Hamburg. Höhere Tierarztkosten bringen ärmere Halter von Hund, Katze und Co. an finanzielle Grenzen. Warum auch Tierheime Alarm schlagen.

Wenn Karin Schultz aus Wandsbek mit ihrem Schnauzer-Labrador-Mischling Benny zum Tierarzt muss, dann war das für die Frührentnerin schon immer teuer. Denn sie lebt von einer Erwerbsminderungsrente. Seit dem 22. November muss sie noch mehr zahlen. Denn mit der Anpassung der Gebührenordnung für Tiermediziner sind die Kosten für tierärztliche Leistungen um bis zu 30 Prozent gestiegen.

Noch vor einem Jahr hat die Kontrolle der Urinprobe vom Hund rund 28 Euro gekostet. Jetzt muss die Hundehalterin aus Eimsbüttel in ihrer Tierarztpraxis 39 Euro zahlen, ein Unterschied, der für sie alles andere als irrelevant ist. Für eine allgemeine Untersuchung von Hunden oder Katzen sind in der Regel nun rund 23,62 Euro fällig. Bislang mussten Halter 13,47 Euro für die Untersuchung ihres Hundes zahlen und 8,98 Euro für ihre Katze. Auch operative Eingriffe sind teurer geworden.

Hamburg: Keine staatlichen Zuschüsse für Haustiere

Die höheren Kosten treffen besonders die Tierhalter, die ohnehin mit wenig Geld auskommen müssen. Rentner, Geringverdiener, Menschen, die von Grundsicherung leben etwa. Karin Wöhrmann, Landesgeschäftsführerin des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) Landesverband Hamburg, und ihre sechs Kollegen kümmern sich um die Menschen, denen es nicht so gut geht. Die Inflation, das geplante Wohngeld, die steigenden Kosten sind Dauerthema. Nun auch noch die teureren Tierärzte.

„Menschen, die von Grundsicherung leben, trifft das besonders“, sagt Frau Wöhrmann. Denn für Haustiere gibt es keine staatlichen Zuschüsse. Das müsse sich ändern, findet sie. Sie fordert: „In der Not sollte es Beihilfen oder Zuschüsse für Haustierbesitzer geben.“

Haustiere seien immens wichtig. Denn: Durch Hund und Katze erfahren diese Menschen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. „Gerade für einsame Menschen ist es wichtig, jemanden zu haben, um den sie sich kümmern können. Haustiere haben für diese Menschen eine enorme Bedeutung“, sagt Karin Wöhrmann.

Haustiere sind wichtig für einsame Menschen

So wie für Karin Schultz. Mit Benny kommt sie regelmäßig hinaus aus ihrer 45-Quadratmeter großen Wohnung, sie trifft andere Hundehalter, kommt mit ihnen ins Gespräch. Die diplomierte Betriebswirtin lebt seit einigen Jahren aus gesundheitlichen Gründen von ihrer Erwerbsminderungsrente und einem 520-Euro-Job. Neben den allgemein steigenden Kosten ist nun auch noch der Tierarztbesuch teurer geworden. Das ist eine große Belastung für die alleinstehende Frau.

Die 65-Jährige hatte immer Hunde und seit eineinhalb Jahren Benny. Zum Leben bleiben ihr 1520 Euro. Sie kommt damit aus, weil sie als frühere Sparkassen-Mitarbeiterin gut mit Geld umgehen kann. Und sie schafft es sogar, sich ein wenig Geld im Monat zur Seite zu legen, und auch eine OP-Versicherung für Benny von 23 Euro im Monat ist drin. Beim Futter, sagt sie, schaut sie, dass sie günstiges, aber gutes Futter im Discounter findet. Benny, sagt sie, sei ihr Partner. „Ohne ihn dabei zu vermenschlichen. Aber Hunde nehmen einen so, wie man ist, wenden sich nicht ab.“ Menschen eben schon manchmal.

Tiere könnten wegen der Kosten im Tierheim landen

Ein Haustier muss man sich leisten können, mehr als jemals zuvor. Und das kann längst nicht mehr jeder. Vor einer Abgabewelle von Tieren im Winter und einem drohenden Tierheim-Kollaps hat dann auch der Leiter des Franziskus Tierheims in Lokstedt, Frank Weber, vor einigen Tagen gewarnt. Weil die Menschen sich angesichts steigender Kosten und auch deutlich steigender Tierarztkosten ihre Haustiere nicht mehr leisten könnten, würden diese in den kommenden Monaten abgegeben werden, so die Sorge, die auch andere Tierschutzvereine teilen.

Dass Halter aus diesem Grund nun ihre Tiere abgeben, glaubt Karin Wöhrmann vom Sozialverband allerdings nicht. Das Tier stehe bei den Menschen an erster Stelle. „Die Leute sparen sich das vom Mund ab, verzichten eher auf das eigene Essen als ihr Tier zu vernachlässigen oder gar abzugeben.“

Erhöhung der Preise basiert auf Studie

Doch was steckt hinter der Gebührenerhöhung? Zur Erklärung: Den praktizierenden Tierärzten stehen in Deutschland für ihre Berufstätigkeit Gebühren nach der Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT), einer bundesweit gültigen Rechtsvorschrift, zu. Zeitlich mag diese Erhöhung äußerst unpassend kommen. Tatsächlich aber stand die Erhöhung schon seit Jahren im Raum. 2020 wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine Studie in Auftrag gegeben, die wissenschaftlich fundiert die einzelnen tierärztlichen Leistungen bewerten sollte, um zu gewährleisten, dass die GOT kostendeckend ist.

Die neuen Gebühren basieren auf den Ergebnissen dieser Studie. Die Gebührenverordnung ist für Tiermediziner bindend. Bedeutet: Wer seine Leistungen deutlich unter dem Gebührensatz oder sogar umsonst anbietet, macht sich strafbar. Dennoch variieren die Preise, da in manchen Fällen doppelte oder dreifache Sätze genommen werden dürfen – aber nicht müssen.

Die Vorsitzende der Hamburger Tierärztekammer Dr. Susanne Elsner (l.) und die Tierschützerin/Hundeimportbetreiberin Anja Laupichler.
Die Vorsitzende der Hamburger Tierärztekammer Dr. Susanne Elsner (l.) und die Tierschützerin/Hundeimportbetreiberin Anja Laupichler. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Es ist die erste Erhöhung seit 1999 und sei längst fällig gewesen, sagen die Tierärzte. „Wir verlangen keine Mondpreise“, so Christina Bertram. Sie betreibt eine Tierarztpraxis in Sülldorf und ist Vorsitzende des Bundesverbands praktizierender Tierärzte in Hamburg. Mit der Erhöhung der Gebührenverordnung, stellt sie klar, gehe auch eine Gehaltsanpassung für die tiermedizinischen Fachangestellten und angestellten Tierärzte einher.

„Die Anpassung der Gebühren war lange fällig. Auch wir leiden unter Fachkräftemangel, und das liegt teils an der schlechten Bezahlung“, sagt Kollegin Susanne Elsner, Präsidentin der Tierärztekammer Hamburg. Sie hofft, dass der Tierarztberuf durch die neue Gebührenordnung attraktiver gemacht werde und sich die Versorgung verbessert. Schon jetzt gilt in einigen Praxen in Hamburg ein Aufnahmestopp.

Tierhalter sollten für Arztbesuch Geld beiseitelegen

Die Höhe der Anpassung entspreche noch nicht einmal dem Inflationsausgleich und sei äußerst maßvoll, so die Tierärztinnen. „Es sollte vor allem betont werden, dass es sich um eine Neubewertung der tierärztlichen Leistungen handelt“, sagt Tierärztin Imke Tammena aus Sasel. Viele Leistungen sind teurer geworden, einige aber auch günstiger, wie etwa das Röntgen.

Die Ansprüche der Besitzer an das, was ein Tierarzt leistet, seien viel höher geworden sowie auch die Ausstattung der Tierarztpraxen heute viel anspruchsvoller ist. „All diese Dinge müssen finanziert werden und werden inzwischen als ganz selbstverständlich wahrgenommen. Aber aus diesen Gründen ist eine Neubewertung der Leistungen nötig.“

Susanne Elsner und ihre Kolleginnen raten dringend dazu, sich entweder monatlich etwas für den Tierarztbesuch beiseite zu legen oder eine Tierkrankenversicherung abzuschließen. Solche Rücklagen oder eine Tierkrankenversicherung sind von Anfang an wichtig. Denn: Allein im ersten Lebensjahr kostet zum Beispiel ein Hund neben der Anschaffung bis zu 1500 Euro mit allen nötigen Impfungen, Untersuchungen und möglichen Krankheiten. Wie bei kleinen Kindern auch. „Es ist gut, wenn die Leute ein finanzielles Polster haben“, sagt Susanne Elsner.

Bei Versicherungen für Haustiere genau hinsehen

Ratenzahlung bieten manche Tierärzte nach vorheriger Bonitätsprüfung an. Beim Abschluss einer Tierkrankenversicherung sollten die Halter genau darauf achten, welche Behandlungen in welcher Höhe damit gedeckt sind, ob es eine Selbstbeteiligung gibt oder eine begrenzte Erstattungssumme im Jahr, ob auch Zahnbehandlungen dazugehören, ob man in Vorkasse treten muss oder nicht. „

Häufig übernehmen die Versicherungen bei älteren oder bereits erkrankten Tieren nicht den vollen Versicherungsschutz.“ Zumindest eine OP-Versicherung sei jedem Tierhalter zu empfehlen. Sogenannte Qualzuchten, also Tiere, die aufgrund ihrer Zucht gesundheitliche Probleme haben, werden von Versicherungen teils gar nicht erst aufgenommen. Zu diesen Qualzuchten, die meist lediglich wegen ihrer angeblich niedlichen Optik gezüchtet werden, gehören unter anderem Möpse, französische Bulldoggen oder Faltohrkatzen. Atem-, Augen- und Ohrprobleme sind weit verbreitet.

Die Patienten-Besitzer – so werden die Halter von Hund, Katze und Co. in Tierarztpraxen genannt – berichten Susanne Elsner und Christina Bertram, reagierten übrigens überwiegend mit Verständnis auf die erhöhten Preise. „Sie finden das schon heftig, aber auch nachvollziehbar.“