Hamburg. Tierschützer, TV-Moderator und Tierheimleiter Frank Weber aus Lokstedt über Hunde aus Osteuropa und Anspruchshaltung der Menschen.
Die Waschbären sind gerade ausgezogen, eine kleine Welpenbande aus Rumänien eingezogen. Die vier Monate alten Hundekinder werden schnell ein neues Zuhause finden, weiß Frank Weber. Weil sie jung sind und anfängergeeignet. Der 55-Jährige leitet das Franziskus Tierheim in Hamburg-Lokstedt seit fast 20 Jahren und kann vieles über Tiervermittlung und Tierschutz berichten – und über schwierige deutsche Hunde.
Es wird erst einmal gebellt, ist ja klar. Wenn fremde Menschen an den Zwingern vorbeigehen, schlagen die meisten Hunde Alarm. Die vier Monate alten Welpen aus Rumänien dagegen sind einfach nur neugierig und drücken ihre Schnauzen und Nasen an die Gitter – in freudiger Erwartung.
Tierheim Hamburg: rund 100 Tiere in der Einrichtung in der Nähe von Hagenbeck
Genau wie Thera, eine Jagdterrier-Mischlingsdame aus Rumänien, die sich laut Steckbrief für die Zweibeiner am Ende der Leine herzlich wenig interessiert, „in Innenräumen aber zum Schmusetier mutiert“.
Die Katzen im Katzenhaus kommen ebenfalls neugierig an die Glastür und betrachten die Besucher, anderen Artgenossen ist das egal. Sie rekeln sich lieber im gesicherten Freilauf in der Sonne.
Rund 100 Tiere leben derzeit im Franziskus Tierheim, das zwischen NDR und Tierpark Hagenbeck, wo derzeit gestreikt wird, liegt. Hunde, Katzen, Kleintiere, aber auch ein Rehkitz waren dort schon einmal untergebracht – und eben Waschbären. Rund 220 Hunde werden im Jahr vermittelt.
Franziskus Tierheim in Hamburg-Lokstedt muss keine Kampfhunde aufnehmen
Die Einrichtung im Bezirk Eimsbüttel führt ein wenig ein Schattendasein. Immer wieder steht eher das Tierheim Süderstraße im Mittelpunkt – zuletzt wegen eines Aufnahmestopps.
Anders als das Tierheim Süderstraße hat das Haus in Lokstedt, das vom Verein Bund gegen Missbrauch der Tiere betrieben wird, keinerlei Verträge mit der Stadt Hamburg, bekommt auch keinen Cent öffentliche Gelder. Fundtiere und Tiere aus Beschlagnahmungen kommen vertragsgemäß alle in die Süderstraße. Und darüber ist Frank Weber auch ganz froh. Sonst hätte er jede Menge Problemfälle in seinem Tierheim. Denn: „Es gibt einfach viel zu viele problematische Hunde. Die sitzen dann sehr lange im Tierheim, die will keiner haben, weil es zum Beispiel schon einen Beißvorfall gegeben hat“, sagt er.
Tierheim Hamburg – 60 Prozent der Hunde sind schwierig
Nette Hunde kommen eher selten ins Tierheim, 60 Prozent der Hunde seien schwierig. Und das ist natürlich nicht die Schuld der Hunde, sondern der Menschen.
Das sei eine Frage des Managements, der Erziehung. „Viele Menschen haben den Bezug zum Natürlichen verloren, vermenschlichen vieles.“ Ein Hund ist aber ein Tier und brauche klare Grenzen.
„Die Leute schaffen sich unüberlegt einen Hund an und wenden sich bei Problemen an keine Trainer. Dann läuft zwei, drei Jahre vieles schief, und der Hund wird abgegeben. Wir sollen es dann richten“, sagt Weber mit einem süddeutschen Dialekt.
Fernsehzuschauer kennen Frank Weber aus Fernsehsendung „Hundkatzemaus“
Frank Weber ist Tierschützer durch und durch. Das war der studierte Germanist und Politologe, der mit seinem Partner in Eimsbüttel lebt, nicht immer. Eigentlich wollte der Heidelberger Journalist werden, ist dann über Umwege im Tierschutz gelandet – und geblieben.
Fernsehzuschauer kennen ihn als Moderator der Fernsehsendung „Hundkatzemaus“ bei Vox. Dort setzt er sich für Hilfe suchende Haus- oder Nutztiere ein und vermittelt sie. „Ich bin der gute Tierschutzonkel“, sagt er und lacht.
Er will aufklären und beraten. „Die Menschen müssen sich vor der Anschaffung eines Haustieres überlegen, was sie diesem Tier bieten können.“ Die Anspruchshaltung der Menschen sei enorm, sagt er. „Es soll die Rassekatze mit blauen Augen sein, der Rassehund, der Kinder, Katzen und Menschen liebt, gleichzeitig aber ein Wachhund sein soll. Und er muss sofort funktionieren.“ Er sagt, Hunde würden immer mehr zur Ware verkommen.
Deutsche Hunde oft schwierig – Weber setzt auf ungarische und rumänische Tiere
Es mag ein wenig seltsam klingen, aber deutsche Hunde seien oftmals schon versaut, wenn sie abgegeben werden, weil Halter oder Halterin nicht mit dem Tier klarkommen. Manche dieser Hunde kommen aus dem Internet und werden von den Verkäufern unter falschen Versprechungen angeboten.
Damit die Menschen eben nicht im Kleinanzeigenmarkt im Internet Welpen kaufen, womöglich sogar illegale aus dem Ausland, die oft viel zu jung von der Mutter getrennt werden und krank sind, holt Weber nette, junge Hunde aus den Partnertierheimen hierher und vermittelt sie – die Tiere kommen aus Ungarn, Rumänien, Spanien. Hunde aus dem Auslandstierschutz sind ihm lieber als deutsche mit Vorgeschichte.
In eine Großstadt wie Hamburg holt er selbstverständlich keine großen Herdenschutzhunde oder anspruchsvolle Belgische Schäferhunde. Hier seien eher die kleineren, niedlichen Hunde gefragt.
Angst vor übertragbaren Krankheiten brauche niemand zu haben: „Diese Hunde sind so gut durchgecheckt wie sonst keine, jeder bekommt sein eigenes Blutbild und sämtliche Impfungen.“ Kranke Tiere dürfen gar nicht nach Deutschland.
Tierheim Hamburg: Erbschaften kommen eher selten aus Hamburg
So setzt sich Frank Weber für den Auslandstierschutz ein. Es gibt Partnertierheime in Rumänien und Ungarn, dorthin fährt er regelmäßig, dorthin geht viel Geld und Engagement. Wenn jemand fragt, warum er sich für Hunde im Ausland einsetzt, dann sagt er Kritikern: „Es ist egal, wo das Tier lebt, wenn es Hilfe braucht.“ Er hat Dinge in Osteuropa gesehen, die ihn nachhaltig beschäftigen. So schlecht werde dort mit Tieren umgegangen.
Das Franziskus Tierheim finanziert sich ausschließlich über Spenden, vor allem durch Erbschaften. Die kommen aus allen Teilen Deutschlands, selten aus Hamburg, sagt Weber. 50.000 Euro kostet der Tierheimbetrieb mit rund sechs Mitarbeitern und zwei Tierärzten auf Minijob-Basis jeden Monat, Tendenz aufgrund der Inflation steigend. Geld von der Stadt Hamburg gibt es keines.
Tierschutzvereine fordern mehr Geld aus der Hundesteuer
Als Weber das Tierheim vor fast 20 Jahren übernommen hat, war es in einem schlechten Zustand, hatte außerdem einen schlechten Ruf. Weber hat Ordnung hineingebracht, einen guten Ruf aufgebaut, obwohl er nicht vom Fach war. „Das war ein harter Weg.“
Es ärgert Frank Weber sehr, dass Tierheime selbstverständlich alle Problemfälle aufnehmen und sich kümmern sollen, es dafür aber keine finanziellen Hilfen gibt.
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Deshalb hat er mit zwölf weiteren Vereinen und Organisationen eine Petition gestartet. Tierheime und Tierschutzeinrichtungen sollen von der Stadt mindestens 50 Prozent der Hundesteuer erhalten, um damit die Einrichtungen zu finanzieren. Anfang 2023 gab es in Hamburg 62.336 Hundebesitzer, im vergangenen Jahr nahm die Stadt laut Finanzbehörde 5,37 Millionen Euro Hundesteuer ein.
Tierheim Hamburg: Potenzielle neue Besitzer werden ganz genau überprüft
Auch wenn Frank Weber ein Herz für Hunde aus Osteuropa hat, so haben auch alte Hunde aus Deutschland bei ihm eine Chance. „Das sind oft tolle Hunde für ältere Menschen – und auch für die schwierigen Fälle gibt es doch immer mal wieder den passenden Menschen.“
Dabei überprüfen Weber und seine Mitarbeiter potenzielle neue Tierbesitzer ganz genau. Eine Gassirunde gehört dazu, in einem extra Kuschelraum können die Interessenten mit ihrem Kandidaten in Ruhe schmusen. Zwei bis drei Besuche sollten es schon sein, ehe eine Entscheidung getroffen wird. Denn es ist ja eine Entscheidung fürs Leben. Frank Weber möchte, dass seine Tiere ein Zuhause für immer finden und eben nicht wieder in seinem Tierheim landen.
Wer gern einen Blick hinter die Kulissen des Franziskus Tierheims (Lokstedter Grenzstraße 7) werfen möchte, hat dazu am Tag der offenen Tür am 9. und 10. September jeweils ab 14 Uhr Gelegenheit.