Hamburg. Behörde zeigt Anwohnern, wie die pflegebedürftigen Bewohner untergebracht werden. Das soll Ängste abbauen – doch gibt es noch Sorgen.

Manche Niendorfer kennen das ehemalige Pflegewohnstift am Garstedter Weg 79–85, weil ihre Eltern oder andere Verwandte dort gelebt haben. Künftig bringt die Stadt dort allerdings pflegebedürftige Obdachlose unter. Damit sich Anwohner und andere Interessierte aus dem Stadtteil vorab ein Bild machen können, wie es drinnen aussieht, lädt der Betreiber Fördern & Wohnen am Donnerstagabend (11. April) ab 18 Uhr zum Abend der offenen Tür. Auch die zweite geplante Unterkunft, das künftige Übergangswohnheim am Garstedter Weg 20, wird von 18 bis 20 Uhr zur Besichtigung geöffnet.

Am Donnerstagmittag hat die Behörde Medienvertretern bereits einen ersten Blick in die Räume im ehemaligen Pflegewohnstift ermöglicht. Am Garstedter Weg 79–85 hatten zuletzt noch 40 betagte Menschen gelebt, die dann ein neues Zuhause finden mussten. Bald sollen hier bis zu 118 Obdachlose aus Hamburg leben. Das hat im Stadtteil im Vorfeld für viel Aufregung gesorgt.

Hamburg-Niendorf: Die ersten Bewohner ziehen am 22. April an den Garstedter Weg

Im Haus wuseln am Donnerstagmittag schon mehrere Mitarbeiter herum, die den Einzug der ersten 30 Bewohner am 22. April vorbereiten. Den Überblick behält Katrin Wollberg, Leiterin des Geschäftsbereichs „Aufnahme und Perspektive, Spezialangebote für Wohnungslose“ bei Fördern & Wohnen und nun auch zuständig für die neuen Einrichtungen am Garstedter Weg.

Im ehemaligen Pflegewohnstift am Garstedter Weg 79–85 in Hamburg-Niendorf ziehen demnächst die ersten Obdachlosen ein.
Im ehemaligen Pflegewohnstift am Garstedter Weg 79–85 in Hamburg-Niendorf ziehen demnächst die ersten Obdachlosen ein. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

„Wir möchten, dass das hier für die Menschen, die einziehen, ein Zuhause wird“, sagt Wollberg. Deshalb hingen auch weiterhin Bilder an den Wänden, es gebe von der Vorgängereinrichtung noch Klaviere und die große altmodische Standuhr, die alle Viertelstunden laute Gongs von sich gibt.

Neues Leben im alten Pflegewohnstift: Obdachlose finden Zuflucht

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    In der Einrichtung gibt es ihren Angaben zufolge etwa 15 Zweibettzimmer, der weitaus größte Teil seien aber Einzelzimmer, alle neben einem Bett mit Tisch und Stühlen sowie Schränken ausgestattet und eigenem barrierefreiem Bad. An jedem Bett ist eine Notfallklingel angebracht. Sie sei sehr froh über die Pflegebetten, sagt Katrin Wollberg, man habe die Unterkunft möbliert übernommen. „Wir mussten hier nicht einmal streichen.“ Die Flure sind hell und freundlich, die Zimmer ebenso.

    Obdachlose in Niendorf: Fördern & Wohnen sucht noch Hauswirtschaftskräfte

    Vorerst sollen ihren Angaben zufolge sukzessive bis zu 50 Menschen einziehen. „Wir suchen noch Hauswirtschaftskräfte, bis dahin wird es ein Catering geben.“ Die Bewohnerinnen und Bewohner, die alle vorher lange auf der Straße gelebt haben und derzeit im Notprogramm in der Friesenstraße in Hammerbrook untergebracht sind, bekämen Frühstück, Mittag und Abendessen, gelegentlich vielleicht auch Kuchen, sagt Wollberg.

    So sieht beispielsweise ein Einzelzimmer in der Obdachlosenunterkunft am Garstedter Weg aus. Es ist mit einem Pflegebett, Nachttisch, Tisch und Stühlen, Schrank und eigenem Badezimmer ausgestattet.
    So sieht beispielsweise ein Einzelzimmer in der Obdachlosenunterkunft am Garstedter Weg aus. Es ist mit einem Pflegebett, Nachttisch, Tisch und Stühlen, Schrank und eigenem Badezimmer ausgestattet. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

    Die Mahlzeiten würden im sogenannten Café au Lait im Erdgeschoss serviert, es gebe aber auch die individuelle Möglichkeit, in seinem Zimmer zu essen, sagt die Unterkunftsleiterin. Hinter dem großen, hellen Speiseraum erstreckt sich ein recht weitläufiger Garten. Auch Dachterrassen gibt es auf dem Gebäude, das vor einigen Jahren erweitert worden war. Vorerst wird am Garstedter Weg 79–85 nur das Erdgeschoss im Neubau mit Bewohnern belegt.

    Hamburger Sozialbehörde: „Wir helfen Menschen, die in Not sind“

    Wolfgang Arnhold, Sprecher der Sozialbehörde, sagt: „Wir sind sehr froh, dass wir dieses Pflegewohnstift gefunden haben, wir helfen Menschen, die in Not sind.“ Obwohl es im Vorfeld viel Protest gegeben habe, teile seine Behörde nicht die Sorge, dass die Einrichtung den Stadtteil verändern werden. „Aber wir versuchen, die Sorgen der Anwohner ernst zu nehmen.“ Ende Mai werde es den ersten runden Tisch geben; wer ein Anliegen habe, solle sich aber unbedingt vorher melden.

    Das sogenannte Café au Lait in der Unterkunft für Obdachlose am Garstedter Weg 79–85. Hier wird das Essen ausgegeben.
    Das sogenannte Café au Lait in der Unterkunft für Obdachlose am Garstedter Weg 79–85. Hier wird das Essen ausgegeben. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

    Ein Streifendienst von zwei Personen werden morgens im Bereich der Kitas, der Schule und im umliegenden Wohngebiet unterwegs sein, weil die Nachbarschaft sich das gewünscht habe, sagt Arnhold. Weitere Sicherheitskräfte, die aber auch andere Aufgaben übernehmen werden, sollen laut Katrin Wollberg zudem dafür sorgen, dass es auch vor der Einrichtung oder im Garten nicht zu laut wird, denn einige der Bewohnerinnen und Bewohner seien Raucher.

    Garstedter Weg: Pflegedienst ist im Haus, Arzt bietet Sprechstunden an

    16 Stunden am Tag werde ein Pflegedienst im Haus sein, der bei Bedarf innerhalb von sechs Stunden aufgestockt werden könne, sagt die Unterkunftsleiterin. Ein Arzt, der auch an der Friesenstraße tätig ist, werde Sprechstunden am Garstedter Weg abhalten.

    Auf dem Dach der neuen Obdachlosenunterkunft am Garstedter Weg in Niendorf gibt es eine große Dachterrasse mit Blick auf die umliegenden Häuser und Gärten.
    Auf dem Dach der neuen Obdachlosenunterkunft am Garstedter Weg in Niendorf gibt es eine große Dachterrasse mit Blick auf die umliegenden Häuser und Gärten. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

    „Die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner sind zwischen Mitte 30 und Mitte 70“, sagt Katrin Wollberg. Es gebe darunter einen Dialysepatienten, aber auch Menschen mit Krebs oder Palliativbedarf. Etliche seien auch mobilitätseingeschränkt. Niemand, der sich gesundheitlich erhole, werde anschließend wieder auf die Straße geschickt, versichert sie.

    Garstedter Weg: In der Fett‘schen Villa startet der Betrieb Ende Juni

    In der Fett‘schen Villa am Garstedter Weg 20 entsteht als Modellprojekt derweil ein sogenanntes Übergangswohnheim für 16 Obdachlose. Bei diesen Bewohnern steht nicht der Pflegebedarf im Vordergrund, sondern die kurzfristige Unterbringung von Frauen und Männern, die ihr Leben neu sortieren und eventuell auch von einer Rückkehr in ihre Heimatländer überzeugt werden sollen. Der Betrieb soll erst Ende Juni 2024 starten.

    Niendorf: Fördern & Wohnen sucht freiwillige Helfer für Obdachlosenheime

    Fördern & Wohnen sucht für beide Niendorfer Standorte noch Freiwillige, die sich ehrenamtlich um die neuen Bewohner kümmern möchten. „Für das Pflegeheim im Garstedter Weg suchen wir Menschen, die Doppelkopf-Runden anbieten möchten. Viel mehr als Doppelkopf-Wissen brauchen Sie dafür nicht mitzubringen – ein Gruppenraum ist vorhanden“, heißt es von Fördern & Wohnen. Im Übergangswohnen könne beispielsweise gemeinsam gekocht werden. Erste Ehrenamtliche hätten sich bereits gemeldet.

    Die Fett‘sche Villa am Garstedter Weg in Niendorf wird eine Obdachlosenunterkunft zum Übergangswohnen. Sie wird erst Ende Juni in Betrieb gehen.
    Die Fett‘sche Villa am Garstedter Weg in Niendorf wird eine Obdachlosenunterkunft zum Übergangswohnen. Sie wird erst Ende Juni in Betrieb gehen. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

    Dies seien nur Beispiele für gemeinsame Zeit, für andere Vorschläge sei man offen. Häufig fehle obdachlosen Menschen die Kraft, sich selbst aus ihrer Situation zu befreien. „Da kann ein freundlicher Kontakt zu freiwillig Engagierten unterstützend wirken – ergänzend zu den professionellen Hilfsstrukturen“, heißt es.

    Niendorf: Initiative fordert Hausordnung für Unterküfte am Garstedter Weg

    Die Anwohner-Initiative „Niendorf lebenswert für alle“ macht sich jedoch weiterhin Sorgen um den Alkohol- und Drogenkonsum im Umfeld der Einrichtungen. „Insbesondere die Frage hinsichtlich anfänglicher und regelmäßiger Drogentestungen sowie die Bereitstellung der Hausordnung für beide Standorte liegen der Öffentlichkeit und uns leider noch nicht vor“, kritisiert die Initiative.

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    Laut Behörde sollen keine Drogenabhängigen in Niendorf untergebracht werden. Allerdings sei bislang unklar, welche Verhaltensweisen der Bewohner in welcher Form sanktioniert würden, so die Anwohner.