Reinbek. Tierschützer kritisieren Bewährungsstrafe für 28 Jahre alte Hamburgerin. Warum sie befürchten, dass Tiere nun weiter leiden.
Sichtbar erleichtert nahm die 28-jährige Hamburgerin das Urteil am Donnerstagabend im Amtsgericht Reinbek entgegen. Sie dankte der Richterin. Denn eine Haftstrafe wurde ihr erspart: 18 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung lautete das Urteil für Ebru A. (Name von der Redaktion geändert) in dem Prozess um illegalen Welpenhandel, der sich über Wochen hinzog. „Die Angeklagte wurde wegen gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit quälerischer Tiermisshandlung verurteilt“, sagte eine Gerichtssprecherin.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte an mindesten vier Taten zwischen Juni und Oktober 2021 beteiligt war. Als damalige Verkäuferin eines Hamburger Welpenhandelrings hat sie viel zu junge und teils kranke Welpen in einem Kleinanzeigenportal im Internet angeboten. Die Frau mit den langen schwarzen Haaren und dem dunklen Teint hat sich mit den Käufern unter anderem in Glinde und Barsbüttel getroffen und aufgrund fehlender Papiere teils Preisnachlässe gewährt.
Illegaler Welpenhandel: Ebru A. kann sich an Verkäufe nicht mehr erinnern
Entgegen den Angaben waren die Tiere viel jünger, weder gechipt noch geimpft und litten teils an schweren Krankheiten und Parasiten. Ebru A. konnte sich vor Gericht nicht an die Verkäufe erinnern, sagte aber aus, dass sie das Geld brauchte, weil sie zum Tatzeitpunkt obdachlos gewesen sein soll.
Die Richterin blieb mit ihrem Urteil weit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die hatte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten gefordert. „Das Leid der Tiere war Ihnen bei ihren Taten gleichgültig“, sagte die Staatsanwältin, die der Welpenhändlerin die großen Erinnerungslücken nicht abnahm. Genauso wenig wie die Aussage, dass sie nur 50 bis 100 Euro aus den Verkäufen kassierte. Zwischen 700 und 900 Euro in bar erhalten die Händler pro Welpen.
„Ein äußerst lukratives Geschäft“, sagt Sina Hanke, Vorsitzende vom Tierschutzverein Animal Care mit Sitz in Rellingen. Die 34-Jährige hat einen entscheidenden Anteil daran, dass der Prozess überhaupt ins Rollen kam und hat ihn mit Spannung verfolgt. Zwei der sieben verhandelten Fälle waren sogenannte Scheinkäufe, in denen sich Tierschützer als Interessenten ausgaben und die Verurteilte eindeutig als Verkäuferin ausgemacht werden konnte. Das war in den anderen Fällen nicht der Fall, da waren die Zeugenaussagen zu widersprüchlich. Die Taten konnten nicht eindeutig nachgewiesen werden. „Hier gilt im Zweifel für den Angeklagten“, sagte die Richterin.
Tierschützer von mildem Urteil enttäuscht: wenig abschreckende Wirkung
Tierschützerin Hanke gibt offen zu, dass sie und ihr Mitstreiter sich ein härteres Urteil gewünscht hätten. „Dieses hat kaum abschreckende Wirkung und ist kein Signal an den Welpenhändlerring“, sagt Hanke. „Der wird einfach so weiter machen wie bisher“, ist ihre Befürchtung. Der Handel mit viel zu jungen Welpen – manche sind gerade mal vier Wochen alt – blüht seit der Pandemie in Hamburg und dem Umland. Laut Tierschutzgesetz müssen Welpen beim Verkauf mindestens zwölf Wochen alt sein. Die Zeit brauchen sie, um ihr Sozialverhalten und einen ausreichenden Immunschutz auszubilden. Den hatten zwei von sieben Welpen nicht: sie verstarben kurz nach dem Kauf.
„Ein Wort der Reue, eine Entschuldigung hätte ich mir schon gewünscht“, sagt Stormarns Amtstierärztin Stefanie Roschat am Ende des Prozesses. Sie erinnert sich gut an den mit Flöhen übersäten und blutarmen Welpen aus einem Verkauf in Glinde, zu dem sie dazu gerufen wurde.
Auch Roschat sieht die Entwicklung beim illegalen Welpenhandel mit Sorge und erinnert sich an Einsätze auf der Autobahn, wo Polizeibeamte zufällig in gestoppten Fahrzeugen Kartons voller Hundewelpen fanden. „Die meisten werden auf Märkten in Polen oder Bulgarien für wenig Geld und unterm Ladentisch eingekauft und illegal und ohne Papiere über die Grenze geschmuggelt“, weiß Sina Hanke.
Hamburger Tierärztin soll Welpenhändler unterstützt haben – Angeklagte verliert Job
Doch die Welpenhändler-Mafia agiert immer professioneller und soll, wie die Tierschützer in eigenen Recherchen jüngst aufdeckten, mit einer Hamburger Tierärztin zusammen gearbeitet haben, die gegen Bezahlung Impfpässe ausgestellt haben soll. Der Fall muss noch zur Anklage gebracht werden.
„Möglichst zeitnah und nicht erst wieder in drei Jahren“, sagt Hanke. Solange liegen die Taten von Ebru A. im Kreis Stormarn und Herzogtum-Lauenburg zurück. Bereits zuvor war sie in Hamburg von den Behörden bei illegalen Verkäufen erwischt worden. Sie habe danach einfach die Örtlichkeiten gewechselt und penetrant und ohne Mitgefühl für die Welpen einfach weitergemacht. Das erfordere schon ein erhebliches Maß an krimineller Energie, warf die Staatsanwältin ihr im Prozess vor.
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Weil die Angeklagte aber nicht vorbestraft war und eine gute Sozialprognose hat, blieb das Gericht bei einer Bewährungsstrafe. Ebru A. hatte nach dem Hauptschulabschluss ihre Ausbildung zur Pflegeassistentin abgeschlossen und hat „mit viel Spaß in dem Beruf gearbeitet“, wie sie sagte. Mit Beginn des Prozesses hat sie ihr Arbeitgeber gekündigt. „Das große mediale Interesse hat meine Mandatin stark belastet“, sagte ihr Anwalt, der immer wieder grobe Fehler in der Ermittlungsarbeit der Polizei beanstandete.
Tierschützerin erhielt schon Morddrohungen – Welpen landen im Tierheim
„Das ist ein Hauptproblem in dem Geschehen“, sagt Sina Hanke. „Die Ermittlungsbehörden haben zu wenig Kapazitäten. Da müssen wir noch lautere Forderungen an die Politik stellen.“ Das ist auch der Grund, warum die Tierschützer selbst immer wieder aktiv werden und sich in gefährliche Situationen begeben. „Bock haben wir darauf nicht, aber es macht sonst leider keiner“, sagt Hanke, die bereits Morddrohungen aus der Händlerszene erhalten hat.
Umso wichtiger ist es, dass potenzielle Käufer genauer hinschauen, eben nicht auf der Straße einen Welpen kaufen und vom Kauf absehen, wenn sich das Bauchgefühl meldet. Stattdessen empfiehlt sie den Gang ins Tierheim oder einer Auffangstation. Hier landen die Welpen, die bei den Einsätzen gerettet werden.
Zwei Monate werden der verurteilten Tierhändlerin von der Bewährungsstrafe wegen einer Untersuchungshaft und der langen Verfahrensdauer abgezogen. Zudem muss Ebru A. als Bewährungsauflage 1000 Euro an den Verein Deutsche Wildtierstiftung zahlen. Ihr ist verboten, Tiere zu halten. Rechtsmittel gegen das Urteil will sie nicht einlegen.