einer Klasse sind auch an einem Gymnasium durchaus vorhanden“, sagt Sabine Güldenpfennig, Schulleiterin des Gymnasiums Bondenwald in Niendorf.

Lernen wie vor 100 Jahren: Gymnasium setzt auf ungewöhnliche Methode

„Es wird zwar immer gefordert, dass das Lernen personalisiert und die Schüler und Schülerinnen individuell gefördert und gefordert werden müssen – doch das ist mit herkömmlichen Unterrichtsmethoden kaum zu schaffen“, so die Pädagogin. „Vielmehr bedarf es vielfältiger und agiler Kompetenzen, um mit den Herausforderungen umgehen zu können. Doch das geht nicht im Gleichschritt.“

Aus diesem Grund hat sich das Gymnasium nach einer fast 1,5-jährigen Planungsphase für die Umstellung auf die Dalton-Pädagogik entschieden, die Schülerinnen und Schülern mehr Spielräume beim Lernen einräumt. Was das Besondere daran ist.

100 Jahre alter Methode soll das Lernen revolutionieren

Das Prinzip wurde von der amerikanischen Lehrerin Helen Parkhurst entwickelt – und zwar vor mehr als 100 Jahren. Als junge Lehrerin an einer Landschule musste sie Schüler mit großem Alters- und Leistungsunterschied unterrichten. Da dies mit klassischen Methoden nicht möglich war, verzichtete sie so weit wie möglich auf Frontalunterricht und leitete die Kinder dazu an, sich den Lernstoff selbstständig zu erarbeiten.

Erste Dalton-Schule in Hamburg
Während der freien Dalton-Zeit arbeitet Schulleiterin Sabine Güldenpfennig (M.) mit einer Gruppe von Oberstufenschülern. © Gymnasium Bondenwald | Gymnasium Bondenwald

Auch am Gymnasium Bondenwald soll dieses eigenständige Lernen jetzt eine zentrale Rolle spielen. Dafür werden ab Februar wöchentliche Dalton-Zeiten eingeführt. Ein Drittel der Unterrichtszeit steht den Schülern und Schülerinnen künftig für das selbstständige Arbeiten zur Verfügung – das sind in einer siebten Klasse etwa acht Einheiten à 60 Minuten.

Denn auch das ist anders an dem Konzept: „Eine Lerneinheit dauert nicht 45 Minuten, sondern 60 Minuten. Egal, ob sie im Klassenverband stattfindet oder für das individuelle Lernen genutzt wird“, sagt Sabine Güldenpfennig.

Erste Dalton-Schule in Hamburg: Was das Konzept einzigartig macht

In der Praxis sieht es so aus: Die Schülerinnen und Schüler haben jede Woche Montag, Mittwoch und Freitag zu Beginn der Schulzeit um 8 Uhr sowie in der vierten Einheit 60 Minuten Dalton-Zeit, in der sie selbstständig ihre Lernpläne bearbeiten. Sie können selbst entscheiden, für welches Fach sie in dieser Zeit lernen wollen.

„Wer morgens noch zu müde für Mathematik ist, kann Deutsch oder ein anderes Fach machen. Es bleibt jedem selbst überlassen, was und vor allem wie und wo er lernen will“, sagt die Schulleiterin und erklärt, was genau damit gemeint ist.

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Schule Hamburg: Welche weitere Besonderheit es in der Selbstlernzeit gibt

„Es gibt verschiedene Räume, die während der Selbstlernzeiten genutzt werden können. In einigen kann still und alleine gearbeitet werden, in anderen in Gruppen. Außerdem stehen die Lehrkräfte als Lernberater zur Verfügung. Die Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler in den Selbstlernzeiten wird von den jeweiligen Lehrkräften durch Stempel dokumentiert“, sagt Sabine Güldenpfennig.

Und noch eine Besonderheit gebe es in der Selbstlernzeit: Die Schüler müssen sich bei Fragen nicht an ihren jeweiligen Fachlehrer wenden, sondern können den Lehrer ansprechen, zu dem sie Vertrauen haben. „Einige Schüler möchten sich offenbar vor dem eigenen Lehrer nicht die Blöße geben, dass sie etwas nicht verstanden haben und wenden sich daher lieber an andere Lehrer“, weiß die Schulleiterin aus den ersten Versuchen, die in den letzten Wochen und Monaten bereits an der Schule durchgeführt wurden.

„ „Schwerpunkt der Schule ist das Lernen und nicht das Lehren!“ “

Helen Parkhurst
Entwicklerin des Dalton-Prinzips

Sieben bis acht Stunden freie Lernzeit pro Woche für Schüler und Schülerinnen

Neben der Selbstlernzeit findet der „normale“ Unterricht im Klassenverband statt, an dem sich rein formal erst mal nichts ändert. Der Fachunterricht in jedem Fach mit Ausnahme des Sportunterrichts wird zu zwei Dritteln aus normalem Klassenunterricht und zu einem Drittel aus Dalton-Zeit bestehen. Auf diese Weise entstehen je nach Wochenstundenzahl sieben bis acht Selbstlernstunden pro Woche.

Gymnasium Bondenwald wird erste Dalton-Schule Hamburgs
Das Gymnasium Bondenwald wird die erste Dalton-Schule Hamburgs. © Gymnasium Bondenwald | Gymnasium Bondenwald

Natürlich, darüber sind sich alle einig, müssen die Schüler und Schülerinnen sich erst an die neuen Abläufe gewöhnen. „Vielleicht nutzen nicht alle von ihnen die Selbstlernzeit auch sofort zum Lernen“, sagt Güldenpfennig. Man wisse aber von anderen Dalton-Schulen, dass die Schüler das selbstständige, begleitete Lernen schnell verinnerlichen und zu schätzen wissen.

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Derzeit gibt es insgesamt 23 zertifizierte Dalton-Schulen in Deutschland. Das Gymnasium Alsdorf (bei Aachen, in NRW) war die erste Dalton-Schule Deutschlands und erhielt dafür bereits den Deutschen Schulpreis. „Nach einer Hospitation an der dortigen Schule waren unsere Kollegen so begeistert, dass wir das Konzept auch bei uns einführen wollten“, sagt die Schulleiterin.

Dalton-Schule: Schüler bestimmen selbst, was, wo und wie sie lernen wollen

Trotzdem werde das Gymnasium Bondenwald kein zweites Gymnasium Alsdorf. „Da die Dalton-Pädagogik viel auf Selbstständigkeit setzt, unterscheiden sich die Schulen oft voneinander. Das macht die Pädagogik so besonders“, weiß man am Bondenwald und zitiert gerne folgendes Dalton-Motto: „Dalton is not a system, it‘s a way of life (Dalton ist kein System, es ist eine Lebenseinstellung.)“

Das wichtigste Motto von Helen Parkhurst war übrigens „Schwerpunkt der Schule ist das Lernen und nicht das Lehren!“ Und das wollen noch mehr Schulen beherzigen. In Hamburg sollen im nächsten Jahr weitere Dalton-Schulen entstehen.