Neuengamme/Altstadt. 25.000 Juden wurden von den Nazis nach Riga deportiert, dort umgebracht. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme gibt den Opfern ein Gesicht.

Einst schlug in Riga das Herz des jüdischen Lebens in Lettland. Bis zum Sommer 1941. Da marschierten deutsche Truppen in die Stadt nahe der Ostsee ein – und brachten das Herz zum Stillstand. Riga wurde zum Tatort nationalsozialistischer Vernichtungspolitik: Aus Deutschland, Österreich und Tschechien wurden Jüdinnen und Juden in die lettische Hauptstadt deportiert. Sie wurden von Angehörigen der SS, Polizei und Wehrmacht sowie lokalen Hilfstruppen ermordet, ebenso wie fast alle lettischen Jüdinnen und Juden.

Die Deportation nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland stehen im Mittelpunkt der Ausstellung „Der Tod ist ständig unter uns“, die die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte von Freitag, 13. Januar, an im Hamburger Rathaus zeigt.

KZ Gedenkstätte Neuengamme stellt im Hamburger Rathaus aus

Es ist bereits Tradition, dass die KZ-Gedenkstätte Neuengamme im Januar in der Diele des Rathauses gastiert. Schon mehr als 20-mal hat das Team der Gedenkstätte anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar eine Ausstellung zusammenstellt, die von der Hamburgischen Bürgerschaft präsentiert wird.

Kuratorin ist dieses Mal Dr. Franziska Jahn, die am Freitag zur Eröffnung der Ausstellung ebenso vor geladenen Gästen sprechen wird wie Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, Gedenkstättenleiter Dr. Oliver von Wrochem sowie Fred Zimmak. Sein Vater Leonhard wurde einst aus Hamburg nach Riga deportiert – und war einer der wenigen Überlebenden. Seine Frau Else und der wenige Monate alte Sohn Denny aber wurden von der SS in einer Massenmordaktion im März 1942 erschossen.

„Niemals dürfen die schrecklichen Verbrechen der Nationalsozialisten, die unsägliches Leid über Millionen gebracht haben, vergessen werden. Mit der Ausstellung soll auch der abstrakten, nicht vorstellbaren Zahl von sechs Millionen getöteter Jüdinnen und Juden ein Gesicht gegeben werden. Schrecken und Grausamkeit sollen am Beispiel einzelner Männer, Frauen und Kinder, wenn auch nicht begreifbar, so doch wenigstens kenntlich gemacht werden“, sagt Carola Veit.

Hannoverscher Bahnhof: Einst Deportationen, heute Erinnerungsort

Insgesamt waren 753 Hamburgerinnen und Hamburger unter den Menschen, die vom Hannoverschen Bahnhof aus nach Lettland deportiert wurden. Heute ist der Ort des ehemaligen Bahnhofs in der HafenCity ein wichtiger Erinnerungsort an die Deportationen nach Riga. Die Ausstellung möchte dazu beitragen, die Deportationen nach Riga und das nationalsozialistische Morden im öffentlichen Gedenken Deutschlands wie auch Lettlands zu verankern.

„Forderungen wie ,Nie vergessen’ und ,Nie wieder’ sind wichtig. Leider sind wir schlecht in der Umsetzung. Ich hoffe immer, dass die Welt ein Stück besser wird. Besonders jetzt, angesichts des Kriegs gegen die Ukraine und neuen Formen von Rechtsextremismus in der ganzen Welt, ist es wichtig, aktiv zu werden. Wenn wir nichts machen, lassen wir den Rechten freie Hand. Die Demokratie ist nicht selbstverständlich. Wir müssen für ihren Erhalt kämpfen“, sagt Fred Zimmak.

Nur 1000 von 25.000 deportierten Jüdinnen und Juden überlebten

Zwischen November 1941 und Winter 1942 wurden insgesamt 25.000 Jüdinnen und Juden aus Deutschland, Wien, Prag und Brünn nach Riga deportiert. „Nur etwa 1000 von ihnen überlebten“, sagt Oliver von Wrochem. Selten kehrten sie in ihre Heimatländer zurück und kämpften vergeblich um Gerechtigkeit. Eine umfassende juristische Aufarbeitung der Verbrechen blieb aus.

Zwei der umfangreichsten Verfahren zu den deutschen Verbrechen in Riga fanden in den 1950er- und 1970er-Jahren vor dem Hamburger Landgericht statt. „Das Schicksal der Deportierten und die Ermordung Zehntausender lettischer Jüdinnen und Juden sind in der deutschen und der lettischen Erinnerungskultur noch immer wenig präsent. Dies soll sich mit dieser Ausstellung ändern“, erklärt Oliver von Wrochem.

Die Ausstellung ist zu sehen vom 13. Januar (Eröffnung) bis 8. Februar in der Diele des Hamburger Rathauses (Rathausmarkt 1). Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 7 bis 19 Uhr, Sonnabendund Sonntag 10 bis 17 Uhr. Bei speziellen Veranstaltungen im Rathaus kann es zur vorübergehenden Schließung der Ausstellung kommen.

Begleitprogramm zur Ausstellung

  • Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutschbesetzten Lettland. Vortrag, Montag, 16. Januar, 19 bis 21 Uhr, Jüdisches Kulturhaus (Flora-Neumann-Straße 1).
  • Wir sollten leben. Ein Gespräch mit Fred Zimmak, Sohn eines Riga-Überlebenden. Mittwoch, 18. Januar, 19 bis 21 Uhr, Tschaikowsky-Saal (Tschaikowskyplatz 2).
  • Keiner fragt, wohin – Die Deportation norddeutscher Jüdinnen und Juden nach Riga 1941. Themenrundgang, Sonntag, 22. Januar, 14 bis 16 Uhr, Treffpunkt: Info-Pavillon denk.mal Hannoverscher Bahnhof (Lohseplatz 1).
  • Die Gesichter meines Vaters. Dokumentarstück von Michael Batz, Mittwoch, 25. Januar, 10 und 12 Uhr, für Jugendliche, Großer Festsaal des Hamburger Rathauses (Rathausmarkt 1).
  • Wir haben es doch erlebt… Das Ghetto von Riga. Dokumentarfilm, Sonntag, 29. Januar, 11 bis 13 Uhr, Abaton-Kino (Allende-Platz 3).
  • Rabbiner Dr. Joseph Carlebach und seine Familie in Hamburg, Altona und Lübeck. Vortrag, Dienstag, 31. Januar, 18 bis 20 Uhr, Jüdische Gemeinde Hamburg (Grindelhof 30).
  • Eine warme Mahlzeit täglich. Ein Gespräch über Hilfen für die letzten Holocaustüberlebenden in Lettland. Mittwoch, 1. Februar, 14 bis 16 Uhr, Kleiner Michel (Michaelisstraße 5).
  • Deportationen im Stadtraumsichtbar machen. Podiumsgespräch, Donnerstag, 2. Februar, 19 bis 21 Uhr, Hamburger Rathaus, Bürgersaal (Rathausmarkt 1).
  • Mein Opa war der Totengräber von Rumbula. Gespräch mit Lorenz Hemicker, Enkel des SS-Offiziers Ernst Hemicker. Dienstag, 7. Februar, 19 bis 21 Uhr, dock europe e. V. Internationales Bildungszentrum, Hinterhof Eingang West (Bodenstedtstraße 16).
  • Führung durch die Ausstellung: Sonntag, 15. Januar, 18 bis 19 Uhr; Montag, 6. Februar, 18 bis 19.30 Uhr.

Anmeldung: https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/veranstaltungskalender.

  • Führung in Deutscher Gebärdensprache: Dienstag, 18. Januar, 11 bis 12.30 Uhr; Freitag, 3. Februar, 17.30 bis 19 Uhr. Anmeldung: martina.bergmann@museumsdiensthamburg.de.