Hamburg. Mitte 2025 sollen 30 junge Männer in die Bismarckstraße ziehen. Bei Veranstaltung im Hamburg-Haus gehörte durchaus Mut dazu, Sorgen zu äußern.
- Über 200 Menschen besuchten die Infoveranstaltung zur geplanten Unterbringung von 30 unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen in Eimsbüttel.
- Die Diskussion verlief teils emotional und kontrovers, jedoch ohne Störungen. Doch kritische Fragen waren nicht gern gesehen.
- Die Unterkunft soll bis Mitte 2025 an der Bismarckstraße in Eimsbüttel entstehen, neben der Grundschule an der Isebek.
Es war viel zu wenig Platz im Kleinen Saal im Hamburg-Haus in Eimsbüttel, so groß war das Interesse: Mehr als 200 Menschen waren am Dienstagabend dorthin gekommen, um Genaueres über die geplante Unterbringung von 30 unbegleiteten, minderjährigen, männlichen Flüchtlingen in dem Wohnhaus an der Bismarckstraße 77-79 zu erfahren. Der Landesbetrieb Erziehung und Beratung und die Sozialbehörde stellten das Vorhaben erstmalig der Öffentlichkeit vor.
Polizisten, die vor dem Eingang einer solchen Infoveranstaltung stehen, das ist eher ungewöhnlich. Die Sozialbehörde hatte die Kräfte angefordert, weil politisch motivierte Störungen befürchtet worden waren. Die Diskussion um die minderjährigen Flüchtlinge verlief zwar nicht immer sachlich, sondern mitunter sehr hitzig, aber Störungen wie vermutet gab es bis zum Abend keine.
Flüchtlinge Hamburg: „Kann ich meine Töchter ohne Gefahr dort am Haus entlanggehen lassen?“
Es gehörte schon Mut dazu, hier kritische Fragen zu stellen. Ganz vorsichtig und ein wenig unsicher wagte sich eine Anwohnerin aus der Bismarckstraße dennoch hervor: „Ich bin Mutter von zwei jugendlichen Töchtern, kann ich meine Töchter noch ohne Gefahr dort am Haus entlanggehen lassen? Gibt es eine Anlaufstelle, wenn die vielleicht blöd angemacht werden?“, fragt sie sehr zögerlich. „Darf man das sagen?“
Das durfte man fragen, aber der Gegenwind war groß. Viele Menschen, die zur Informationsveranstaltung gekommen sind, begrüßen die jungen Flüchtlinge, planen schon ehrenamtliche Arbeit und freuen sich auf gemeinsame Sommerfeste: „Ich begrüße dieses Projekt sehr, dieser Stadtteil wurde bislang vom Thema Integration verschont und deshalb unterstütze ich das sehr“, sagte eine Anwohnerin und bekam Applaus. Besorgtere Anwohner dagegen ließen viele nicht so gern zu Wort kommen. Sie wurden häufig durch Zwischenrufe unterbrochen und auch persönlich angegangen.
Die junge Mutter, die sich um ihre jugendlichen Töchter sorgt, gehört jedenfalls nicht in die rechte Ecke. Sie ist sich klar, „dass wir hier in einer wunderbaren Blase in Eimsbüttel wohnen, unendlich sicher.“ Ihre Sorgen kann sie nicht so leicht abstellen. Vielleicht hilft ihr und anderen Eimsbüttelern der Appell von Olaf Nowak vom Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB), der die Unterkunft betreiben wird: „Erweitern Sie diese Blase um eine weitere bunte Welt.“
Bismarckstraße Eimsbüttel: Junge Flüchtlinge sollen Mitte 2025 dort einziehen
Diese bunte Welt wird bis Mitte 2025 an der Bismarckstraße neben der Grundschule an der Isebek im Erdgeschoss entstehen. Genauer: eine neue, sogenannte Clearingstelle Erstversorgung. Dort werden die Jugendlichen wohnen.
Noch ist der Mietvertrag mit dem Eigentümer der Fläche im Erdgeschoss zwar nicht unterschrieben, die Baugenehmigung liege aber vor, und Olaf Nowak geht davon aus, dass alles planmäßig verläuft und die jungen Menschen nach Ende der Umbaumaßnahmen dort einziehen können. „Das ist ein guter Ort für die Jugendlichen, um aufzuwachsen und in der Bundesrepublik integriert zu werden.“
Flüchtlinge in Eimsbüttel: Das sind die Fakten zur Unterkunft Bismarckstraße 77-79
- Sie kommen aus Afghanistan, Somalia, Eritrea, den nordafrikanischen Mittelmeerländern, Syrien, Palästina, Iran, Irak und aus der Ukraine.
- Sie sind überwiegend 14 bis 17 Jahre alt, meist männlich und unbegleitet.
- In der Bismarckstraße in Eimsbüttel wird Orientierung geboten, sie können dort zur Ruhe kommen und werden integriert.
- Jeweils zwei Jugendliche teilen sich jeweils eines der 15 Zimmer.
- In der Clearingstelle klären die Mitarbeiter in den ersten drei Monaten die Vorgeschichte, um eine geeignete Anschlussstelle (meist Jugendwohnungen) zu finden.
- An der Bismarckstraße werden ihnen Alltagskompetenzen, wie Pünktlichkeit, vermittelt.
- Sie lernen Deutsch und besuchen eine Regelschule.
- Ziel ist es, eine Perspektive für jeden Einzelnen herauszuarbeiten.
- Nach sechs bis acht Monaten ziehen die jungen Männer in eine Anschlussbetreuung.
- 10 sozialpädagogische Fachkräfte und Sprach- und Kulturvermittler arbeiten vor Ort sowie die Einrichtungsleitung.
- Ein Sicherheitsdienst ist von 21.30 bis acht Uhr von montags bis sonntags vor Ort.
- Die Nutzungsdauer ist auf 20 Jahre angelegt, mit der Option auf Verlängerung um zehn Jahre.
- Es gibt keinen Außenbereich, die jungen Leute können sich wie alle anderen Anwohner in den umliegenden Parks aufhalten.
„Meine Söhne wählen die AfD. Wie kann ich die von der Unterkunft überzeugen?“
Probleme erwarten die Verantwortlichen vom LEB und der Sozialbehörde mit den Jugendlichen keine. Streitigkeiten gibt es erfahrungsgemäß eher untereinander. Olaf Nowak: „Es sind Jugendliche, die sicher mal laut sind oder unter ihren Balkonen rauchen werden, was sie nicht dürfen.“ Er ruft Anwohner und Nachbarn dazu auf, sich bei jedem Problem direkt an die Einrichtungsleitung vor Ort zu wenden. „Das wird dort nicht anonym sein.“
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Ein Anwohner der Bismarckstraße freut sich auf die neuen Nachbarn. „Ich finde das super.“ Seine Jungs, sagt er, eher weniger. „Meine Söhne wählen die AfD und schimpfen darüber. Wie kann ich die von der Unterkunft überzeugen?“, fragt er. Darauf hat an diesem Abend niemand eine Antwort.