Hamburg. Hamburg testet moderne Fahrradgaragen, doch schon zum Start hagelt es Kritik. Auch, weil sie eine Hamburgensie verdrängen sollen.
Mit einem einjährigen Pilotprojekt testet Hamburg an zwölf Standorten in den Bezirken Eimsbüttel, Altona, Mitte und Nord innovative Fahrradgaragen. Mit diesen grauen Radboxen, die auf den ersten Blick an mächtige Müllcontainer erinnern, möchte die Stadt selbst für sichere Fahrrad-Abstellmöglichkeiten in dicht besiedelten Stadtteilen sorgen. Doch nicht jedem gefällt das Vorgehen.
Bislang können Anwohner ihre Räder in privat betriebenen Fahrradhäuschen zu einer geringen Miete abstellen. „Mit den zwölfeckigen Fahrradhäuschen war Hamburg schon Vorreiter. Sie sind aber nicht mehr zeitgemäß“, sagt Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing.
Verkehr Hamburg: Ärger um neue Radboxen, zwölfeckige Fahrradhäuschen werden abgeschafft
Die Fahrradhäuschen, so Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), werden nach und nach abgeschafft: „Die neuen Radboxen sollen die privaten Fahrradhäuser im Stadtbild perspektivisch ablösen.“
Und tatsächlich werden zumindest in Eimsbüttel die Sondernutzungsgenehmigungen für die Standorte der Fahrradhäuschen nur noch für höchstens zwei Jahre erteilt beziehungsweise verlängert. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bezirk hervor. In Eimsbüttel gibt es demnach 217 Fahrradhäuschen, hamburgweit sind es rund 400. Eimsbüttel hat damit die höchste Dichte an Fahrradhäuschen im Stadtgebiet.
Ein Fahrradhäuschen wird privat angeschafft und kostet je nach Ausstattung rund 7000 bis 10.000 Euro. Die Hamburger Bezirksämter gewähren Zuschüsse von höchstens 3500 Euro pro Häuschen. Den Rest übernehmen die Nutzerinnen und Nutzer.
In den kommenden zwei Jahren, einschließlich 2024, werden 194 dieser Sondergenehmigungen in Eimsbüttel allerdings auslaufen. Im Bezirk wurden in den vergangenen drei Jahren keine neuen Fahrradhäuschen genehmigt – beantragt wurden seit 2021 aber 21 Häuschen. Die Nachfrage ist durchaus vorhanden: Für 2025 sind bereits fünf Anträge für Fahrradhäuschen eingegangen, diese werden aber laut Bezirksamt Eimsbüttel noch bearbeitet.
Eimsbüttel: Viele der alten Fahrradhäuschen gammeln laut Senator vor sich hin
Viele der alten Fahrradhäuschen, so Anjes Tjarks, gammelten vor sich hin. Die Betreibergesellschaft P+R werde dafür sorgen, dass die neuen Radboxen sauber und ordentlich bleiben.
Dabei werden die Häuschen durchaus instand gesetzt: Die Wegewarte des Bezirksamtes nehmen die Fahrradhäuschen in Augenschein. Im Jahr 2022 wurden laut Bezirksamt Eimsbüttel 13 Instandsetzungen vorgenommen, im Jahr 2023 waren es 47.
Verkehr Hamburg: Gewerbetreibende fühlen sich bei Radboxen benachteiligt
Radfahrer und Anwohner Hendrik Korb hält nicht viel von den neuen Radboxen in seinem Viertel. „Der Parkdruck für alle im Grindelviertel nimmt immer mehr zu. Für Autos ist es schon schwierig, für Fahrräder nicht viel besser. Die ineffiziente Gestaltung der Radboxenflächen ist daher wenig hilfreich und schürt unnötig Konflikte.“
Er wünscht sich eine bessere Flächenauswahl und -nutzung. „Dabei sollte man auch mögliche Synergien prüfen, zum Beispiel die einer gemeinsamen Lademöglichkeit für E-Bikes und E-Fahrzeuge.“
Und Anne Effenberger von der gleichnamigen Bäckerei an der Rutschbahn fühlt sich als Gewerbetreibende ausgegrenzt. „Nur Anwohner dürfen die Radboxen nutzen. Wir werden wieder einmal benachteiligt“, sagt sie. Dabei fährt sie jeden Tag 50 Kilometer von Reinbek nach Rotherbaum, weil sie durch das umstrittene Anwohnerparken sonst alle drei Stunden ihr E-Auto umparken müsste.
Hamburg-Eimsbüttel: FDP will die alten Fahrradhäuschen behalten
Zwar forderte Senator Anjes Tjarks sie am Montag während eines Pressetermins an den Radboxen dazu auf, sich doch ruhig für die Testphase zu bewerben, auch als Gewerbetreibende, doch Anne Effenberger bleibt skeptisch.
Benjamin Schwanke, Vorsitzender der FDP-Fraktion Eimsbüttel, plädiert dafür, die alten Fahrradhäuschen weiterhin zu genehmigen: „Wir brauchen in Zeiten knapper werdender Haushaltskassen private Co-Investitionen in Infrastruktur wie die Fahrradhäuschen mehr denn je.“
Fahrrad Hamburg: In die neuen Radboxen passen höchstens sechs Räder
Es sei ihm daher „schleierhaft“, warum die Fahrradhäuschen „in naher Zukunft zumindest teilweise von neuen, voll durch ein öffentliches Unternehmen der Stadt finanzierte Radboxen ersetzt werden könnten, zumal diese weniger Stellplätze bieten“.
Tatsächlich passen in die alten Fahrradhäuschen zwölf Räder, in die neuen Boxen dagegen höchstes sechs. Der Vorteil gegenüber den bekannten Häuschen ist aber, dass die Räder nicht mehr hochgehievt und eingehängt werden müssen, so ist die Nutzung der neuen Boxen barrierefrei.
Benjamin Schwanke hält die geeigneten Stellplätze im öffentlichen Raum für schwere E-Bikes sowie für Fahrräder älterer oder erkrankter Menschen zwar für sinnvoll. Er kritisiert aber, dass die neuen, recht massiven Fahrradgaragen wieder Parkplätze wegnehmen: „Dies darf nicht zum Deckmäntelchen für die weitere künstliche Verknappung von Kfz-Stellplätzen und privat kofinanzierten Fahrradstellplätzen werden.“
Verkehr Hamburg: Die modernen Radboxen werden auf Parkflächen installiert
Während die alten Fahrradhäuschen häufig auf Gehwegen stehen, werden die modernen Radboxen auf der Straße aufgebaut. An der Rutschbahn in Rotherbaum etwa fallen dadurch mindestens drei Parkplätze weg.
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Schwanke: „Die Stellplatzmangelpolitik in dieser Stadt nimmt immer groteskere Züge an und führt zu immer unnötigeren Konflikten in Hamburgs Wohnquartieren.“ Damit meint er das ständige Gegeneinander der einzelnen Verkehrsteilnehmer.