Hamburg. Welche Perspektive hat künftige Gedenkarbeit? Experten gehen für die Antwort der Geschichte der Gedenkstätten nach. Die Hintergründe.

Um die Geschichte der KZ-Gedenkstätten in den sogenannten Täterländern BRD, DDR und Österreich von 1945 bis heute geht es bei einer Konferenz, die von Mitarbeitern der KZ-Gedenkstätte am Jean-Dolidier-Weg initiiert wurde und gemeinsam mit Mitarbeitern der Bundeszentrale für politische Bildung bereits seit dem Sommer 2020 organisiert wird. Bei der bisher umfangreichsten Konferenz, zu der die Neuengammer Gedenkstätte bisher einlud, sind vom 16. bis zum 18. Februar 65 renommierte Referenten und Moderatoren – darunter Wissenschaftler, Forscher, Pädagogen, Gedenkstättenmitarbeiter – aus dem In- und Ausland zu hören. Zum ersten Mal werde sich so ausgiebig mit der Geschichte der Gedenkstätten beschäftigt, betonen die Organisatoren.

Forschungsergebnisse sollen für eine Bestandsaufnahme zusammengetragen werden, sodass die unterschiedlichen Entwicklungen der verschiedenen Gedenkstätten sichtbar werden. Ein weiterer wichtiger Punkt, dem die Teilnehmer ihre Aufmerksamkeit widmen wollen, sind Perspektiven für die künftige Gedenkarbeit.

Neuengamme: Dokumentenhaus vor 40 Jahren eröffnet

Dass die Konferenz ausgerechnet jetzt in der Gedenkstätte über die Bühne gehen soll, ist kein Zufall: Vor 40 Jahren wurde am Rande des ehemaligen Lagergeländes das Dokumentenhaus eröffnet. Besucher konnten sich nun erstmals vor Ort über die Geschichte des Lagers informieren, Überlebende und Angehörige bekamen eine Anlaufstelle. Eine kontinuierliche Forschungs- und Vermittlungsarbeit begann.

Nun, vier Jahrzehnte später, soll eine historische Standortbestimmung unternommen werden, berichtet Cornelia Siebeck, Mitarbeiterin der Neuengammer Gedenkstätte. Sie hat das Projekt gemeinsam mit Gedenkstättenleiter Oliver von Wrochem initiiert.

„Es gab damals eine richtige Gedenkstättenbewegung“

Gedenkstätten standen in den Nachfolgestaaten des sogenannten Dritten Reichs lange nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. „es war nicht selbstverständlich, dass aus Orten der Verbrechen Gedenkorte werden“, sagt Cornelia Siebeck. Die Geschichte der Gedenkstätten sei auch eine Geschichte der Entwicklung der Gesellschaft.

Cornelia Siebeck und Oliver von Wrochem bereiten die Konferenz in Neuengamme inhaltlich vor.
Cornelia Siebeck und Oliver von Wrochem bereiten die Konferenz in Neuengamme inhaltlich vor. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

In Hamburg und auch anderswo forderten Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre immer mehr Menschen, darunter vor allem jüngere, Gedenk- und Lernorte ein, betont die Historikerin. „Die Gedenkstätten sind ja nicht einfach so, aus dem Nichts, entstanden. Es gab damals eine richtige Gedenkstättenbewegung.“ Denn Ende der 70er-Jahre flammte der Rechtsextremismus in der BRD und auch in Hamburg wieder auf, machten Neonazis von sich reden. Dem voraus ging eine „jahrzehntelange Konfliktgeschichte“, weiß Cornelia Siebeck. „Auch heute ist Engagement gefragt – um die existierenden Gedenkorte zu bewahren.“

KZ-Gedenkstätten kamen Regime in der DDR gelegen

In der DDR gab es schon früher KZ-Gedenkstätten als in der BRD, weil es dem Regime politisch gelegen kam. „Nach dem Mauerfall wurden die dortigen Gedenkstätten dann umgestaltet“, sagt Cornelia Siebeck. Die sozialistische Sichtweise wurde neutralisiert. In Österreich wiederum sah man sich lange als „erstes Opfer“ der Nationalsozialisten. Siebeck: „Entsprechend war die Darstellung in den Gedenkstätten.“ Die habe sich erst in den 80er-Jahren geändert, als junge Menschen an die Mittäterschaft ihrer Landsleute erinnerten.

Vorträge, Insgesamt werden rund 100 Teilnehmer zu der Konferenz mit dem Titel „Gedenkstättengeschichte(n)“ erwartet, wegen steigender Coronazahlen rund 30 weniger als ursprünglich geplant. Nach jedem Vortrag im großen Konferenzraum des Studienzentrums soll es eine Diskussion geben, außerdem auch Podiumsgespräche. Untergebracht werden die Teilnehmer von außerhalb im Bergedorfer H4-Hotel. Die Konferenzkosten im fünfstelligen Bereich tragen die Gedenkstätte und die Bundeszentrale.

„Wir müssen einen lebendigen Gedenkort erhalten"

Neben etablierten Wissenschaftlern sollen auch 24 Nachwuchswissenschaftler zu Wort kommen. Sie folgten einem Aufruf der Organisatoren, einem sogenannten „Call for Papers“ und bewarben sich mit ihren Themen. „Schließlich wollen wir zur weiteren Forschung anregen und das Thema nach vorn bringen“, sagt Cornelia Siebeck. Gedenkstätten müssten flexibel bleiben, betont die Historikerin. Es sei wichtig, auf die Bedürfnisse potenzieller Besucher einzugehen. „Wir müssen einen lebendigen Gedenkort erhalten, die Menschen ihn mitgestalten lassen.“