Bergedorf. Neue Privatschule in Hamburg soll die Lücke zwischen Förder- und Stadtteilschule schließen. Was genau geplant ist.

Eine Schule ohne Noten, in der auch lernschwache Schüler zurechtkommen. „So etwas fehlt in den Vier- und Marschlanden“, sagt Jessica von Allesch. Gemeinsam mit Rüdiger Mertins (58) und zwei weiteren Mitstreitern will die 40-Jährige aus Kirchwerder deshalb eine gemeinnützige Grund- und Stadtteilschule (Klassen eins bis 13) im Landgebiet gründen.

In der Privatschule sollen die individuellen Stärken der Kinder und die Freude am Lernen im Mittelpunkt stehen. Jedem Kind soll die Möglichkeit gegeben werden, sein volles Potenzial zu entfalten, um sich in einer geschützten, förderlichen Lernumgebung entwickeln zu können, berichten die Initiatoren.

Schule in Bergedorf: Es werden schon jetzt Lehrer gesucht

Sie befinden sich in der Planungsphase, ihre Schule ist noch in Gründung. „Wir müssen ein passendes Gebäude finden, die Genehmigung der Schulbehörde für den Betrieb erhalten und die Finanzierung absichern“, sagt Jessica von Allesch. Die Aufnahme des Schulbetriebs ist zum Schuljahr 2025/26 geplant.

Jessica von Allesch, Mutter und studierte Kauffrau, und Rüdiger Mertins, gelernter Bootsbauer, haben langjährige Erfahrungen in der Kinder- und Jugendarbeit gesammelt. Mertins arbeitete lange im Haus Warwisch, Jessica von Allesch engagiert sich in einem Gesundheitsprojekt für Schulkinder. Mit zum Kreis der Initiatoren zählen zwei Pädagogen, die, wie Mertins, in der Hamburger City wohnen.

Die Planung des Projekts sei eine Herausforderung, weil die Schulbehörde für den Betrieb einer Privatschule erst ihr Okay gibt, wenn ein schlüssiges Konzept vorliegt, Personal und ein geeignetes Gebäude gefunden sind. Deshalb werden schon jetzt Lehrer und Finanzierungsmöglichkeiten gesucht, auch wenn bis zur geplanten Aufnahme des Schulbetriebs im August 2025 mit jeweils sechs Kindern in den Klassenstufen eins bis acht noch viel Zeit vergeht.

Staatliches Schulsystem soll entlastet werden

„Voraussetzung für eine Genehmigung durch die Schulbehörde ist, dass wir mit unserer neuen Schule die bereits bestehende Schullandschaft ergänzen. Und das tun wir: Wir schließen die Lücke zwischen Förderschule und Stadtteilschule, möchten benachteiligten Kindern einen Ort zum Lernen geben“, sagt Jessica von Allesch. Damit seien sowohl Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, Kinder mit Lernschwierigkeiten oder Einschränkungen wie etwa AD(H)S oder Autismus gemeint.

„Wir richten uns auch an Kinder, die sich im staatlichen Schulsystem nicht wohlfühlen, weil sie zu gestresst sind, gemobbt werden, die jetzige Schule zu laut oder zu viel für sie ist, Probleme mit der Sozialkompetenz bestehen oder sie sich anderweitig im staatlichen System nicht wohlfühlen. Wir möchten das staatliche Schulsystem entlasten, streben eine gute Zusammenarbeit mit den Schulen in der Region an“, sagt Jessica von Allesch.

Maximal 120 Kinder und Jugendliche sollen die Schule gleichzeitig besuchen

Deutsch, Mathe und Englisch sollen täglich unterrichtet werden, „aber in der individuellen Geschwindigkeit eines jeden Kindes und unter Berücksichtigung neuster Forschungsergebnisse zum Lernen sowie KI-Software, die individuell die passenden Lehrmaterialien erstellt“, betont die 40-Jährige. Die Kinder sollen in kleinen Gruppen lernen, die von Fach zu Fach anders zusammengesetzt sind. Vorgesehen ist, dass ein Lehrer 16 Schüler betreut.

„Es wird viel Raum für Realprojekte und die jeweiligen Interessen der Kinder geben, etwa einen Schulgarten, Bootsbau, ein Atelier. Das Konzept sieht vor, dass neben den ausgebildeten Lehrkräften, bei denen die Aufsichtspflicht liegt, auch viele Ehrenamtliche aus der Umgebung das Lernen unterstützen“, sagt die Initiatorin. Maximal 120 Kinder und Jugendliche sollen die Schule gleichzeitig besuchen können.

Parallel wird nach weiteren geeigneten Standorten geschaut

Bei der Suche nach einem geeigneten Gebäude haben die Initiatoren derzeit vor allem das Gutshaus Riepenburg im Blick. Das 1853 errichtete Gebäude am Kraueler Hauptdeich 17, nahe dem Kirchwerder Mühlendamm, droht jedoch zu verfallen und muss erst kernsaniert werden. Auch ob sich das erst seit Mitte 2022 denkmalgeschützte Gebäude von der Raumaufteilung her überhaupt als Schule eignet, ist noch unklar. Jessica von Allesch: „Wir haben bei der zuständigen Behörde, der Finanzbehörde angefragt, ob wir uns das Haus bald anschauen dürfen, gemeinsam mit dem Grünen Zirkel und dem Denkmalschutzamt.“

Wenn die Fachleute nach einer Besichtigung keine Chance für die Einrichtung einer Schule in dem alten Gebäude sehen, habe sich der Standort Riepenburg erledigt, betont Jessica von Allesch. „Deshalb schauen wir parallel nach weiteren geeigneten Standorten.“

Viele externe Ehrenamtliche sollen mitwirken

Die Lage des Gutshauses finden die Initiatoren in jedem Fall super: „Es liegt in einem Naturschutzgebiet, man kann mit den Schülern naturkundliche Wanderungen unternehmen“, sagt Rüdiger Mertins. Dieser Naturbezug sei wichtig, deshalb sei die Suche nach einem geeigneten Standort auf die Vier- und Marschlande beschränkt. Mertins: „Hier kennen wir auch viele Akteure, sind wir gut vernetzt.“

„Das Gutshaus wäre schön, aber das wird schwierig, weil Schulbau Hamburg hohe Ansprüche hat, was etwa Brandschutz und Fluchtwege betrifft“, sagt Jessica von Allesch. Sie könnte sich dort mehr als nur eine Schule vorstellen, „ein Haus für die Vier- und Marschlande, einen Treff für die Region“, in dem viele Externe ehrenamtlich mitwirken: „Sie könnten im Schulgarten mithelfen, Umweltprojekte gestalten und Nachhilfe geben, wären im regulären Unterricht und auch danach einbezogen.“ Außerhalb der Schulzeit sollen die Räumlichkeiten der Schule für offene Kinder-, Jugend-, Behinderten- und Seniorenarbeit sowie weitere Angebote zur Verfügung stehen.

Pacht nach Kernsanierung wird nicht niedrig sein

Ein offenes Haus, eine Tagungsstätte sei die Grundidee des Grünen Zirkels Vier- und Marschlande, einer unabhängigen, 2016 gegründeten Interessengemeinschaft von Vierländer Bürgern, die sich für den Erhalt des verfallenden Gutshauses einsetzt, betont Georg Eggers. Rolf Wobbe, ebenfalls Mitglied des Grünen Zirkels, gibt zu bedenken, dass nach einer Kernsanierung die Pacht für das Gebäude „nicht niedrig“ sein werde. Deshalb suchen die Initiatoren des Schulprojekts und auch der Grüne Zirkel nach einem Träger, der der Stadt gegenüber in der Pflicht ist und Verantwortung für die Kosten übernimmt. „Das könnte beispielsweise auch das Bergedorfer Bezirksamt sein“, sagt Wobbe.

Finanzsenator Dr. Andreas Dressel (SPD) steht in Kontakt mit dem grünen Zirkel. „Er hat uns mitgeteilt, dass er wegen des Gutshauses auch in Kontakt mit dem Bezirksamt ist“, sagt Wobbe. „Aktuell wird ein bezirklicher Beitrag erarbeitet“, heißt es in einem Schreiben von Dressel an den grünen Zirkel vom 24. April.

Eltern können ihre Kinder jetzt schon unverbindlich anmelden

Eltern können die Namen ihrer Kinder schon jetzt unverbindlich auf eine Interessentenliste setzen lassen. „Grundsätzlich ist jedes Kind willkommen. In persönlichen Gesprächen müssen wir jeweils klären, ob unsere Schule für das Kind geeignet ist“, sagt Jessica von Allesch. „Wir möchten ein Lernort für benachteiligte Kinder sein, eine Aufnahme an der Schule wird daher unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten sein. Ob es ein Schulgeld für Familien, die sich das leisten können, geben wird, wird zurzeit noch geprüft.“

Die Höhe ist in Hamburg gedeckelt: „Das Schulgeld darf maximal 200 Euro im Monat pro Kind betragen.“ Für Familien, die sich das nicht leisten können, würden daher Stiftungen und Fördermöglichkeiten gesucht. „Wir können das Projekt nicht durch Schulgeld allein finanzieren.“ Die Stadt übernehme Kosten erst drei Jahre nach Start des Schulbetriebs. Deshalb würden auch für den laufenden Betrieb Sponsoren, etwa Stiftungen, benötigt.

Weitere Informationen zu der Schule in Gründung und auch Kontaktmöglichkeiten für Schüler, Eltern und Lehrer, weitere potenzielle Unterstützer und Sponsoren oder Menschen, die Lust haben, die neue Schule mit zu planen oder bei der Suche nach einem geeigneten Gebäude helfen können, finden sich auf schule-fuer-heute.de.