Hamburg. Anne Effenberger kritisiert Anwohnerparken im Grindelviertel. Ihre Alternative: das Fahrrad. Doch der Umstieg ist nicht ungefährlich.
Anne Effenberger macht das Beste daraus: Mit der Einführung des umstrittenen Anwohnerparkens in Hamburg haben sie und ihr Mann Thomas von der gleichnamigen Vollkornbäckerei keine Möglichkeit mehr, als Gewerbetreibende im Grindelviertel unkompliziert zu parken. Also fährt die 60-Jährige seit drei Jahren täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit – vom schleswig-holsteinischen Reinbek bis nach Rotherbaum.
Morgens verlässt sie ihr Haus, um rund eine Stunde und 15 Minuten später an der Rutschbahn anzukommen. Abends um 19.30 Uhr fährt sie zurück nach Hause. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 19 Kilometern pro Stunde geht es die Geschäftsfrau mit ihrem E-Bike eher langsam an. „Ich fahre keine 25 Kilometer pro Stunde, das ist viel zu gefährlich.“
Anwohnerparken Hamburg: 25 Kilometer hin und 25 Kilometer zurück – jeden Tag
Sie benutzt für die rund 25 Kilometer von ihrem Haus in Neuschönningstedt bei Reinbek zu ihrer Bäckerei in Hamburg das Rad, weil die Parkplatzsituation im Grindelviertel seit der Einführung des Anwohnerparkens untragbar geworden sei. Auch Handwerker oder Pflegedienste beklagen, dass sie in entsprechenden Zonen sehr viel für das Parken bei Kunden bezahlen müssen – und am eigenen Standort kaum eine Ausnahmeregelung für ihren Fuhrpark bekommen.
Für die sieben Fahrzeuge der Firma erhalten auch die Effenbergers keine Ausnahmegenehmigung, um wie Anwohner auch für eine jährliche Gebühr im Viertel parken zu können. Also zahlen sie jedes Jahr 6000 Euro zusätzlich für angemietete Stellplätze, um mit ihren Firmenfahrzeugen täglich die 10.000 Brote ausliefern zu können.
Auch ihren privaten Tesla kann Anne Effenberger kaum im Grindelviertel abstellen. „Elektroautos dürfen hier zwar kostenlos parken, aber immer nur für die Dauer von drei Stunden.“ Und auf das ständige Umparken, um an anderer Stelle die Parkscheibe neu einzustellen, hat sie weder Lust noch Zeit. Um zur Arbeit zu kommen, ist sie deshalb ganz aufs Fahrrad umgestiegen. Doch das ist nicht immer ganz ungefährlich.
Anne Effenberger: Radfahren in Hamburg ist nicht ungefährlich
Gefährlich macht die tägliche Tour über Barsbüttel, Jenfeld, an der Wandse und Alster entlang vor allem der Autoverkehr, manchmal auch das Wetter. „Ich muss vorausschauend fahren, sonst überlebe ich das nicht“, sagt Effenberger. Blickkontakt mit den Autofahrern sei wichtig. „Mindestens einmal die Woche werde ich von einem Autofahrer übersehen.“ Einmal ist sie schon unter die Räder gekommen, zum Glück blieb sie unverletzt. „Der Autofahrer aber ist einfach weggefahren.“
In den vergangenen drei Jahren hat sie nur einmal eine Ausnahme gemacht und ist eine Woche lang mit dem Auto zur Firma gefahren. „Das war im letzten Winter bei Eis und Schnee.“ Und in der vergangenen Woche bei dem heftigen Starkregen ist sie gestürzt, hat sich unter anderem Schürfwunden am Knie zugezogen. Danach musste sie das Rad schieben. „Ich habe die Fahrspur überhaupt nicht mehr gesehen, meine Brille ist bei Regen ohnehin beschlagen, das macht es zusätzlich gefährlich.“
Tägliches Radfahren: Effenberger nutzt Airbag-Kragen und LED-Lichter
Zu ihrem Schutz trägt Effenberger einen Kragen, der wie ein Airbag funktioniert und den Kopf bei Stürzen schützt. Zusätzliche LED-Lichter sorgen außerdem für Sicherheit, vor allem in der dunklen Jahreszeit. Dann wärmen beheizbare Socken und Handschuhe ihre empfindlichen Gliedmaßen.
Die täglichen Fahrten – außer freitags, da fährt sie mit dem Auto, um Dinge zu transportieren – haben Spuren hinterlassen. Weniger bei Anne Effenberger, vielmehr an ihrem Fahrrad. „Das Rad hat 20.000 Kilometer auf dem Tacho und schon den zweiten Motor.“ Klar, sei sie vielleicht ein wenig fitter als noch vor drei Jahren. Aber Wunder bewirkt das tägliche Radfahren wohl auch nicht, Anne Effenberger ist da ganz nüchtern: „Ich bin selten krank, aber das war ich auch vor dem vielen Radfahren schon.“
Anwohnerparken Hamburg: Den öffentlichen Nahverkehr lehnt Anne Effenberger ab
Den öffentlichen Nahverkehr lehnt sie ab. Die vielen Streiks haben es ihr vermiest. „Meine Mitarbeiter bekommen das am meisten zu spüren und müssen dann zu Fuß kommen. Die Streiks treffen die Falschen.“ Dann lieber Fahrradfahren und unabhängig sein. Die tägliche Aktivität habe ja auch Gutes: „Es macht den Kopf frei“, sagt Anne Effenberger. Musik hört sie nur leise, um sich auf den Verkehr konzentrieren zu können.
Mehr zum Thema Anwohnerparken und Radfahren
- Anwohnerparken: Jetzt bekommt sogar eine Hamburger Elbkinder-Kita Probleme
- Umstrittenes Anwohnerparken in Hamburg hat zwei überraschende positive Folgen
- Verkehr Hamburg: Ärger um neue Radboxen – wieder fallen Parkplätze weg
Auch wenn sie sich darüber ärgert, dass Gewerbetreibende unter dem Anwohnerparken leiden: Mit ihrem Umstieg aufs Fahrrad erfüllt sie das Ziel der Verkehrswende und verzichtet aufs eigene Auto.