Hamburg/Neuengamme. Gedenkstätte Neuengamme präsentiert neue Ausstellung im Hamburger Rathaus. Wen die Nationalsozialisten als „asozial“ entwürdigten.
Es war ein Akt von Willkür: Tausende gesellschaftlich unangepasste und in Armut lebende Menschen wurden im Nationalsozialismus als „asozial“ abgestempelt und verfolgt. Erst 2020 erkannte sie der Deutsche Bundestag als NS-Opfer an. Wer waren diese Frauen und Männer, Jugendlichen und Kinder? Was hatten sie erlitten? Warum blieb ihre Verfolgungsgeschichte jahrzehntelang unbeachtet? Diesen Fragen geht eine Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit dem Titel „Zwischen Zwangsfürsorge und KZ. Arme und unangepasste Menschen im nationalsozialistischen Hamburg“ nach. Sie wird am Freitag, 10. Juni, im Hamburger Rathaus eröffnet wird.
Die Ausstellung berichtet über die vielen Hundert Hamburger, die abgestempelt, entmündigt und zwangssterilisiert in geschlossenen Anstalten weggesperrt und in Konzentrationslagern inhaftiert wurden. Sie beleuchtet, welche Rolle Fürsorge, Wohlfahrtsanstalten und Polizei dabei spielten, und verdeutlicht, in welcher Tradition die bis heute anhaltende Ausgrenzung und Entwürdigung von Menschen als „asozial“ steht.
Die NS-Opfer mussten schwarze Winkel an der Kleidung tragen
„Mein Großvater musste im KZ Neuengamme einen schwarzen Winkel an seiner Häftlingskleidung tragen. Damit kennzeichneten die Nazis ihn als angeblich ,asozial’“, berichtet Raimund Haut, Enkel des im Konzentrationslager Neuengamme ermordeten Häftlings Jakob Haut. „Was für eine respektlose und bösartige Bezeichnung! Mein Großvater war sehr liebevoll, vielfältig begabt und ausgesprochen mutig, als er sich den Nazis entgegengestellte. Was er bestimmt nicht war: asozial. Nun wird er in einer Ausstellung im Hamburger Rathaus gewürdigt. Das bedeutet mir sehr viel.“
Die Polizei habe in mehreren Verhaftungswellen reichsweit Zehntausende Menschen als angeblich „Asoziale“ in die Konzentrationslager eingewiesen, berichtet Prof. Dr. Detlef Garbe, Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte. „Entmündigungen und Zwangsunterbringungen blieben oftmals bis weit über 1945 hinaus in Kraft, manchmal bis zum Lebensende der Betroffenen“, sagt Garbe. Carola Veit, Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, sagt: „Viel zu lange mussten diese verfolgten Menschen warten, bis sie offiziell als Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft anerkannt wurden. Nur wenige Betroffene konnten dies noch selbst erleben.“
Führung durch die Ausstellung und ein Podiumsgespräch
Carola Veit eröffnet die Ausstellung in der Rathausdiele um 13 Uhr. Sprechen werden zudem Detlef Garbe und Raimund Haut. Der Eintritt zu der Ausstellung ist frei. Geöffnet ist sie montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr, sonnabends und sonntags von 10 bis 17 Uhr (bis 3. Juli).
Im Anschluss an die Eröffnung bietet die Kuratorin Frauke Steinhäuser einen Rundgang durch die Ausstellung an. Um 14 Uhr berichten Raimund Haut und Hans-Jakob Gehring, Biograf von Jakob Haut, in einem Podiumsgespräch (Rathaus, Raum 151) von dessen Verfolgungsgeschichte und deren Nachwirkungen in der Familie. Weitere Veranstaltungen begleiten die Ausstellung. Infos: kz-gedenkstaette-neu engamme.de (Aktuelles).