Hamburg. Besucher in Neuengamme sind schockiert. Denkmal erinnert an ermordete Belgier und deren Angehörige. Staatsschutz ermittelt.
Auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ist eine etwa 80 Kilogramm schwere Bronzestatue umgestoßen worden. Zwei Besucherinnen hatten dies am Mittwoch gegen Mittag bemerkt und Mitarbeiter der Gedenkstätte alarmiert. Diese schalteten die Polizei ein. Nun wird ermittelt, ob es sich um eine politisch motivierte Tat oder Vandalismus handelt.
Die Statue mit dem Namen „Die Verzweiflung von Meensel-Kiezegem“ befindet sich im sogenannten Gedenkhain, einem abgelegenen, durch Bäume und Büsche schlecht einsehbaren Bereich der Gedenkstätte. Die Statue erinnert an die Opfer aus der belgischen Gemeinde Meensel-Kiezegem. Das von der Künstlerin May Claerhout geschaffene Denkmal ist den ermordeten Einwohnern und ihren Müttern und Witwen gewidmet.
Es zeigt eine trauernde Frau, die nach der Deportation des Mannes allein die Verantwortung für Haus und Kind tragen muss. Die SS verschleppte bei zwei Razzien im August 1944 alle männlichen Einwohner der beiden Dörfer Meensel und Kiezegem. 71 Männer wurden mit den letzten Deportationszügen aus Belgien in das KZ Neuengamme transportiert. Nur acht überlebten die KZ-Haft und kehrten zurück.
Statue in KZ-Gedenkstätte zerstört – Tat schockiert
Die Tat schockiert besonders, weil sich diese Tage zahlreiche internationale Gäste – Delegationen von Angehörigen aus vielen Ländern – in der Gedenkstätte am Jean-Dolidier-Weg aufhalten, darunter auch Belgier. So zeigte sich Freddy Duerinckx, Sohn eines aus Meensel-Kiezegem nach Neuengamme deportierten Belgiers und Vizepräsident des belgischen Angehörigenverbands NCPGR Meensel-Kiezegem ‘44, fassungslos.
„Es ist sehr emotional für mich. Ich sehe in der Statue meine Mutter. 1998 haben wir die Statue hier errichtet. Jedes Jahr kommt eine Delegation aus Meensel-Kiezegem, um die Mütter und die Opfer zu ehren. Ich kann die Tat nicht verstehen. Vandalismus zeigt keinen Respekt für die Opfer.“ Duerinckx besucht das internationale „Forum Zukunft der Erinnerung“, das derzeit in der Gedenkstätte durchgeführt wird.
Statue in KZ-Gedenkstätte durch Gewalt zerstört
Die Statue soll schnellstmöglich wieder aufgestellt werden. Sie wurde vermutlich ohne Werkzeug und nur durch rein körperliche Gewalt aus ihrer Verankerung – drei jeweils etwa 15 Zentimeter lange Metallstreben, die in einen gemauerten Sockel einzementiert waren – gehebelt. Möglicherweise wollten der oder die Täter die Statue aufgrund ihres Materialwerts auch stehlen, konnten sie aber aufgrund ihres Gewichts nicht wegschaffen. Der Staatsschutz ermittelt.
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Oliver von Wrochem, Vorstand Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen, verurteilt die mutwillige Beschädigung des Denkmals: „Wir sind sehr betroffen, dass unsere belgischen Gäste mit einem solchen Akt der Zerstörung konfrontiert sind.“