Hamburg. Weniger Klausuren: SPD-Schulsenatorin streicht schriftliche und mündliche Prüfungen in zehnter Klasse. Aber ihre Pläne gehen noch weiter.

  • Hamburg schafft die schriftliche und mündliche Überprüfungen in drei Fächern ab.
  • Wegfall der Klausuren und ihrer Korrektur soll auch Lehrer und Lehrerinnen in Hamburg entlasten.
  • Zahl der Klausuren in der Mittelstufe der Gymnasien kommt auch auf den Prüfstand.

Hamburgs Gymnasiasten und Gymnasiastinnen sollen entlastet werden: Die Hansestadt schafft im jetzt beginnenden Schuljahr die schriftlichen und mündlichen Überprüfungen in den drei Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch zum Abschluss der Mittelstufe ab. Das kündigte Schulsenatorin Ksenija Bekeris im Sommer im Interview mit dem Abendblatt an. „Wir möchten, dass die Klassenstufe 10, in der es am Gymnasium eine besondere Verdichtung gibt, entzerrt wird“, sagte die SPD-Politikerin.

Gerade in der Mittelstufe haben die Schülerinnen und Schüler viele Unterrichtsstunden und Fächer; insbesondere an den Gymnasien, die in acht Jahren zum Abitur führen, ist die Belastung groß. Die Volksinitiative „G9 Hamburg – mehr Zeit zum Lernen“ wollte mit einem Volksbegehren die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium in Hamburg erzwingen. Das ist gescheitert. Zumindest in der zehnten Klasse will Schulsenatorin Bekeris nun für Entlastung sorgen, denn Prüfungen seien ohnehin verzichtbar.

Schule Hamburg: Keine Prüfungen mehr in der zehnten Klasse der Gymnasien

„Die schriftlichen Überprüfungen sind fünfstündige Klausuren, die vor 20 Jahren eingeführt wurden. Es geht dabei darum herauszufinden, ob es bei einer Schülerin oder einem Schüler eher in Richtung mittlerer Schulabschluss oder in Richtung Abitur geht, er also in die Oberstufe wechseln kann“, so Bekeris zum Abendblatt. „Wir haben inzwischen ein so enges Netz an Schülerleistungsstudien über die einzelnen Klassenstufen hinweg geschaffen, dass wir die individuelle Entwicklung jedes Schülers und jeder Schülerin auch ohne Überprüfungen gut beurteilen können“, ist die SPD-Politikerin überzeugt. „Übrigens entlastet deren Abschaffung auch die Lehrkräfte. Darüber hinaus wollen wir mit den Schulen gemeinsam überlegen, welche weiteren Entlastungen möglich sind.“ Das gelte „ausdrücklich auch für die Stadtteilschulen“. Das ausführliche Interview lesen Sie hier.

Schulsenatorin Ksenija Bekeris
Ksenija Bekeris (SPD) ist seit Januar dieses Jahres Schulsenatorin in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Neben den drei fünfstündigen Klausuren in den Fächern Deutsch, Mathematik und in einer fortgeführten Fremdsprache müssen die Schülerinnen und Schüler bisher zu Beginn des zweiten Halbjahrs der zehnten Klasse in mindestens zwei dieser Fächer, darunter die Fremdsprache, eine mündliche Prüfung ablegen. „Obwohl das Ergebnis der Überprüfung nur mit einem Anteil von 30 Prozent in die Zeugnisnote eingeht, nehmen die unterrichtliche und häusliche Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler sowie die Durchführung der Überprüfungen viel Raum ein“, hieß es in einem Brief an die Schulleitungen, den der Leiter des Amts für Bildung in der Schulbehörde, Landesschulrat Thorsten Altenburg-Hack, vor einiger Zeit verschickte.

Gymnasien in Hamburg sollen selbst entscheiden, wann und wie sie Leistungsstand überprüfen

An den Gymnasien dient die zehnte Klasse auch zur Vorbereitung der Jugendlichen auf die Oberstufe. Nach Abschaffung der schriftlichen und mündlichen Überprüfung liege es nun „in der Verantwortung der Schulen, auf die Wiederholung des Mittelstufenstoffs in der Jahrgangsstufe 10 ganz oder teilweise zu verzichten und selbst zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Verfahren sie den diesbezüglichen Leistungs- und Kompetenzstand der Schülerinnen und Schüler erheben und absichern“. Orientierung gäben dabei „die klaren Vorgaben in den neuen kompetenzorientierten und durch Kerncurricula ergänzten Bildungsplänen“.

Weiterhin erwerben die Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien mit der Versetzung in die Oberstufe den mittleren Schulabschluss. Schülerinnen und Schüler, die nicht versetzt werden, erhalten den mittleren Schulabschluss (früher Realschulabschluss genannt), wenn sie an der entsprechenden Abschlussprüfung teilnehmen und ihre Leistungen nach der Umrechnung ihrer Zeugnisnoten in abschlussbezogene Noten insgesamt den Anforderungen entsprechen, die dem mittleren Schulabschluss zugrunde liegen, heißt es in den Brief an die Schulleitungen.

-Schule Hamburg: Warum Ksenija Bekeris Rückkehr zu G9 an Gymnasien ablehnt

Bekeris lehnt eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium entschieden ab. „Es gibt viele Schülerinnen und Schüler, die G8 gut schaffen. Die benötigen keine Entlastung. Und es gibt diejenigen, die ein Jahr länger bis zum Abitur benötigen. Und für diese Schüler gibt es in Hamburg die Stadtteilschulen mit G9“, sagte sie in dem Interview. „Ich finde die Wahlmöglichkeit zwischen diesen beiden Angeboten, die es in Hamburg flächendeckend gibt, vollkommen richtig.“

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Auch die Zahl der Klausuren in der Mittelstufe der Gymnasien insgesamt will sich die Behörde gemeinsam mit den Schulen anschauen. Im Vergleich zum Schuljahr 2017/18 sei die Zahl der Klassenarbeiten um zwölf Prozent gestiegen. Je nach Schulform und Ausgestaltung der schuleigenen Stundentafel seien in einzelnen Jahrgangsstufen bis zu 34 Klassenarbeiten in einem Schuljahr zu bewältigen. Oft drängten sie sich vor den Herbstferien, im Advent und vor den Maiferien.

„Gern möchten wir mit Ihnen in den Blick nehmen, welche der bisherigen Klassenarbeiten unverzichtbar sind, welche Klassenarbeiten durch kürzere Arbeiten ersetzt werden können und welche Erleichterungen für Schülerinnen und Schüler geschaffen werden können, ohne dass die Entwicklung ihrer schriftsprachlichen Kompetenzen und die Entwicklung ihrer Fähigkeit, Gedanken zu ordnen und strukturiert aufzuschreiben und dabei Wichtiges vom Unwichtigen zu trennen, Schaden nehmen“, schrieb Altenburg-Hack.