Hamburg. Nazis werden in Hamburg bejubelt. Dieses dunkle Kapitel der Stadt ist Thema bei einem Rundgang durch die Einkaufsstraße in Bergedorf.
Das Sachsentor ist Bergedorfs Paradestraße. Doch was heute mit Einkaufsbummel, Café-Besuch, bunten Märkten und Festen in Verbindung gebracht wird, hatte einst eine dunkle Seite. Denn natürlich marschierten vor 85 Jahren auch Bergedorfs Nazis durch das Sachsentor, nutzten es als Identifikationspunkt für ihre Hakenkreuz-Ideologie.
Die Bilder von damals schockieren noch immer, zeigen sie doch auf den ersten Blick die heutige Fußgängerzone voller Menschen – nur dass die einer Parade von Uniformierten zujubeln, die Hitlers Terror nach Bergedorf brachten. „Das war seinerzeit nicht etwa für das Foto erzwungen. Vielmehr hatten Tausende Bergedorfer die Nazis gewählt, wie fast überall in Deutschland“, sagt Christian Römmer. „Die breite Masse der ganz normalen Bürger war einer großen Hitler-Begeisterung verfallen.“
Bergedorf: Nazis drängen Bürgermeister Friedrich Frank aus dem Amt
Wie das passieren konnte, wird der Historiker am Mittwoch, 13. Juli, beim Feierabend-Rundgang des Kultur- & Geschichtskontors erklären. Los geht es um 18 Uhr vor den Räumen des Kontors im Reetwerder 17. Die Teilnahme kostet 9 Euro, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Nach Hitlers Machtergreifung am 30. Januar 1933 ging in Bergedorf alles sehr schnell: „Der SPD-Bürgermeister Friedrich Frank wurde zum Rücktritt gedrängt, politisch Andersdenkende wurden verfolgt, und auch Bergedorfs Juden, darunter renommierte Ärzte, Geschäftsinhaber und vermögende Kaufleute aus dem Villengebiet, gerieten ins Visier der zu Verfolgungsbehörden umfunktionierten Bürokratie“, sagt Christian Römmer.
Trotzdem war der Großteil der Bevölkerung von den neuen Machthabern begeistert. „Erst nach vielen Jahren, in der Spätphase des Zweiten Weltkrieges, als Luftangriffe und die immer schlechter werdende Versorgungslage den Alltag prägten, ließ die Zustimmung nach“, sagt der Historiker.
Sachsentor war ein Ort der Propaganda und Unterdrückung
Bei seinem zweistündigen Rundgang unter der Überschrift „Bergedorf im Gleichschritt“ wird Römmer Orte der Propaganda, der Unterdrückung und auch mancher Deportation im und am Sachsentor aufsuchen. Dazu gehören auch Betriebe, die hier Zwangsarbeiter beschäftigten, teils sogar Häftlinge aus dem KZ Neuengamme.
„Einige Nazi-Funktionäre wurden zwar zur Rechenschaft gezogen. Doch schon in den 1950er-Jahren hatten viele ihre alten Posten zurück und waren auch privat wieder rechtsextremistisch aktiv“, erinnert Christian Römmer an Zeiten, in denen Bergedorf zur Hochburg der NPD wurde. „Der ganz normale Alltag und nationalsozialistische Gesinnung lagen hier tatsächlich über mehrere Jahrzehnte eng beieinander.“