Neuengamme. Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) mahnte in Neuengamme Eigenverantwortung und Hilfsbereitschaft an.

Der Himmel über der KZ-Gedenkstätte war, zu dem traurigen Anlass passend, grau und wolkenverhangen, als Senat und Bürgerschaft am Volkstrauertag am Internationalen Mahnmal am Jean-Dolidier-Weg der Opfer von Krieg und Gewalt gedachten. Bei der zentralen Gedenkfeier der Hansestadt legten unter anderem Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) und die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit (SPD), einen Kranz nieder.

Katharina Fegebank hielt vor den etwa 50 Anwesenden, darunter zahlreiche Bezirkspolitiker, Soldaten und Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte, eine Rede, in der sie an das unvorstellbare Leid der in Neuengamme inhaftierten Menschen erinnerte.

Balbina Rebollar berichtet von ihrem Vater, der in Neuengamme inhaftiert war

Die zweite Rede wurde in spanischer Sprache gehalten (und anschließend ins Deutsche übersetzt): Balbina Rebollar, Präsidentin der spanischen Amical de Neuengamme, einem Verband aus Angehörigen ehemaliger spanischer KZ-Häftlinge, berichtete von ihrem Vater Evaristo Rebollar, der in Neuengamme eingesperrt war.

Balbina Rebollar, Präsidentin der spanische Amical de Neuengamme, bei ihrer Rede.
Balbina Rebollar, Präsidentin der spanische Amical de Neuengamme, bei ihrer Rede. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Am 21. Mai 1944 kam der Vater von Balbina Rebollar nach Neuengamme. Später verschleppten ihn die Nationalsozialisten in das Außenlager Beendorf-Helmstedt. Am Ende des Krieges kam er in das Auffanglager Wöbbelin, wo die US-Amerikaner den Widerstandskämpfer befreiten. „Mein Vater und mein Onkel haben unsere Republik mit Waffen verteidigt“, sagte die Amical-Präsidentin.

Nach dem spanischen Bürgerkrieg flüchteten die beiden Brüder 1939 vor Franco ins Ausland, wie fast eine halbe Million weiterer Spanier – Männer, Frauen und Kinder – ebenfalls. Balbina Rebollars Vater und Onkel, sogenannte „Rotspanier“, antifaschistische Republikaner aus dem spanischen Bürgerkrieg, wurden im französischen Exil von den Nationalsozialisten festgenommen. „Auch 46 Jahre nach dem Tod des Diktators (Franco, die Red.) haben diese Menschen in Spanien keine Wiedergutmachung erfahren“, sagt Balbina Rebollar.

Katharina Fegebank forderte in ihrer etwa fünfminütigen Ansprache dazu auf, sich „jeden Tag einzusetzen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Stigmatisierung“. Man müsse widersprechen und sich einmischen, „wenn wir Menschen abfällig über Minderheiten sprechen hören, Wenn andere angegriffen werden aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Orientierung“, betonte die zweite Bürgermeisterin.

Eine Verpflichtung, den Flüchtlingen in Europa zu helfen

Katharina Fegebank erinnerte daran, dass nur noch wenige Zeitzeugen des Holocaust am Leben sind: „Es ist so wichtig ihnen zuzuhören, denn sie machen die Vergangenheit lebendig, helfen uns dabei, nicht zu vergessen.“

Die Politikerin betonte, dass es auch heute Krieg, Terror, Gewalt und Vertreibung gibt: „Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht. Aktuell sehen wir Bilder aus Belarus und von der polnischen Grenze, wo sich Menschen versammeln, die auf der Flucht vor Terror und Gewalt sind. Die Welt ist nach wie vor ein Ort, an dem Menschen um ihr Leben fürchten müssen. Es ist unsere Verpflichtung, ihnen in ihren Heimatländern und bei uns in Europa zu helfen.“ Nicht alles liege in unseren Händen, aber es komme auf jeden Einzelnen an, sagte Katharina Fegebank: „Wir können in unserem eigenen Umfeld und über die Grenzen Deutschlands hinaus dazu beitragen, dass wir in Zukunft mehr Solidarität, Menschlichkeit und Frieden in dieser Welt haben.“

Katharina Fegebank und Carola Veit hatten gestern noch weitere Stationen in ihren Terminkalendern: Auch an der Ernst-Barlach-Stele (Hamburger Ehrenmal, „Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege“ beim Rathausmarkt) wollten sie nach ihrem Besuch in Neuengamme einen Kranz niederlegen. Im Anschluss war eine zentrale Gedenkstunde im großen Festsaal des Hamburger Rathauses geplant. Der Volkstrauertag wurde laut Bürgerschaftskanzlei auch in diesem Jahr gemeinsam mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge geplant und veranstaltet.

Am Hochkreuz auf dem Bergedorfer Friedhof wurden gestern anlässlich des Volkstrauertags ebenfalls Kränze niedergelegt.